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entdeckt_01_2015

entdeckt 01.15 TITEL WWW.HZDR.DE einen Seite mit dem Feuerzeug verformt hat, weiß, dass sich auch die andere verzieht. Deshalb müssen bisher bispezifi- sche Antikörper komplett neu entwickelt werden. „Bei jedem neuen bispezifischen Antikörper muss man wieder testen, ob die T-Zelle überhaupt noch gebunden wird“, so Arndt. Ein lästiges Problem. „Um das zu ändern, haben wir ein Baukas- tensystem entwickelt.“ Baukastensystem mit universell einsetzbarem Modul Anstatt mit nur einem „Legostein“ arbeitet Arndt mit zweien – einem Zielmodul und einem Effektormodul. Das Zielmodul ist ein umgebauter (monospezifischer) Antikörper, der auf der einen Seite an ein Molekül auf der Krebszelle binden kann und auf der anderen mit einer leicht erkennbaren Struktur ausge- stattet ist – ein in der Arbeitsgruppe entwickeltes, einzigarti- ges „Peptid-Epitop“. An dieses Peptid-Epitop klammert sich wiederum das Effektormodul, ein bispezifischer Antikörper, der außerdem die Immunzelle greifen kann. „Der Effekt ist der Gleiche: Tumor- und T-Zelle werden ver- netzt“, sagt Arndt. „Aber der Vorteil ist, dass wir das Effektor- modul universell einsetzen und mit jedem beliebigen Zielmo- dul kombinieren können.“ Die aufwändige Prüfung, ob sich der bispezifische Antikörper beim Umbau für ein neues Krebsziel verändert hat, entfällt. Das bietet auch für Patienten einen großen Vorteil. Denn das Baukastensystem erlaubt es, mehrere Ziele auf einer Krebs- zelle anzusteuern. „Dazu kombinieren wir einfach das Effek- tormodul mit zwei, drei oder mehr Zielmodulen, die auf den Krebszellen unterschiedliche Zielstrukturen erkennen“, erläu- tert Arndt. Das erhöhe die Chancen erheblich, dass die Thera- pie greift. Denn Tumorzellen sind wandlungsfähig. Und wenn die Krebszellen zufällig jene Oberflächenstruktur ändern, an die ein normaler bispezifischer Antikörper andockt, dann wirkt aktiviert wird und die Tumorzelle zerstören kann.“ Antikörper haben Forscher aus gutem Grund zu Krebsmedikamenten umfunktioniert, denn im Körper sind sie die Werkzeuge des Immunsystems. Normalerweise passen Antikörper immer nur zu einer Ziel- struktur – einem Molekül auf der Oberfläche eines Virus, einem Stück einer Polle oder einem Eiweiß auf einer Krebs- zelle. Jede Immunzelle bildet nur einen Antikörpertyp, der ausschließlich ein einziges Ziel bindet – wie ein Legostein an einen anderen. Sobald diese Antikörper, die ähnlich Igelsta- cheln auf der Oberfläche der Immunzelle angeordnet sind, an ihr Ziel andocken, vermehren sich die Zelle und mit ihr die Antikörper explosionsartig, sodass unzählige Antikörper die- ses Typs produziert werden und den Fremdkörper festhalten. Fresszellen können ihn so unschädlich machen. Damit diese Immunreaktion besser funktioniert, sind Forscher auf die Idee gekommen, Antikörper zu konstruieren, die zwei Ziele erken- nen können – eben bispezifisch sind. So wie ein Legostein sowohl oben als auch unten mit anderen verbunden werden kann. Bindet so ein künstlicher, bispezifischer Antikörper sowohl an Krebs- als auch an Immunzellen, wird eine Immun- reaktion gegen den Tumor eines Patienten ausgelöst. Vielversprechende Arzneimittel Ein Prinzip, von dem Patienten bereits profitieren. Das Krebs- medikament „Blinatumomab“, das anfangs sogar in Deutsch- land von der Firma Micromet entwickelt wurde, haben die US-Behörden Ende letzten Jahres als ersten bispezifischen Antikörper zugelassen. Bei Patienten mit Akuter Lymphati- scher Leukämie (ALL) erkennt er eine Struktur namens CD3 auf Abwehrzellen und den Rezeptor CD19 auf Blutkrebs- zellen und löst so eine Abwehrreaktion aus, die den Krebs zurückdrängt. Das System ist so erfolgversprechend, dass Arzneimittelfirmen derzeit eine ganze Reihe bispezifischer Antikörper entwickeln. Doch perfekt ist es nicht. Die Arbeits- gruppe des Pharmazeuten und Krebsimmunologen Michael Bachmann, in der Claudia Arndt forscht, ist angetreten, das Prinzip noch zu verbessern. Dabei hatte Arndt eigentlich nie eine Karriere in der Medizin geplant. „Aber die Richtung, nahe am Menschen zu forschen, hat mich immer schon fasziniert.“ Die Immunologie sei dann ein „guter Kompromiss zwischen Biologie und Medizin“ gewe- sen, sagt die Nachwuchsforscherin. Das viele Pipettieren und die auch mal in Sackgassen führenden, langwierigen Expe- rimente schrecken sie nicht. „Man weiß, wo das Pipettieren hinführt und dass es später einen Patienten retten könnte.“ Vor allem wenn man dazu beitragen kann, ein funktionieren- des Therapieprinzip noch zu verbessern. „Wenn man einen neuen bispezifischen Antikörper entwickeln will, könnte man den Teil, der die Immunzelle bindet, eigent- lich beibehalten, und nur den Teil ändern, der den jeweiligen Krebszelltyp erkennen soll“, sagt Arndt. Aber wenn man am einen Ende etwas austauscht, könne das die Bindungseigen- schaften der anderen Seite verändern, weil sich die gesamte Struktur des Moleküls ändert. Wer je einen Legostein auf der Claudia Arndt Bereits ihr Studium der Biologie schloss die 28-jährige Claudia Arndt an der TU Dresden mit Auszeichnung ab, ebenso die vierjährige Promotion auf dem Gebiet der Tumorimmunologie an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus. Der Name der begabten Nachwuchswis- senschaftlerin steht auf insgesamt 16 Publikationen. Zählt man die einzelnen Werte für den „impact factor“, der den Stellenwert einer Fachzeitschrift angibt, zusam- men, kommt man auf beeindruckende 80 Punkte. 2015 wurde sie auf dem Symposium “Tumor Immu- nology meets Oncology XI” mit dem „Young Investigator Award“ (3. Platz) ausgezeichnet. Als Mitarbeiterin des HZDR-Instituts für Radiopharmazeutische Krebsfor- schung wird sich Arndt auch weiterhin mit universellen Antikörpern für die immuntherapeutische Behandlung von Krebserkrankungen beschäftigen.

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