Kühlmittelvermischung unter Naturumlaufbedingungen nach einen hypothetischen Störfall mit kleinem Leck

Diese Arbeiten wurden im Auftrag des Sonderauschusses "Anlagentechnik" der VGB (Registrationsnummer: SA"AT" 29/01) vom 01.01.2002 bis zum 31.03.2003 durchgeführt.

Hintergrund

Die teilweise Entleerung des Primärkreislaufes während eines hypothetischen Störfalls mit kleinem Leck kann zur Unterbrechung des einphasigen Naturumlaufs führen. In diesem Fall wird die Nachzerfallswärme des Kerns im Reflux-Condenser-Betrieb abgeführt. Für ein Szenario mit heißseitigem Leck und heißseitiger Notkühleinspeisung haben thermohydraulische Analysen unter Verwendung des Systemcodes ATHLET gezeigt, dass sich schwachboriertes Kondensat in den Pumpenbögen vor allem der Schleifen ansammeln kann, in die keine Notkühleinspeisung erfolgt. Entsprechend diesen ATHLET-Rechnungen bleibt bei hoher Nachzerfallswärme der einphasige Naturumlauf in den beiden Schleifen mit Notkühleinspeisung erhalten, wobei diese in Richtung Dampferzeuger umgelenkt wird. Nach dem Wiederauffüllen des Primärkreislaufes kann der Naturumlauf in den beiden stagnierenden Schleifen gleichzeitig wieder anspringen und die deborierten Pfropfen werden in Richtung Druckbehälter verschoben. Vermischung im Downcomer und im unteren Plenum ist ein wichtiges Phänomen zur Reduzierung des Reaktivitätseintrages in den Reaktorkern in diesem postulierten Szenario. Deshalb werden die stattfindenden Vermischungsprozesse untersucht.

Randbedingungen für die ROCOM-Experimente

Basierend auf den ATHLET-Rechnungen wird in den Schleifen, die im einphasigen Naturumlauf durchlaufen, ein Wert von 5 % des Nominalvolumenstroms eingestellt. Der Volumenstrom in den beiden wiederanlaufenden Schleifen steigt von 0 auf 6 % des Nominalwertes. In diesen beiden Schleifen wird jeweils ein Pfropfen deborierten Kühlmittels der Größe 7.2 m3 vorgelegt. Dieses Volumen entspricht der Größe des gesamten Pumpenbogens. Es wurden Experimente mit Variation der auf Temperatur- und Borkonzentrationsunterschieden beruhenden Dichtedifferenz zwischen Pfropfen und umgebendem Kühlmittel durchgeführt. Zwei von diesen Experimenten werden hier vorgestellt, das erste ist das Experiment ohne Dichteunterschiede, das zweite mit einem relativen Dichteunterschied von 2 %. Die Dichte der deborierten Pfropfen wurde dabei durch Zugabe von Alkohol auf den gewünschten Wert reduziert. Weiterhin wurden in jedem Experiment die deborierten Pfropfen zur Änderung der elektrischen Leitfähigkeit mit Salztracr versetzt. Die gemessenen Leitfähigkeitswerte (Link: Gittersensor) werden in einen dimensionslosen Vermischungsskalar überführt, indem die gemessene lokale Leitfähigkeit zur Anfangsleitfähigkeit im Pfropfen in Beziehung gesetzt wird. Somit repräsentiert dieser dimensionslose Vermischungsskalar die normierte Deborierung Theta, die den Anteil der anfänglichen Störung (Pfropfen) an der jeweiligen Messposition charakterisiert. Diese Daten können unter Festlegung von Werten für die Anfangsborkonzentration im Pfropfen und im Reaktor in zeitabhängige Borkonzentrationswerte umgerechnet werden.

Ergebnisse

Abb. 1 zeigt den Zeitverlauf der Störung Theta an den Sensoren im oberen und unteren Bereich des Downcomers im Experiment ohne Dichteunterschiede. Die Abbildung stellt eine Ansicht des zeitabhängigen Theta-Wertes auf einer azimutalen Linie in der Mitte des abgewickelten Downcomers dar. Die roten Pfeile kennzeichnen die Winkelposition der Schleifen mit den Pfropfen, die schwarzen die ohne diese. Zuallererst demonstriert die zeitliche Darstellung der Daten am oberen Sensor, dass beide Pfropfen nahezu zeitgleich in den Downcomer eintreten. Bei einer Transportzeit von rund 45 s ist die Abweichung kleiner als 1 s, was für die Qualität der Pumpensteuerung spricht. Weitherhin ist deutlich zu sehen, dass die Störung auf einen Sektor des Reaktordruckbehälters beschränkt bleibt. Dieser Sektor entspricht dem Anteil der Volumenströme der beiden Schleifen mit Pfropfen am Gesamtvolumenstrom im Downcomer. Wie aus der Darstellung der Daten am unteren Sensor im Downcomer geschlossen werden kann, findet auf dem Weg durch den Downcomer an den Außenseiten der Pfropfen eine geringe Vermischung mit dem borierten Kühlmittel statt. Die an beiden Sensoren detektierten Maximalwerte sind 90.4 % und 86.1 %, jeweils bezogen auf die Anfangsstörung. Das bedeutet, dass die Störung auf dem Weg durch den Downcomer nur geringfügig abgebaut wird. Die Form der Verteilung der Störung im Downcomer wird durch ein für diese Geometrie typisches Geschwindigeitsfeld hervorgerufen, wie es in entsprechenden Messungen gefunden wurde. Direkt unterhalb der vier Eintrittsstutzen gibt es ein Geschwindigeitsminimum, während sich in der Mitte zwischen zwei Stutzen ein Maximum befindet.

Das geringer borierte Küphlmittel strömt mehr oder weniger senkrecht den Downcomer hinunter, am Kerneintritt wird genau unterhalb der azimutalen Position der beiden mit Pfropfen beaufschlagten Schleifen das Maximum mit 64 % der anfänglichen Störung detektiert (Abb. 2, die Pfeile kennzeichnen die Position der beiden Schleifen mit den Pfropfen).

Jetzt wird das Experiment mit identischen Randbedingungen wiederholt, die Dichte der Pfropfen wird aber um 2 % reduziert. Diese Dichtedifferenz verhindert die Abwärtsströmung des deborierten Kondensates. Es wird vom schwereren Kühlmittel separiert und umströmt den Kernmantel im oberen Bereich des Downcomers. Dadurch wird der Transport in Richtung Kern verzögert. Auf der gegenüberliegenden Seite des Downcomers mischt das Kühlmittel dem nach unten strömenden schwereren Wasser bei (siehe Abb. 3). Dadurch sind die Maximalwerte des Vermischungsskalars am Sensor im unteren Bereich des Downcomers und am Kerneintritt (Abb. 2) im Vergleich zum Experiment ohne Dichtedifferenz geringer. Für die vorgestellte Dichtedifferenz von 2 % wird am Kerneintritt ein Maximalwert von nur noch 31 % gemessen. Zusätzlich dazu hat sich die Position, an der der Maximalwert detektiert wird, auf die den beiden mit Pfropfen beaufschlagten Schleifen gegenüberliegende Seite verschoben.

Die Veränderung der Dichtedifferenz hat somit einen entscheidenden Einfluss auf das Vermischungsverhalten.



Abb. 2: Verteilung der Störung in der Kerneintrittsebene zum Zeitpunkt des Maximums (Maximum: Zahl in %, stepwidth: Unterschied zwischen benachbarten Höhenlinien)

Abb. 1: Zeitverlauf der Störung an den Sensoren im Downcomer (abgewickelte Darstellung, die roten Pfeile zeigen die azimutale Position der mit Pfropfen beaufschlagten Schleifen) im Experiment ohne Dichteunterschiede


Abb. 3: Zeitverlauf der Störung an den Sensoren im Downcomer (abgewickelte Darstellung, die roten Pfeile zeigen die azimutale Position der mit Pfropfen beaufschlagten Schleifen) im Experiment mit einer Dichtedifferenv von 2%

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S. Kliem