FORSCHUNG 35 Nano-Diamanten im Inneren von Eisplaneten Solche Versuche helfen, die Prozesse nicht nur in den Eisplaneten unseres Sonnensystems, sondern auch in fernen Exoplaneten besser zu erkunden und nach und nach zu verstehen. Jüngere Messungen mit weiteren einfachen Molekülen wie Wasser, Alkoholen oder Ammoniak offenbarten noch genauere Einblicke in die chemischen Vorgänge. „Dabei entdeckten wir eine sehr interessante Phase von Wasser“, freut sich Kraus. In dieser sogenannten superionischen Phase bilden die Sauerstoff-Atome ein kristallines Gerüst, durch das sich die Wasserstoff-Atome frei bewegen können. „Jetzt überlegen wir, wie man solche Erkenntnisse zusätzlich nutzen könnte“, fährt Kraus fort. Es könnte der Beginn einer neuartigen Chemie unter extremen Bedingungen, einer dynamischen Megabar-Chemie, sein. „Und HIBEF ist dafür schon das Beste, was es jetzt und sicherlich noch für die nächsten Jahre gibt“, ist Kraus überzeugt. Stehen bei Dominik Kraus hohe Drücke – erzeugt mit den nur einige Nanosekunden und dennoch relativ langen Lichtpulsen der Hochenergie-Laser – im Mittelpunkt, bevorzugt Thomas Kluge vom HZDR-Institut für Strahlenphysik extrem kurze und hohe Intensitäten. Die Pulse im Femtosekunden-Bereich liefert der Kurzpuls-Lasers ReLaX von HIBEF. „ReLaX produziert relativistische Elektronen“, erklärt der Physiker. Die negativ ge- ladenen Teilchen erreichen dabei fast Lichtgeschwindigkeit von 300.000 Kilometern pro Sekunde. Bei diesem Tempo werden die Elektronen entsprechend der Einsteinschen Relativitätstheorie immer schwerer. Die Masse der Elektronen kann dabei das Zehnfache ihrer Ruhemasse erreichen. Negativ geladene Elektronen, aber auch positiv geladene Ionen zeigen bei solchen extremen Beschleunigungen spezielle Muster. „Derzeit untersuchen wir genau solche Instabilitäten, die die Beschleunigung von Elektronen und Ionen stören, genauer“, sagt Kluge. Noch sei es in keiner Weise klar, wie diese Instabilitäten wachsen und sich entwickeln. So grundlegend neu diese Experimente und die dabei beobachteten physikalischen Effekte klingen, ebnen sie den Weg für konkrete Anwendungen. „Unser Ziel ist ein Beschleuniger für Ionen, mit dem wir die medizinischen Vorteile kurzer und besonders dichter Ionenstrahlen für die Bestrahlung von Krebstumoren genauer verstehen können als bisher“, fasst Kluge zusammen. Große Pläne für Hamburg und Stanford „Mit dem Upgrade von MEC in Stanford wird es für diese Versuche in Zukunft einen noch besseren Laser mit bis zu einem Petawatt Leistung geben“, schätzt Kluge ein. Doch bis dahin werden noch einige Jahre an intensiver Vorbereitung vergehen. Das MEC-Upgrade befindet sich im Entwurf; der endgültige Zeitplan und das Budget werden vom Energie- ministerium der Vereinigten Staaten bei Projektbeginn im Jahr 2026 festgelegt. Derweil schreitet der weitere Ausbau von HIBEF voran. So wird zusätzlich zu den beiden Extrem- lasern und bereits vorhandenen Diamant-Stempelzellen von HIBEF-Mitgründer DESY noch ein Aufbau des HZDR für extrem starke und gepulste magnetische Felder folgen. „Ab Herbst 2024 steht dieses Experiment den Nutzern zur Verfügung“, verspricht Toma Toncian. Darüber hinaus ist der Physiker zusammen mit zahlreichen internationalen Kolleginnen an einem Upgrade auf HIBEF 2.0 beteiligt, das durch das derzeit laufende europäische THRILL-Projekt für die Entwicklung noch besserer, extremer Laserexperimente unter- stützt wird. Den Fortschritt verfolgt auch SLAC-Forscher Dyer genau. „Wir freuen uns, an dem aktuellen Konzept für HIBEF 2.0 mitzuarbeiten und es in die Tat umzusetzen“, betont er. Und so eng und kollegial die Zusammenarbeit der Forscher rund um die Super- laser ist, erwartet Gilliss Dyer weiterhin wichtige Impulse aus Hamburg für das MEC-U- Projekt in Stanford. TEXT: JAN OLIVER LÖFKEN Virtuelle Tour in den European XFEL, Hamburg Upgrade-Projekt Matter in Extreme Conditions, Stanford PUBLIKATIONEN A. Laso Garcia et al.: ReLaX: The Helmholtz International Beamline for Extreme Fields high-intensity short- pulse laser driver for relativistic laser- matter interaction and strong-field science using the High Energy Density instrument at the European X-ray free electron laser facility. High Power Laser Science and Engineering, 2021 (DOI: 10.1017/hpl.2021.47) Y. He et al.: Dominance of γ-γ elec- tron-positron pair creation in a plas- ma driven by high-intensity lasers. Communications Physics, 2021 (DOI: 10.1038/s42005-021-00636-x) Z. He et al.: Diamond formation kinetics in shock-compressed C-H-O samples recorded by small-angle X-ray scattering and X-ray diffraction. Sci- ence Advances, 2022 (DOI: 10.1126/ sciadv.abo0617) T. Kluge et al.: Observation of ultrafast solid-density plasma dynamics using femtosecond X-ray pulses from a free- electron laser. Physical Review X, 2018 (DOI: 10.1103/PhysRevX.8.031068) KONTAKTE PD Dr. Toma Toncian t.toncian@hzdr.de Dr. Thomas Kluge t.kluge@hzdr.de HZDR-Institut für Strahlenphysik Prof. Dominik Kraus d.kraus@hzdr.de Universität Rostock und HZDR Dr. Gilliss Dyer gilliss@slac.stanford.edu SLAC – National Accelerator Laboratory