Transglutaminase 2 als molekulares Target zur funktionellen Bildgebung von Tumoren ─ Untersuchungen zu Inhibitoren und fluorogenen Substraten


Transglutaminase 2 als molekulares Target zur funktionellen Bildgebung von Tumoren ─ Untersuchungen zu Inhibitoren und fluorogenen Substraten

Wodtke, R.

Die TGase 2 ist ein konstitutiv exprimiertes Enzym, dessen bekannteste Funktion in der posttranslationalen Modifizierung von Proteinen durch Ca2+-abhängige Transamidierung zwischen proteingebundenen Glutaminyl-Resten und verschiedenen primären Aminen liegt. Obwohl ursprünglich namensgebend, wird diese Quervernetzungsfunktion des Proteins erst in zellulären Stresssituationen wie der Apoptose oder der Wundheilung aktiviert. Folglich erscheint es nicht überraschend, dass der TGase 2 und vor allem der Glutamyltransferase-Aktivität auch in diversen pathophysiologischen Prozessen eine große Bedeutung zukommt. Für diese Arbeit stand die Beteiligung der TGase 2 in tumorassoziierten Prozessen im Fokus. So ist bekannt, dass eine gesteigerte Expression der TGase 2 einen entscheidenden Beitrag zum Überleben, zur Resistenz gegenüber Chemo- und Strahlentherapie sowie zum Metastasierungspotential neoplastischer Zellen liefert. Dabei wurde das Enzym als ein Schlüsselprotein für die Progression zahlreicher Krebsarten identifiziert. Somit stellt das Enzym ein interessantes Target für die funktionelle Bildgebung von Tumoren mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) sowie der Therapie von Tumorerkrankungen dar.
Die Zielstellungen dieser Arbeit waren durch die Entwicklung von Radiotracern für die TGase 2 motiviert, um perspektivisch mit Hilfe der nicht-invasiven Bildgebungsmodalität PET Aufschlüsse über die Relevanz des Proteins, die Bedeutung von dessen Glutamyltransferase-Aktivität in Tumoren sowie dessen molekulare Adressierbarkeit in vivo (auch im Hinblick auf therapeutische Anwendungen) zu erhalten. Dementsprechend setzt sich die vorliegende Dissertation aus zwei inhaltlichen Schwerpunkten zusammen:

  • Der erste Teil befasst sich mit der Etablierung eines fluorimetrischen TGase 2-Assays einschließlich der Synthese und kinetischen Charakterisierung fluorogener Substrate als Voraussetzung für die Identifizierung und Charakterisierung von Molekülen, die zur Adressierung der TGase 2 hinsichtlich molekularer Bildgebung und therapeutischer Hemmung bestimmt sind
  • Der zweite Teil beinhaltet die Entwicklung sowie enzymkinetische Charakterisierung, einschließlich Struktur-Wirkungsbeziehungen, irreversibler TGase 2-Inhibitoren als potentielle Radiotracerkandidaten. Darüber hinaus sollte eine initiale pharmakokinetische Evaluierung der Verbindungen in vitro erfolgen.

Fluorimetrischer TGase 2-Assay

Der literaturbekannte Acyldonor 2a, der durch TGase 2-vermittelte Umsetzung das stark fluoreszierende 7-Hydroxycumarin freisetzt, ist ein attraktives Substrat für Untersuchungen zur TGase 2 mittels fluorimetrischen Assays. Allerdings weist 2a nur eine geringe Löslichkeit im wässrigen Milieu auf (<10 µM). Dies schränkt sowohl die detaillierte kinetische Untersuchung der Verbindung als auch darauf beruhende Anwendungen der Verbindung ein. Daher wurden Acyldonoren auf der Basis kleiner Glutamat enthaltender Peptide entwickelt, bei denen die freie Carboxylgruppe löslichkeitsvermittelnd wirken sollte. Die Synthese der Verbindungen erfolgte mit einer modularen Synthesestrategie an einem polymeren Träger (Festphasensynthese). Alle Verbindungen konnten in ausreichenden Ausbeuten und hohen Reinheiten dargestellt werden. Die Untersuchungen zur Löslichkeit zeigten, dass die Verbindungen bis zu Konzentrationen von 250 µM im wässrigen Milieu löslich sind. Diese erheblich verbesserte Wasserlöslichkeit erlaubte die ausführliche kinetische Charakterisierung der neuartigen fluorogenen Substrate hinsichtlich ihrer TGase 2-katalysierten Hydrolyse und Aminolyse. Z-Glu(HMC)-Gly-OH (5b) erwies sich dabei als Cumarinylester mit den günstigsten Substrateigenschaften gegenüber humaner TGase 2 und kann darüber hinaus auch zur Charakterisierung weiterer Isoformen der Transglutaminase-Familie genutzt werden. Die Eignung von 5b zur Charakterisierung irreversibler Inhibitoren wurde ebenfalls demonstriert. Somit liegt nun eine verlässliche Assay-Methode zur Bewertung des Hemmpotentials und der Selektivität von TGase 2-gerichteten Inhibitoren vor.

Nε-Acryloyllysine als irreversible Inhibitoren der TGase 2

Für die Entwicklung potentieller Radiotracer wurden irreversible Inhibitoren der TGase 2 als geeigneter Ausgangspunkt erachtet. In diesem Zusammenhang wurde das Nε-Acryloyllysinpiperazid 8a in der Literatur beschrieben, das neben einem hohen inhibitorischen Potential eine ausgezeichnete Selektivität sowie vielversprechende pharmakokinetische Eigenschaften aufweist. Daher wurde dieser Inhibitor zur Leitverbindung für das Design von potentiellen Radiotracern bestimmt. Die geplanten Strukturvariationen sollten daher vor allem Funktionalisierungen mit Fluor beinhalten, die auch eine Synthese der entsprechenden Fluor-18-Analoga ermöglichen. Zusätzlich sollten Modifikationen durchgeführt werden, die das Aufdecken von Struktur-Wirkungsbeziehungen erlauben. Zu diesem Zweck wurde eine modulare Syntheseroute entworfen, die sich aus den folgenden Schritten zusammensetzt: Nε-Acryloylierung von Nα-Boc-Lysin, Amidknüpfung mit dem jeweiligen Piperazinbaustein, Boc-Entschützung und Nα-Acylierung. Die benötigten Piperazinbausteine wurden in wenigen Syntheseschritten synthetisiert oder waren kommerziell erhältlich. Mit dieser Syntheseroute konnten schließlich 56 neue Inhibitoren der TGase 2 in hohen Reinheiten hergestellt werden.
Die kinetische Charakterisierung der Verbindungen erfolgte mit dem zuvor etablierten fluorimetrischen TGase 2-Assay unter Nutzung des Acyldonors 5b. Die Charakterisierung des (R)-konfigurierten Enantiomers von 8a belegte zunächst den deutlichen Vorteil der (S)-Konfiguration am Cα-Atom des Lysyl-Restes hinsichtlich des inhibitorischen Potentials gegenüber TGase 2. Die systematisch durchgeführten Strukturvariationen ermöglichten die Aufdeckung verschiedener quantitativer Struktur-Wirkungsbeziehungen. Einige der Strukturvariationen führten sogar zu Inhibitoren mit größerem inhibitorischen Potential als das der Leitverbindung. Die beste Toleranz gegenüber der Einführung von Fluor wurde durch Substitution des H-Atoms in ortho-Position der Phenylacetylgruppe sowie der Methylgruppe am Pyridinring der Leitverbindung erreicht (Verbindungen 9b und 20).
Zur initialen pharmakokinetischen Einschätzung der TGase 2-Inhibitoren wurden die Permeabilitätseigenschaften aller Verbindungen mittels PAMPA-Methode untersucht. Dabei wurden unter anderem Inhibitoren identifiziert, die schlecht permeabel sind und somit wahrscheinlich ausschließlich die extrazelluläre TGase 2 adressieren können. Dies ist im Hinblick auf die differentielle Betrachtung von intra- und extrazellulärer TGase 2, vor allem mittels molekularer Bildgebung in vivo, von großer Bedeutung.

  • Doctoral thesis
    TU Dresden, 2017
    Mentor: Prof. Dr. Jörg Steinbach, Dr. Reik Löser
    285 Seiten

Permalink: https://www.hzdr.de/publications/Publ-25930
Publ.-Id: 25930