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entdeckt_01_2015

entdeckt 01.15 TITEL WWW.HZDR.DE Statistik versagt bei ultradünnen Folien „Normalerweise verlieren Ionenstrahlen umso mehr Energie, je dicker das Material ist, das sie durchdringen“, erklärt der Physiker. Ist ein Material also doppelt so dick wie ein anderes, verlieren die Ionen auch doppelt so viel Energie und werden daher doppelt so stark abgebremst. Diesen Zusammenhang haben Forscher immer wieder bestätigen können und es bietet sich eine einfache Vorstellung an: Die Ionen verlieren an jeder Schicht von Atomen einen winzigen Bruchteil ihrer Energie und werden so ein ganz klein wenig gebremst. Nach einer Million Atomschichten haben sie daher eine Million Mal diesen Energie-Bruchteil eingebüßt und sind entsprechend stark gebremst worden. Das klingt bestechend einfach. Es stimmt aber nicht, wenn Richard Wilhelm in Zusammenarbeit mit Friedrich Aumayr von der Technischen Universität in Wien ultradünne Membranen mit extrem hochgeladenen Xenon-Ionen beschießt. „Dann ver- liert ein bestimmter Teil der Ionen sehr viel Energie, der Rest dagegen fliegt fast ungebremst weiter“, staunt der Physiker. Was war bei seinem Experiment passiert? Was hatte der For- scher anders gemacht als seine Kollegen? Entblätterte Atome Zum einen verwendet Richard Wilhelm extrem dünne Folien, die mit einem Nanometer gerade einmal drei Atomschichten dick sind. Diese weniger als hauchdünnen Folien sind jedoch kein Standardprodukt, sondern eine Spezialität von Armin Gölzhäuser von der Universität Bielefeld. Zum anderen können auch nur wenige andere Institute auf der Welt langsame und hochgeladene Ionen ähnlich wie der HZDR-Forscher auf Ober- flächen schießen. Zunächst erzeugt die Anlage im HZDR Elektronen, die ihrer- seits aus dem Edelgas Xenon einige Elektronen herausschla- gen. Jedes einzelne Xenon-Atom hat in seiner Schale 54 Elekt- ronen. 44 davon kann die Anlage theoretisch entfernen, in der Praxis klappt das bis zum 40. Elektron gut. Die Xenon-Atome verlieren also ihr Elektronen-Kleid bis auf die Unterwäsche, die sie als innerste Schicht tragen. Die Atome verlieren aber nicht nur ihre Hülle, sondern mit jedem Elektron auch eine ne- gative elektrische Ladung. Übrig bleiben entblätterte Atome, die ebenso viele positive Ladungen besitzen wie sie Elektro- nen verloren haben. „Ionen“ nennen Naturwissenschaftler solche geladenen Atome. Mit 30, 35 oder sogar 40 positiven Einheiten sind diese Xenon-Ionen extrem stark geladen. Normalerweise entstehen diese Ionen mit vielen unterschied- lichen Ladungen und werden mit einer elektrischen Spannung von 4.500 Volt beschleunigt. Anschließend lenkt ein Elektro- magnet den so entstandenen Strahl von Xenon-Ionen um 90 Grad ab. Die Forscher können die Stärke des Magneten nun so einstellen, dass zum Beispiel nur die 35-fach geladenen Xenon-Atome exakt um 90 Grad abgelenkt werden. Alle an- deren Ionen werden ein wenig mehr oder weniger umgeleitet. Übrig bleibt daher ein Strahl aus Ionen, von denen jedes zum Beispiel 35 positive Ladungen trägt. Mit solchen einheitlichen Ionenstrahlen aber erhalten die For- scher oft viel eindeutigere Ergebnisse als mit einem Mix von Io- nen verschiedener Ladungen. Bevor der Strahl auf die Nanofo- lie von der Bielefelder Uni trifft, werden die Ionen noch einmal kräftig abgebremst. Von diesen langsamen Ionen passiert dann ein bestimmter Teil die drei Atomschichten der ultradünnen Fo- lie ohne viel Energieverlust und nimmt unterwegs auch nur zwei oder drei Elektronen aus der Folie auf. Die restlichen Xenon- Ionen werden dagegen stark abgebremst, kassieren obendrein noch etliche Elektronen aus der Folie und reduzieren so ihre extrem hohe positive Ladung auf zwei oder drei Einheiten. Lücken für Ionen Diese überraschende Entdeckung lässt sich im Grunde ein- fach erklären: Eine einzelne Atomschicht ist ja keine dichte Mauer, sondern hat relativ große Lücken, durch die Ionen einfach durchsausen können. Bei den ultradünnen Folien stehen die Chancen daher gar nicht schlecht, dass ein Ion durch solche Lücken in nur drei Atomschichten fast ungehin- dert durchschießen kann. Werden dagegen – wie fast überall Richard Wilhelm Der gebürtige Erfurter lernte das Ionen- strahlzentrum des HZDR bereits während seines Physikstudiums an der TU Dresden kennen. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität Stockholm zog es Richard Wilhelm wieder nach Dresden, wo er zum Thema „Wechselwirkung langsamer, hochgeladener Ionen mit Oberflächen und Membranen“ promovierte. Für seine her- ausragenden Forschungen erhielt er gemeinsam mit zwei Kollegen den HZDR-Forschungspreis 2014. Heute wirkt der 28-Jährige beim Aufbau einer neuen Anlage für das Nano-Engineering mit niederenergetischen Ionen mit. Wie genau die Nanolöcher entstehen, ist noch nicht völlig geklärt.

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