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entdeckt_01_2013

Kooperation// Das Forschungsmagazin aus dem HZDR WWW.Hzdr.DE 38 39 über die Reichweite des Partikelstrahls einstellen kann, sehen Radioonkologen in Protonen- und Ionenstrahlen eine besonders scharfe Waffe gegen den Krebs. Für die moderne Strahlentherapie mit ultraharter Röntgenstrahlung existieren aufgrund der jahrelangen Erfahrung ausgefeilte Technologien, um eine optimale Bestrahlung zu gewährleisten. Partikelstrah- len verhalten sich jedoch physikalisch völlig anders, sodass die vorhandenen Technologien nicht einfach übertragen werden können. Genau hier setzt das EU-Projekt ENVISION an; es wurde 2007 von Ugo Amaldi (Europäisches Kernforschungszentrum CERN, Genf) und Wolfgang Enghardt (Forschungszentrum OncoRay, Dresden) vorgeschlagen, seit 2010 wird es am CERN koordi- niert. Wissenschaftler aus 15 Forschungseinrichtungen und einem Unternehmen für Medizintechnik entwickeln bildge- bende Verfahren, die in der Lage sind, den unsichtbaren Partikelstrahl im Körper des Patienten sichtbar zu machen. Sie nutzen aus, dass ein Teil der Partikel mit Atomkernen des bestrahlten Gewebes zusammenstößt. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Partikel – sie erreichen bis zu 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit – finden Kernreaktionen statt. Dadurch entstehen weitere, sekundäre Strahlungsarten, wie Gammastrahlung, schnelle Protonen und Neutronen; sie tragen Informationen über die Genauigkeit der Bestrahlung mit sich, die man nutzen kann. Die Projektpartner arbeiten an mehreren Themen gleichzeitig: // Entwicklung von Strahlungsdetektoren, welche die Sekun- därstrahlung, speziell ihre Energie und den Entstehungs- ort, genau registrieren; // Erarbeitung von Software, die aus diesen Detektorsigna- len für alle klinischen Situationen – insbesondere für Tumoren, die sich mit der Atmung bewegen – in Echtzeit aussagefähige Bilder und daraus klinische Schlussfolge- rungen zur Präzision der Therapie ermöglicht; // Einbindung dieser Software in die Bestrahlungsplanung als Voraussetzung einer „adaptiven“ Partikeltherapie; Abwei- chungen vom Bestrahlungsplan werden dabei sofort durch die Anpassung der Strahlparameter korrigiert. Die Physikerin Fine Fiedler, Abteilungsleiterin im HZDR, und ihr Doktorvater Wolfgang Enghardt arbeiten zusammen mit fünf Promotionsstudenten an diesen Aufgabenstellungen. „Unser großes Ziel ist es, sowohl die Reichweite der Protonen als auch die applizierte Strahlungsdosis direkt während der Bestrahlung bestimmen zu können. Ein enormer Vorteil für uns ist die enge Zusammenarbeit mit dem Universitätsklini- kum und der TU Dresden in unserem gemeinsamen OncoRay- Zentrum, denn so können wir Physiker uns mit Experten aus der Onkologie, der Krebsbiologie oder der Informatik auf direktem Weg austauschen. Das ist sehr wichtig für uns: Die Geräte sollen sich ja am Ende wirklich zum Einsatz in der Klinik eignen“, erläutert Fiedler. Ein gutes Team bildet sie deshalb auch mit ihrem OncoRay-Kollegen Guntram Pausch, der die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Gruppe „In-vivo Dosimetrie für neue Strahlenar- ten“ leitet. Kernphysik trifft Medizin Wolfgang Enghardt steht Pate dafür, dass Kernphysik erfolg- reich in der Medizintechnik Einzug hält, ist er doch Experte dafür – und das weit über Deutschland hinaus. Im Rahmen des Deutschen Schwerionentherapie-Projekts hatte er vor Jahren schon eine PET-Kamera (PET - Positronen-Emissions- Tomographie) entwickelt, die den Weg der Teilchenstrahlen im Patienten nach jeder einzelnen Behandlung abbildet. Heute leitet Enghardt das entsprechende Arbeitspaket im EU-Projekt ENVISION, bei ihm laufen aber auch alle Fäden in Dresden für die anderen Pakete zusammen. „Der Radioonkologe benötigt Bilder, um genau sehen zu können, wie viel Dosis wo genau angekommen ist. Wir arbeiten aber auch daran, die Protonen eines Tages als adaptive Hochpräzisionstherapie im klinischen Alltag implementieren zu können. Unsere neuen Hightech- Geräte sollen also direkt bei der Behandlung eingreifen und korrigieren, wenn es zu Abweichungen zwischen der zuvor errechneten Dosis oder Reichweite und dem tatsächlichem Strahl kommt.“ Krebsmediziner schätzen, dass circa 15 Prozent der Patienten von der Partikeltherapie profitieren könnten. Unerlässlich hierfür sind genau die Zusatzgeräte und Methoden, an denen im ENVISION-Projekt geforscht wird. Erst sie schaffen die kontrollierten Bedingungen, damit die Protonen- und Ionen- strahlen den Krebs vollständig vernichten können; das gesun- de Gewebe soll dabei weitestgehend geschont werden. Wolfgang Enghardt bleibt Realist und meint: „Die Erhöhung von Wirksamkeit und Präzision der Strahlentherapie ist eine ständige Herausforderung, vor der Mediziner, Physiker und Ingenieure seit 1896, als erstmals Röntgenstrahlen für die Tumortherapie eingesetzt wurden, stehen. ENVISION, das bis 2014 von der EU gefördert wird, hat wichtige physikalisch- technische Lösungen für die Partikeltherapie auf der Basis des gegenwärtig technologisch Machbaren erbracht, von denen einige in den nächsten Jahren sicherlich klinische Bedeutung erlangen werden. Die rasante Entwicklung der Beschleuni- gertechnologien, der Strahlungsdetektoren und im IT-Bereich werden aber dafür sorgen, dass auch in zehn, 20 oder 30 Jahren, jedenfalls solange es Strahlentherapie als hochwirksa- me Tumorbehandlung gibt, mit hohem Engagement an diesem Thema geforscht werden wird und raffiniertere Lösungen in der Klinik zum Einsatz kommen werden.“ Kontakt _Institut für Strahlenphysik im HZDR Dr. Fine Fiedler f.fiedler@hzdr.de _Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie „OncoRay“ Prof. Wolfgang Enghardt wolfgang.enghardt@oncoray.de _Nachwuchsforschergruppe „In-vivo Dosimetrie für neue Strahlenarten” Dr. Guntram Pausch guntram.pausch@oncoray.de www.oncoray.de envision.web.cern.ch

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