Von Mikroben zu Metallen „Ich schaue jeden Tag, was meine Mitarbeiter so tun“, sagt Katrin Pollmann. Ins Labor kommt sie hingegen nur noch selten. Leider: Selber Forschen macht Spaß. „Aber man braucht viel Zeit am Stück, um zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen.“ Die hat die 45-jährige Biologin nicht mehr. Zu viele Ideen würden liegenbleiben. Mit ihrem Mitarbeiter Rohan Jain hat sie erst im Juli ein deutsch-indisches For- schungsprojekt auf den Weg gebracht und war dafür vor Ort in Neu-Delhi und Udaipur in Rajasthan, Indien. Katrin Pollmann studierte in den 1990er Jahren in Münster und Osnabrück. „Mich interessierte alles, was mit Umwelt und Biodiversität zu tun hatte“, erinnert sie sich. „Zuerst haben mich Pflanzen fasziniert, dann die Bakterien. Es ist unglaublich, wie sie selbst die unwirt- lichsten Lebensräume der Erde besiedeln und welche Strategien sie entwickeln, um mit Veränderungen ihrer Umwelt zurechtzukommen.“ In ihrer Doktorarbeit am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braun- schweig standen folgerichtig Mikroben im Fokus. 2002 kam die Wissenschaftlerin als Postdoc nach Dresden. Warum sie blieb? „Karriereberater hätten mir wohl den Sprung ins Ausland empfohlen.“ Stattdessen kamen hier immer neue, spannende Themen. Seit 2011 ist sie dem HIF zugeordnet, bislang zählten Pollmann und ihr Team zur Aufbereitung. „Von unserer Forschung her sind wir seit Jahren eigenständig“, sagt sie und freut sich, nun ihre eigene Abteilung zu leiten. Auf der Agenda stehen Wech- selwirkungen zwischen Mikroben und Metallen, außer- dem Biomoleküle mit speziellen Vorlieben für Metalle. Vorbild Natur „Nehmen Sie zum Beispiel die Siderophore“, sagt die Biologin und ist ganz in ihrem Element. „Bodenbakteri- en produzieren solche Substanzen bei Eisenmangel und geben sie in die Umgebung ab, weil sie sehr effizient Eisen-Ionen binden. So können die Bakterien das Spuren- element viel besser aufnehmen.“ Aus der Natur sind mitt- lerweile gut 200 solcher Verbindungen bekannt. Manche binden auch Gallium. Damit lässt sich das seltene Metall bei der Herstellung von Gallium-Arsenid-Wafern aus dem Abwasser zurückgewinnen. Die am HZDR entwickelte Biosorptions-Methode funktioniert im Labor bis zu Kon- zentrationen von nur vier Milligramm Gallium auf einen Liter. Jetzt steht das Scale-up an. Doch nicht aus jeder guten Idee wird ein neues Verfahren. Der Bergbau ist eine traditionelle Branche. „Neuheiten müssen sich möglichst reibungslos in typische Abläufe eingliedern, sonst haben wir von vornherein keine Chance.“ PORTRÄTIERT Für ein kürzlich abgeschlossenes EU-Projekt wollte Pollmanns Team ein Biolaugungs-Verfahren für euro- päische Kupfererze entwickeln. „In Chile beispielsweise werden säureliebende Bak- terien eingesetzt, um Metalle aus sulfidischen Erzen zu extrahieren. Diese Verfahren sind für carbonatreiche Kupfererze wie in der Lausitz jedoch nicht geeignet“, schildert die Biologin. „Wir wollten das Verfahren für den neutralen Bereich adaptieren. Das ist möglich, aber für den europäischen Bergbau zu ineffizient.“ Nebenbei haben die Forscher aus ihren Versuchen viel gelernt, sie können jetzt zum Beispiel Seltene Erden effizient aus Tonmineralen herausholen. Faktor Zeit Bakterien brauchen lange, um sich durch eine Halde zu arbeiten – biotechnologische Methoden punkten eher dadurch, dass sie die Umwelt wenig belasten. Weil Mikro- ben mit normaler Temperatur zurechtkommen, hält sich zudem der Energiebedarf in Grenzen. Pollmann und ihr Team wollen den biotechnologischen „Werkzeugkasten“ mit immer feineren Methoden füllen. Zum Beispiel mit Bioflotation: Im klassischen Bergbau werden Erzgemische fein gemahlen, aufgeschlämmt und mit Chemikalien versetzt. Schaum bildet sich, der ge- wünschte Stoff reichert sich an den Blasen an und wird abgetrennt. Fest an Oberflächen binden und stabile Schäume bilden – das kann Biologie auch. Woran die Forscher tüfteln, ist die Selektivität. „Dafür nutzen wir Phagen-Bibliotheken“, berichtet die Biologin. „Das sind Sammlungen verschie- denster Viren, die Bakterien befallen und dazu Peptide bilden – kleine, eiweißähnliche Strukturen mit sieben bis 20 Aminosäuren. Im Labor lassen sich Phagen leicht vermehren. Wenn wir Peptide mit interessanten Eigen- schaften finden, stellen wir diese Moleküle in größeren Mengen her und experimentieren damit.“ Zwischen Mikroskop-Aufnahmen und dem Perioden- system hängen Kinderzeichnungen über dem Schreibtisch. Ihre Tochter ist fünf Jahre alt. „In meinem Team sind viele Eltern, das klappt gut. Bei Bedarf vertreten wir uns gegen- seitig“, sagt Katrin Pollmann. Zu Hause teilt sie die Verant- wortung mit ihrem Mann, und die Großmutter in der Nähe macht auch gelegentliche Dienstreisen ins Ausland möglich. Womit die Abteilungsleiterin wieder beim eingangs erwähnten Projekt ist. Das Zinkerz dort enthält im Mutter - gestein Gallium, außerdem Germanium und Indium. Die Forscherin schmunzelt: „Ausgerechnet bei einem deutsch- indischen Projekt.“ (AS) INSIDER 07