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entdeckt_02_2014 - Turbulente Geburtshelfer

FORSCHUNG// DAS FORSCHUNGSMAGAZIN AUS DEM HZDR WWW.HZDR.DE 22 23 //Magnetfelder wirbeln die Wiege des Sonnensystems durcheinander. _TEXT . Roland Knauer TURBULENTE GEBURTSHELFER Bereits ein Eiskunstläufer zeigt deutlich, dass Sonnen nicht einfach entstehen können, wenn eine gigantische Wolke aus Staub und Gas im Weltraum zusammenschnurrt: Legt der Schlittschuhfahrer seine vorher ausgestreckten Arme eng an den Körper, wirbelt er gleich viel schneller um die eigene Ach- se. Das physikalische Gesetz dahinter kennen Physiker seit Jahrhunderten als „Erhaltung des Drehimpulses“ und es gilt nicht nur für Pirouetten auf dem Eis, sondern eben auch für das Entstehen von Sonnen. Wenn sich deren Masse aus einer großen Wolke zusammenzieht, müsste der neue Stern immer schneller rotieren, bis es ihn schließlich zerreißt. Es sei denn, Magnetfelder verwirbeln die sich zusammenziehenden Wolken im Weltraum, vermuten Theoretiker. Ob es diese Turbulenzen auch in der Praxis gibt, untersuchen Frank Stefani vom Insti- tut für Fluiddynamik und seine Kollegen seit einigen Jahren im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Eine schwierige Geburt Die Experimente dazu klingen zunächst einmal recht einfach, brauchen die Forscher doch nur ein Magnetfeld und eine „Wolke“. Mit ersterem haben die HZDR-Wissenschaftler reich- lich Erfahrung. Und die Wolke sollte ein wenig elektrischen Strom leiten. Für diese Leitfähigkeit sind im Weltraum Atome mit einer elektrischen Ladung zuständig, die Naturwissen- schaftler als „Ionen“ bezeichnen. Diese wiederum spielen eine große Rolle, wenn sich die Gas- und Staubwolke im Weltraum zusammenzieht und dabei eine gigantische Scheibe entsteht, die um ihr eigenes Zentrum kreist. „Solche Akkretionsschei- ben aber sind nichts anderes als rotierende Strömungen mit nach außen wachsendem Drehimpuls, die aus hydrodynami- scher Sicht extrem stabil sind“, erklärt Frank Stefani. Wenn solche Scheiben zusammenschnurren, lässt das Gesetz von der Erhaltung des Drehimpulses das schrumpfende Gebilde genau wie ein Eiskunstläufer, der seine Arme an den Körper anlegt, immer schneller rotieren. Es sei denn, irgend- eine Kraft spaltet die Scheibe in zwei ungleiche Teile: Ein sehr kleiner Teil von Gas und Staub in den äußeren Bereichen der Akkretionsscheibe nimmt dann einen sehr großen Teil des Drehimpulses mit. Der übergroße Rest der Masse schnurrt zusammen, ohne allzu schnell zu rotieren, weil ja der größte Teil des Drehimpulses abgegeben wurde. In unserem Sonnen- system steckt zum Beispiel fast die gesamte Masse in der Sonne. Die restlichen 0,14 Prozent haben sich weiter draußen zu Planeten und Asteroiden zusammengeballt, die aber den weitaus größten Teil des Drehimpulses aus der Akkretions- scheibe mitgenommen haben, aus denen das System vor ungefähr 4,6 Milliarden Jahren entstand. Theorie und Praxis Welche Kraft aber treibt diese Aufspaltung des Drehimpulses an? Genau wie bereits 1959 Jewgeni Welichow von der Moskau- er Lomonossov-Universität, vermuteten 1991 auch Steven Bal- bus und John Hawley von der Universität im US-amerikanischen Bundesstaat Virginia Magnetfelder als Ursache. An dieser Stelle kommen die Ionen und die elektrische Ladung in den Akkreti- onsscheiben ins Spiel, weil sie nicht nur Magnetfelder erzeu- gen, sondern diese wiederum auf die Wolke zurückwirken. Da- bei aber verursachen die Magnetfelder in den extrem stabilen Strömungen Turbulenzen. Diese Magneto-Rotationsinstabilität – oder kurz „MRI“ – kann einen großen Teil des Drehimpulses mit einem winzigen Teil der Masse nach außen tragen. Der rie- sige Rest könnte dann zu einer Sonne zusammen schrumpfen, die nur relativ gemächlich rotiert, weil sie nur einen winzigen Teil des ursprünglichen Drehimpulses mitgenommen hat. ESOCAST 69: Staubscheibe um den jungen Stern HL Tauri im Sternzeichen Stier. Bild: ESO WWW.HZDR.DE 22 23

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