Experimente zum Einfluss von Dichteunterschieden

Diese Arbeiten wurden im Rahmen des durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) vom 01.04.1998 bis zum 31.05.2002 geförderten Projekts "Kühlmittelvermischung in Druckwasserreaktoren" (Projektnummer: 1501216) durchgeführt.

Hintergrund

Das Vermischen von Kühlmittel unterschiedlicher Qualität ist für die Einschätzung von thermischen Schocks (pre-stressed thermal shocks (PTS)) von Bedeutung. Kommt es während eines Leckstörfalls zur Aktivierung des Notkühlwassereinspeisesystems, wird kaltes Wasser in das heiße Kühlmittel des Primärkreislaufs eingespeist. Aufgrund der großen Temperaturgradienten kann es in der Druckbehälterwand zu thermischen Schocks kommen. Die Kenntnis der Temperaturverteilung in der Nähe der Wand und der zeitabhängigen Temperaturgradienten ist für die Einschätzung der thermischen Spannungen wichtig. Diese Temperaturverteilung wird in hohem Maße durch die Vermischung des eingespeisten Notkühlwassers mit dem Umgebungswasser auf dem Weg durch den Primärkreislauf bestimmt. Durch die Untersuchung der turbulenten Vermischungsprozesse unter dem Einfluss von durch Temperaturunterschiede hervorgerufenen Auftriebskräften können Beiträge zur Einschätzung der thermischen Belastung der Druckbehälterwand geleistet werden.

Randbedingungen für die ROCOM-Experimente

Das Ziel der Experimente war die generische Untersuchung des Einflusses von Dichteunterschieden zwischen dem Inventar des Primärkreislaufes und dem eingespeisten Notkühlwasser auf die Vermischung im Downcomer zur Bestimmung der Übergangsbedingungen von impulsdominierter zu dichtegetriebener Vermischung. Um die Dichteeffekte vom Einfluss anderer Parameter separieren zu können, wurden in dieser experimentellen Studie konstante Strömungsbedingungen in der Schleife mit der Notkühleinspeisung angenommen. Die Volumenstromrate wurde zwischen 0 und 15 % des Nominalwertes, d.h. im Bereich von Naturumlaufbedingungen, variiert. Die Pumpen in den anderen Schleifen blieben abgeschaltet. Die Dichtedifferenz zwischen Notkühlwasser und Primärkreislaufinventar wurde zwischen 0 und 10 % variiert. Die normierte Dichte wird als das Verhältnis zwischen Dichte des Notkühlwassers und Dichte des Wassers im Primärkreislauf definiert. In allen Experimenten wurde die Volumenstromrate des Notkühlwassers konstant gehalten, auch alle anderen Randbedingungen waren identisch. Insgesamt wurden 21 Experimente durchgeführt.

Aufgrund der Tatsache, dass die Versuchsanlage nicht beheizt werden kann, wurden die notwendigen Dichteunterschiede durch die Zugabe von Zucker (Glukose) in das Notkühlwasser simuliert. Zur Visualisierung der Vermischung des Notkühlwassers, wurde diesem Wasser wie auch in allen früheren Experimenten eine geringe Menge Natriumchlorid zugegeben. Es war nicht möglich, Dichteunterschiede durch hohe Salzkonzentration zu generieren, da das Messsystem sehr empfindlich ist und bei hohen Salzkonzentrationen ein Sättigungszustand erreicht wird.

Ergebnisse

Experiment ohne Dichteunterschied

Die Ergebnisse des Experiments ohne Dichteunterschiede können als Referenz zu Vergleichszwecken verwendet werden. Abb. 1 zeigt im linken Teil den abgewickelten Zeitverlauf der gemessenen Tracerkonzentration an den beiden Sensoren im Downcomer. Der abwärts gerichtete rote Pfeil kennzeichnet die azimutale Position der Schleife mit der arbeitenden Pumpe, in diesem Fall mit einer Volumenstromrate von 10 % des Nominalwertes. Am oberen Sensor erscheint das Notkühlwasser, das in jedem Experiment von t = 5 s bis t = 15 s eingespeist wurde, direkt unterhalb des Eintrittsstutzens. Aufgrund des durch die Pumpe erzeugten Impulses, teilt sich die in den Downcomer eintretende Strömung in zwei Teile, die rechts und links den Kernmantel auf einer abwärts gerichteten Schraubenbewegung umströmen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Downcomers vereinigen sich die zwei Teilströme wieder und durchströmen die Messebene des unteren Sensors in Richtung unteres Plenum. Nahezu die gesamte Menge des eingespeisten Notkühlwassers durchläuft die Messebene des unteren Sensors auf der der Schleife mit der Einspeisung gegenüberliegenden Seite. Das für die beobachtete Tracerverteilung verantwortliche Geschwindigkeitsfeld ist typisch für Einschleifenbetrieb. Es hat sein Maximum auf der gegenüberliegenden Seite des Downcomers und ein Minimum genau unterhalb des Stutzens der aktiven Schleife, was auch durch Geschwindkeitsmessungen unter Verwendung eines Laser-Doppler-Anemometers bestätigt wurde.

Die maximale Tracerkonzentration des eingespeisten Notkühlwassers beträgt am oberen Downcomersensor 20.1 % und am unteren Sensor 8.4 %, jeweils bezogen auf die Anfangskonzentration des eingespeisten Wassers.

Abb. 1: Zeitverlauf der Störung an den Sensoren im Downcomer (abgewickelte Darstellung, der rote Pfeil zeigt die azimutale Position der Schleife mit Einspeisung von Notkühlwasser) in den Experimenten mit Variation des Dichteunterschiedes

Experiment mit einem Dichteunterschied von 10 %

Im rechten Teil der Abb. 1 ist ein Experiment dargestellt, das bei identischen Strömungsbedingungen durchgeführt wurde, die Dichtedifferenz zwischen eingespeistem Notkühlwasser und dem Kreislaufinventar ist jetzt aber 10 %. In diesem Fall kommt es zu einer Strähnenbildung des Wassers höherer Dichte. Am oberen Sensor nimmt das Notkühlwasser einen wesentlich kleineren azimutalen Sektor ein. Die Dichtedifferenz verhindert teilweise die Ausbreitung des Notkühlwassers in horizontaler Richtung. Das Notkühlwasser fällt senkrecht auf einer fast geraden Linie nach unten und erreicht den unteren Sensor direkt unterhalb des Eintrittsstutzens, durch den es in den Downcomer eingespeist wurde. Erst später wird tracerhaltiges Wasser auf der gegenüberliegenden Seite des Downcomers detektiert. Die Maximalwerte an den beiden Downcomersensoren erreichen ähnliche Werte wie im Experiment ohne Dichteunterschiede, das sind 20.1 % und 9.7 % von der Anfangskonzentration im Einspeisetank.

Die Visualisierung des Strömungsverhaltens des Notkühlwassers im Downcomer verdeutlicht, dass im Fall einer impulsgetriebenen Strömung das Notkühlwasser nahezu den gesamten Umfang des oberen Sensors einnimmt und die Messebene des unteren Sensors hauptsächlich auf der gegenüberliegenden Seite durchströmt. Wenn die Dichteeffekte überwiegen, wird der am oberen Sensor eingenommene Sektor deutlich kleiner, das Notkühlwasser fällt im Downcomer gerade herunter und passiert die Ebene des unteren Sensors direkt unterhalb der Position des Eintrittsstutzens der aktiven Schleife.

Experiment mit einem Dichteunterschied von 4 %

Abb. 2 zeigt ein Experiment mit einem Dichteunterschied von 4 %, die Volumenstromrate in der Schleife beträgt wiederum 10 % des Nominalwertes. Am oberen Sensor im Downcomer liegt die Ausdehnung des durch das Notkühlwasser eingenommenen Sektors zwischen den beiden oben betrachteten Randfällen 0 und 10 %. Die Messebene des unteren Sensors erreicht das Notkühlwasser auf der gegenüberliegenden Seite und im Bereich des Eintrittsstutzens nahezu gleichzeitig. Das bedeutet, dass ein Teil des Notkühlwassers den Stromlinien des durch den externen Impuls erzeugten Strömungsfeldes folgt und der andere Teil auf Grund des durch die Dichteunterschiede erzeugten inneren Impulses direkt nach unten fällt. Wir betrachten dies als einen Übergangszustand zwischen impulsdominierter und dichtegetriebener Strömung. Das Experiment in Abb. 2 wurde daher dem Übergangsbereich zwischen beiden Strömungsregimen zugeordnet.

Basierend auf den beschriebenen Beobachtungen wurden die Experimente der gesamten Serie in drei Gruppen eingeteilt: (1) dichtedominierte Strömung, (2) impulsdominierte Strömung und (3) Übergangsbereich. Die Bedingungen am Eintritt in den Downcomer wurden verwendet, um Isolinien der Froude-Zahl entsprechend der folgenden Formel zu berechnen:

Abb. 2: Zeitverlauf der Störung an den Sensoren im Downcomer (abgewickelte
Darstellung, der rote Pfeil zeigt die azimutale Position der Schleife mit
Einspeisung von Notkühlwasser) im Experiment mit einem Dichteunterschied von 4 %


Abb. 3: Matrix der durchgeführten Experimente and Isolinien der Froude-Zahl
Weitherhin sind in Abb. 3 Linien der konstanten Froude-Zahl berechnet unter Verwendung der angegebenen Formel eingezeichnet. Alle als dichtedominiert identifizierten Experimente befinden sich links der Isolinie Fr = 0.85, alle impulsdominierten Experimente rechts der Isolinie Fr = 1.50. Diese beiden kritischen Froude-Zahlen separieren die zwei Strömungsregime in den ROCOM-Experimenten voneinander. Die kritische Froude-Zahl für den Übergang von impulsdominierter zu dichtedominierter Vermischung ist somit ungefähr 1.0.

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S. Kliem