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entdeckt_01_2016

FORSCHUNG // DAS FORSCHUNGSMAGAZIN AUS DEM HZDR WWW.HZDR.DE 24 25 Protonen, die Wellen machen Richters Team hat nun einen großen Schritt voran gemacht auf dem Weg zur Lösung des Problems. So wie ein in den Teich geworfener Stein Wellen auf der Wasseroberfläche erzeugt, so verursachen auch die Protonen an dem Ort, wo sie im Körper des Patienten „landen“ und ihre zerstörerische Energie abla- den, Gammawellen, die sogenannte prompte Gamma-Strah- lung. Diese Strahlung fangen die Forscher mit einer Schlitz- kamera – einem Detektor für Gammastrahlen – auf. „Die Gammastrahlen sagen uns, wo die Protonen gerade im Körper sind“, erklärt Guntram Pausch, Leiter der Forschungsgruppe „In-vivo-Dosimetrie“ am OncoRay. Dazu werden die Gamma- strahlen, die durch den Protonenstrahl erzeugt wurden, auf einer Detektorebene abgebildet. „Dadurch bekommt man die Information über die Kante, also die Stelle, wo die Gamma- strahlung plötzlich abfällt, weil der Protonenstrahl stoppt.“ Zwar gibt es noch andere Methoden, mit denen über diese „Kante“ die Eindringtiefe des Protonenstrahls gemessen wer- den kann. Doch die seien entweder zu langsam, um Ergebnis- se noch während der Bestrahlung zu liefern, oder noch nicht so weit entwickelt, dass sie am Menschen eingesetzt werden können. Die erste Bewährungsprobe hat die neue Schlitzka- mera bereits bestanden. Mitte August 2015 wurden damit die ersten Messungen während der Bestrahlung eines Patienten mit Kopf-Hals-Tumor durchgeführt. Vorher hatten die Forscher unzählige Experimente an Plexi- glas und Gewebe-Phantomen gemacht, um die Kamera fit für den Einsatz am Menschen zu machen. „Plexiglas besteht aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, ist dem Men- schen also sehr ähnlich“, sagt Marlen Priegnitz vom Institut für Strahlenphysik am HZDR. „Man fängt an mit Blöcken, Quadern und Zylindern und macht dann mit gewebeäquivalen- ten Materialien weiter, die Fett-, Lungen-, Muskelgewebe oder Hirn simulieren sollen.“ Indem die Forscher die Phantome mit Protonen bestrahlten und gezielt bekannte Veränderungen einbauten, konnten sie experimentell nachweisen, dass die zu erwartenden Reichweiten-Abänderungen mit der Kamera messbar sind. Erst dann wagten sie den Einsatz des Detektors in der Klinik. Ungenauigkeit halbiert „Der Patient wusste, dass ihm die Messung mit der Schlitz- kamera nicht schadet, ihm selbst aber auch nicht nützt, sondern bestenfalls der nächsten Generation von Patienten“, betont Richter. Zwar dauerte die Behandlung etwas länger, aber nur, weil vor der Bestrahlung die Schlitzkamera ein paar Minuten positioniert werden musste. „Wir konnten mit der Schlitzkamera feststellen, dass die gemessene Reichweite des Protonenstrahls an verschiedenen Bestrahlungstagen in einem Bereich von nicht mehr als plus-minus zwei Milli- meter schwankte“, so Richter. Ein großer Unterschied zu der Reichweiten-Unschärfe, mit der Strahlentherapeuten derzeit arbeiten müssen. „Im konkreten Patienten betrug die ge- schätzte Unsicherheit der Protonenreichweite bisher sieben Millimeter. Man muss also sieben Millimeter tiefer bestrahlen, damit der Tumor sicher getroffen wird“, erläutert Pausch. „Mit der Kamera könnten wir das in dieser Perspektive auf drei bis vier Millimeter begrenzen. Davon würden die Patienten profitieren.“ Auch wenn ein Unterschied von wenigen Millimetern nicht danach klingt, als ob er so viel forscherischen Aufwand nötig mache – im Gehirn kann das Bestrahlen einer Gewebeschicht von Apfelsinenschalen-Stärke den Unterschied machen, ob ein Patient mit einem Hirntumor neben dem Sprachzentrum nach der Therapie noch sprechen kann oder nicht. „Und je tiefer ich in den Patienten einstrahle, umso größer ist die Reichweiten-Unsicherheit“, ergänzt Richter. „Wird zum Beispiel die Prostata bestrahlt, dann hat der Protonenstrahl eine Reichweite von 25 Zentimetern, was eine Unsicherheit von über 10 Millimetern zur Folge hat.“ Umso wichtiger sei es, während solcher mehrwöchigen Behandlungen kontinuierlich die Reichweite des Protonenstrahls zu messen. Die Prompt- Gamma-Kamera, dessen Prototyp die Firma IBA entwickelt und mit dem Dresdner Team gemeinsam erprobt hat, ermög- licht das. Das OncoRay-Zentrum bietet für solche patienten- nahen und zugleich kernphysikalischen Forschungsprojekte den perfekten Rahmen, wird es doch von Universitätsklini- kum, TU Dresden und HZDR gemeinsam getragen. Das Ziel sei, so Pausch, die Schlitzkamera in die Protonen- strahl-Geräte einzubauen. Bisher müssen die Forscher ihren Detektor noch per Hand im rechten Winkel zur Richtung des Protonenstrahls ausrichten. Künftig soll die Schlitzkamera ihre Messdaten automatisch weiterleiten und die Bestrahlung abbrechen, wenn der Protonenstrahl zu tief eindringt. „Davon sind wir aber noch weit entfernt“, sagt Pausch. Ein kurzfris- tig erreichbarer Erfolg wäre schon, mit der Schlitzkamera Erfahrungen darüber zu sammeln, inwieweit die theoretische Planung einer Bestrahlungstiefe am Ende mit der realen Behandlung des Patienten übereinstimmt. „Schon wenn man lernt, dass die Berechnung in 99,9 Prozent der Fälle mit der Planung übereinstimmt oder wie sie abgeändert werden muss, müsste man nicht mehr so viel gesundes Gewebe um den Tumor herum bestrahlen.“ Und den Patienten wäre geholfen. PUBLIKATION: C. Richter, G. Pausch, S. Barczyk, M. Priegnitz u.a.: „First clinical application of a prompt gamma based in vivo proton range verification system”, in Radiotherapy and Oncology 2016 (DOI: 10.1016/j.radonc.2016.01.004) KONTAKT _Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay „Hochpräzisions-Strahlentherapie“ Dr. Christian Richter christian.richter@oncoray.de „In-vivo-Dosimetrie“ Dr. Guntram Pausch guntram.pausch@oncoray.de _Institut für Strahlenphysik am HZDR Dr. Marlen Priegnitz m.priegnitz@hzdr.de

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