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entdeckt_01_2016

entdeckt 01.16 TITEL WWW.HZDR.DE Unregelmäßigkeiten zunutze gemacht Diese Instabilitäten versuchen Kluge und seine Kollegen bei den Simulationen möglichst detailliert zu erfassen. „Es geht uns darum, die Instabilitäten zu minimieren“, beschreibt der Physiker. „In manchen Fällen aber wollen wir sie sogar ausnut- zen.“ So haben die Forscher herausgefunden, dass es vorteil- haft sein kann, gezielt mikrometerkleine Unregelmäßigkeiten auf der Oberfläche der Folie aufzubringen. Das verleiht dem Laserpuls eine größere Angriffsfläche, das Material absorbiert mehr Laserenergie. Die Folge: Die Teilchenbeschleunigung verläuft um bis zu 50 Prozent effektiver. Allerdings sind die Simulationen aufwendig und laufen nicht auf dem Büro-PC, sondern nur auf Supercomputern. Unter anderem nutzen Kluge und seine Kollegen den HZDR- Großrechner „Hypnos“, haben aber auch schon mit einer der schnellsten Maschinen der Welt gearbeitet, dem Supercompu- ter „Titan“ in den USA. Teilweise laufen die Simulationen über mehrere Wochen – und zwar auf Tausenden von Prozessoren gleichzeitig. Die Resultate sind übrigens auch für Astrophysiker von Belang: Denn im Inneren von Planeten und Sternen können ähnliche Bedingungen herrschen wie beim Wechselspiel von Laserpuls und Folie. „Auch dort kann es zu vergleichbaren Instabilitäten kommen“, erläutert Thomas Kluge. „Die Ergebnisse unserer Rechnersimulationen können helfen, genauere Modelle zur Evolution von Planeten und Sternen zu entwickeln.“ Fest steht: Bislang bilden Computersimulationen die einzige Möglichkeit, einen direkten Blick ins Plasma und auf das Wechselspiel zwischen Laserblitz und Materie zu werfen. Da- gegen sind die bisherigen experimentellen Methoden allenfalls in der Lage, indirekte Indizien zu liefern: So können Detekto- ren jene Röntgenstrahlung messen, die beim Einschlag der Laserblitze in die Folien als Nebenprodukt entsteht. Allerdings lassen sich die Signale bestenfalls bis auf einige Mikrometer genau auflösen. Wünschenswert wäre eine Auflösung im Nanometerbereich – auf dieser Skala passieren die entschei- denden Prozesse. Fortschritte könnte ein neues Verfahren liefern, an dem Kluge und seine Kollegen derzeit arbeiten: „Wir wollen mit den extrem starken und kurzen Röntgenblitzen arbeiten, die der Europäische Röntgenlaser ab 2017 zur Verfügungen stellen soll.“ Der European XFEL entsteht derzeit in Hamburg – eine 3,4 Kilometer lange Beschleunigeranlage, die die stärksten Röntgenpulse der Welt liefern wird. Tiefer Blick ins Plasma An diesem Giganten planen die HZDR-Forscher ein spek- takuläres Experiment: Ein gewöhnlicher Laser feuert kurze Lichtblitze auf eine Probe, etwa eine Folie. Auf einem mikro- metergroßen Fleck bildet sich ein Plasma, das Teilchen hocheffizient beschleunigen kann. Unmittelbar nachdem der Laserpuls auf die Folie getroffen ist, kommt ein zweiter Puls – der Röntgenblitz aus dem European XFEL. Er durchleuch- tet das Geschehen – ähnlich wie der Arzt im Krankenhaus seine Patienten durchleuchtet. „Indem wir die Zeit zwischen Laserpuls und Röntgenblitz variieren, können wir den Prozess regelrecht abrastern“, erklärt Kluge. „Dann wollen wir die Auf- nahmen zu einem Film kombinieren und beobachten, was da eigentlich passiert.“ Die Methode soll das Geschehen bis auf wenige Nanometer auflösen – fein genug, um die wichtigen Instabilitäten im Plasma zu erkennen. Als Theoretiker hat Kluge das Experiment im Computer be- reits simuliert. Die entscheidende Frage aber konnte nur ein Experiment beantworten: Wenn man in das heiße Plasma mit einem Röntgenblitz hineinschießt – kommen überhaupt genü- gend viele von der Probe gestreute Röntgensignale heraus? Testen konnten die Forscher das Verfahren im Rahmen einer größeren Messkampagne am derzeit stärksten Röntgenlaser der Welt, dem LCLS (Linac Coherent Light Source) in Kali- fornien. Das Resultat: „Wir haben tatsächlich ein Streubild gesehen, das unseren Erwartungen entspricht“, freut sich Kluge. „Damit ist die Machbarkeit des Verfahrens demonst- riert.“ Darüber hinaus konnten die Physiker sogar schon erste physikalische Erkenntnisse sammeln: „Unter bestimmten Bedingungen entstehen Schockwellen, die sich durch die Folie ausbreiten“, so Kluge. „Dadurch kommt es zum Beispiel zu Frakturen oder Phasenübergängen im Material.“ Es zeigte sich, dass diese unterschiedlichen Bereiche äußerst scharf voneinander abgegrenzt sind – ein wichtiges Detail für das Verständnis der Plasmaprozesse. Der Plan jedenfalls steht: Ab 2018 wollen die Forscher regelmäßig zum XFEL nach Hamburg pilgern, um dort an der HIBEF-Station (Helmholtz International Beamline for Extreme Fields) zu experimentieren, der von HZDR und DESY im Rahmen einer internationalen Kollaboration betrieben wird. „Obwohl ich Theoretiker bin, werde ich sicher gelegentlich dabei sein, auch wenn das die eine oder andere Nachtschicht bedeutet“, erzählt Kluge. „Denn das ist die erste Methode, die einen direkten Blick ins Plasma erlaubt. Und das verspricht uns Theoretikern einen Schub, um unsere Vorhersagen deut- lich zu verbessern.“ PUBLIKATION: T. Kluge u.a.: „Nanoscale femtosecond imaging of transient hot solid density plasmas with elemental and charge state sensitivity using resonant coherent diffraction”, in Physics of Plasmas 2016 (eingereicht), online http://arxiv.org/ abs/1508.03988. KONTAKT _Institut für Strahlenphysik am HZDR Dr. Thomas Kluge t.kluge@hzdr.de

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