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entdeckt_02_2014 - Erinnerungen an den Herbst 1989

PORTRÄT// DAS FORSCHUNGSMAGAZIN AUS DEM HZDR WWW.HZDR.DE 32 33 // Wolfgang Enghardt ist Professor an der TU Dresden, Gruppenleiter am OncoRay-Zentrum und Abtei- lungsleiter am HZDR. Seit vielen Jahren interessiert ihn der Einsatz von bildgebenden Verfahren in der Krebsforschung und -therapie. 25 Jahre nach dem Mauerfall erinnert sich der ostdeutsche Medizinphysiker an den Beginn der Zusammenarbeit mit einem Helmholtz-Zentrum im Westen der Republik. _TEXT . Wolfgang Enghardt ERINNERUNGEN AN DEN HERBST 1989 Mit einem Reisepass der DDR überquerte ich am 15. Oktober 1989 zum ersten Mal in meinem Leben die innerdeutsche Grenze – in einem Zug auf dem Weg zur Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt. Damals war ich mir sicher, dass ich die Rückfahrkarte niemals benutzen würde. Wie kam es zu dieser Reise, die ich mit vier Kollegen aus dem Zentralinstitut für Kernforschung (ZfK) – einem Vorgänger des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf – antrat? Als im Frühjahr 1989 nach Kooperationsprojekten mit der GSI gesucht wurde, um das Abkommen über wissenschaftlich- technische Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Staaten mit Leben zu füllen, habe ich laut „hier“ gerufen. Denn drei meiner Kollegen und ich hatten uns im selben Jahr bereits mit dem Vater der modernen Ionentherapie, Gerhard Kraft von der GSI, im Zentralinstitut für Krebsforschung in Berlin-Buch getroffen. Zusammen entwarfen wir den Plan, eine in Rossendorf entwi- ckelte Kamera, mit der sich Positronen detektieren lassen, an den Ionenstrahl der GSI zu bringen. Unser Ziel: Eine Methode zu erarbeiten, die es ermöglicht, die Reichweite der Ionen- strahlen in lebenden Organismen mit Hilfe der Positronen- Emissions-Tomographie (PET) zu messen. Gerhard Kraft hatte für diese Idee von allen PET-Zentren der Bundesrepublik eine Absage erhalten, da es nicht funktionieren könnte. Wir waren uns dagegen sicher, dass es funktionieren müsse, was ja schließlich auch zutraf. KONTAKT _Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay / Institut für Radioonkologie am HZDR Prof. Wolfgang Enghardt wolfgang.enghardt@oncoray.de Nur knapp zwei Jahre später gelang es uns, am Schwerionen- synchrotron der GSI das allererste Experiment durchzuführen, bei dem wir den Positronen-Emitter Neon-19 erzeugen, in ei- nen Plexiglasblock schießen und davon PET-Bilder aufnehmen konnten. Damit begann die Entwicklung der Partikeltherapie- PET, von der heute Medizinphysiker sagen: „It was pioneered in Dresden.“ Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Alle wichtigen Experimente dazu erfolgten am Strahl der GSI- Beschleuniger. Während wir also tagsüber intensiv arbeiteten, verfolgten wir abends in der Küche der GSI-Gästebaracke im Fernsehen die Ereignisse in der DDR. Ich zog daraus die Schlussfolgerung, dass es wohl nicht mehr lange dauern würde, bis Deutschland wieder vereinigt wäre. Eine Annahme, die meine Kollegen noch belächelten. Konsequenterweise benutzte ich schließ- lich am 29. Oktober 1989 meine Rückfahrkarte von Darm- stadt nach Dresden. Wohl vom Interesse getrieben, ob wir das vorgeschlagene in-beam PET-Experiment durchführen können, besuchten uns am 8. November 1989 die GSI-Forscher Gottfried Münzen- berg und Dieter Schardt in Rossendorf. Sie waren offenkundig mit dem Gesehenen zufrieden. Den Abend des 9. November 1989 verbrachten wir mit Dieter Schardt in einer Gaststätte in Dresden. Wir haben uns gegen 22 Uhr mit vielen Plänen im Kopf verabschiedet. Ich fuhr nach Hause, wo ich meine Frau, wie gebannt vorm „West- fernsehen“ sitzend, antraf. In diesem Augenblick wusste ich, dass es nun eine reale Chance gab, unsere Ideen umzuset- zen und dass es richtig war, die Rückfahr- karte zu nutzen. Foto: OncoRay/ André Wirsig

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