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entdeckt 01/2014

entdeckt 01 .14 PORTRÄT WWW.Hzdr.DE Überraschend ist diese Einstellung nicht, denn der studier- te Informatiker und seine Kollegen vom HZDR-Institut für Fluiddynamik wollen immerhin etwas erreichen, was bislang unmöglich ist – oder zumindest so erschien: die direkte Mes- sung von Strömungen in heißen oder chemisch aggressiven Schmelzen. Die Kenntnisse darüber könnten die Qualität und die Energiebilanz beispielsweise beim Stahlguss nachhaltig verbessern. Denn die Strömung in der heißen Stahlschmelze wirkt sich auf die Eigenschaften des Endproduktes aus. Ist sie ruhig und gleichmäßig, entsteht hochwertiger Stahl. Eine instabile Strömung führt jedoch zu Verunreinigungen. Einblick in heiße Schmelzen „Im schlimmsten Fall muss der Stahl dann wieder einge- schmolzen werden, was zu höheren Kosten und einem unnöti- gen Energieaufwand führt“, erläutert Thomas Wondrak. „Mög- liche Materialfehler lassen sich aber erst nach dem Erstarren des Metalls feststellen, da wir ja nicht während des Gießpro- zesses in die Schmelze schauen und die Strömung messen können – bei 1.500 Grad Celsius versagt fast jedes Material, das direkt mit der Schmelze in Berührung kommt.“ Der gebürti- ge Regensburger hat deswegen zusammen mit seinen Kollegen vom HZDR eine Messmethode entwickelt, die dies gar nicht erst nötig macht: die kontaktlose induktive Strömungstomo- graphie (Contactless Inductive Flow Tomography, CIFT). Der Ansatz nutzt eine spezielle Eigenschaft von Strömungen leitfähiger Flüssigkeiten aus: Sie können Magnetfelder beein- flussen. Um die Kokille – also die Form, in der Metalle und Le- gierungen gegossen werden – baut Wondrak deshalb vertikale und horizontale Spulen auf, die die Anlage selbst zwar nicht berühren, in der Schmelze aber ein Magnetfeld erzeugen. Die Strömung im Inneren löst wiederum ein eigenes Magnetfeld aus, das das äußere leicht verzerrt, was sich mit dem Rossen- dorfer Sensorsystem messen lässt. Auf dieser Grundlage wird es möglich, ein dreidimensionales Abbild von den Strömungen in der Schmelze zu rekonstruieren. Da die Signale aus der Schmelze aber viel kleiner als das angelegte Magnetfeld sind, müssen die Sensoren sensibel reagieren. Deshalb kann selbst der rollende Stuhl die Untersu- chungen stören. Durch das Verschieben hat sich ein weiteres, wenn auch sehr kleines Magnetfeld gebildet, das die Anlage sofort aufgespürt hat. Oder aufgespürt hätte. Denn dieses Problem konnten Wondrak und seine Mitstreiter lösen, indem sie ein Magnetfeld mit einer bestimmten Frequenz anlegen. Alle Signale, die auf einer anderen Frequenz zurückgesendet werden, können sie auf diese Weise herausfiltern. Dadurch gelang dem Team ein weiterer Schritt, um die Sensoren für größere Aufgaben zum Beispiel bei der realen Stahlproduktion fit zu machen. Auf dem Weg zur Anwendung So nähern sich die HZDR-Forscher langsam an die Industrie an. Eine Entwicklung, die nicht immer so sicher schien: „Als ich im Jahr 2007 mit meiner Promotion anfing, wurde gera- de zum ersten Mal demonstriert, dass der Ansatz generell anwendbar ist, um Strömungen in heißen Schmelzen zu messen. Es war anschließend meine Aufgabe herauszufinden, ob es möglich ist, CIFT auch in die Industrie zu übertragen. Damals hat man mir ganz klar gesagt, dass die Antwort auch nein lauten könnte“, erinnert sich Wondrak und lacht. Denn in seiner Dissertation, die er 2012 abschloss, wies er nach, dass CIFT kein akademisches Spielzeug, sondern eine Technologie ist, die viele Produktionsprozesse der Flüssigmetall-Industrie verbessern könnte. „Wir sind mittlerweile so weit, dass wir Tests unter realen Bedingungen durchführen können“, beschreibt Wondrak den aktuellen Stand. „Wir benötigen nur noch einen Industriepart- ner, der die weitere Entwicklung begleitet.“ Bis das Messver- fahren marktreif ist, wird es allerdings noch ein wenig dauern. Zehn Jahre, schätzt der Wahlsachse, werden die HZDR- Forscher noch benötigen, um die Technik zu perfektionieren. Für Außenstehende ein langer Zeitraum – für die Wissenschaft eher ein Wimpernschlag. „Wir sprechen immerhin von einer Technologie, die es so bislang überhaupt nicht gab und die wir von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung komplett neu entwickeln“, erläutert Wondrak. Denn das grundlegende Prinzip der Sensoren leitet sich aus astrophysikalischen Untersuchungen ab, die HZDR-Forscher gemeinsam mit Kollegen aus Riga bereits im Jahr 1999 durch- geführt hatten. Damals wiesen sie in Laborexperimenten den Dynamoeffekt nach. Die Wissenschaftler zeigten bei den Untersuchungen auf, dass schraubenförmige Strömungen im flüssigen äußeren Kern der Erde Magnetfelder erzeugen, wie Wondrak erklärt: „Es laufen also ähnliche Prozesse wie bei den Strömungen in der Stahlproduktion ab – nur in wesentlich größerem Maßstab.“ Aus den numerischen Methoden, mit denen sie den Dyna- moeffekt simulierten, haben die Forscher im Anschluss das Verfahren der berührungslosen Strömungsmessung über Magnetfelder entwickelt. Seitdem nähern sie sich Schritt für Schritt an die Industrie an – auch wenn ihnen gelegentlich ein Möbelstück in den Weg rollt. Kontakt _Institut für Fluiddynamik am HZDR Dr. Thomas Wondrak t.wondrak@hzdr.de

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