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entdeckt_02_2012

entdeckt 02 .12 TITEL WWW.Hzdr.DE // Was passiert, wenn Wasser und Dampf in einer Rohrleitung aufeinandertreffen? Welche Aus- wirkungen hat dies auf die Sicherheit von Kernkraftwerken oder die Effizienz chemischer Produktionsverfahren? Forscher im HZDR untersuchen im industrienahen Experiment, wann genau sich die beiden Phasen gegenseitig blockieren, und entwickeln dafür physikalische Modelle. _TEXT . Christine Bohnet Wasser versus Dampf – Ungleiches Kräftemessen in industriellen Anlagen Die chemische Industrie zählt zu den größten Industriezwei- gen in Deutschland. Es handelt sich um eine Branche mit einem besonders großen Ressourcenbedarf, was einerseits an dem hohen Stromverbrauch liegt und andererseits an der Nut- zung von Erdöl als Rohstoff. Laut einer Studie im Auftrag des Statistischen Bundesamtes setzte die chemische Industrie in der Vergangenheit rund 21,6 Mio. Tonnen organischer Roh- stoffe ein, wovon etwa 75 Prozent in die chemischen Grund- stoffe Ethylen, Propylen und Aromaten umgewandelt wurden. Dies geschieht zunächst in großen Chemieapparaturen, in denen Dampf zur Aufspaltung des Rohöls eingesetzt wird („Steamcracken“). Um reine Grundstoffe zu erhalten, müssen die aufgespaltenen Substanzen anschließend in sogenannten Trennkolonnen aufwändig getrennt werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Helmholtz- Zentrum Dresden-Rossendorf wollen mit modernster Messtechnik einen Einblick in die Prozesse in solchen kom- plexen industriellen Apparaten erhalten. Sie haben sich hier- für ein neues Ziel vorgenommen: die etablierten Produktions- verfahren von chemischen Grundstoffen so zu optimieren, dass erhebliche Mengen an teurer Energie und wertvollen organischen Rohstoffen eingespart werden können. Damit können sie zur Energiewende ebenso beitragen wie zur inter- nationalen Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie, die zu den großen Chemieproduzenten der Welt zählt. Stoffgemische wie Flüssig-Dampf- oder Gas-Flüssig-Feststoff- Gemische kennzeichnen die vielen Prozessschritte vom Rohöl hin zu den reinen Grundstoffen für die chemische Industrie, sind aber auch für den sicheren Betrieb von Kern- und Solarkraftwerken oder für die Öl- und Gasförderung wichtig. Gerade in der Kernenergietechnik ist eine zuverlässige Vor- hersage solcher Strömungen von großer Bedeutung, haben diese doch Einfluss auf die Sicherheit der Anlagen. In einem Druckwasserreaktor fließt im ersten Kreislauf normalerweise nur Wasser unter hohem Druck und bei Temperaturen knapp unter 300 Grad Celsius. Die Energie dieses heißen Was- sers wird im Dampferzeuger genutzt, um in einem zweiten Kreislauf die Turbinen mit Dampf zu versorgen. Lecks können in so großen technischen Anlagen niemals ausgeschlossen werden, jedoch muss auch dann die sichere Kühlung des Reaktorkerns immer gewährleistet sein. Das wird durch um- fangreiche Sicherheitsanalysen nachgewiesen, wobei die dabei zum Einsatz kommenden Rechenmodelle die zu erwartenden Strömungen mit hoher Zuverlässigkeit vorhersagen müssen. Wenn der Druck durch ein Leck abfällt, sind diese Strömungen oft zweiphasig, das heißt Wasser und Wasserdampf treten auch im ersten Kreislauf gleichzeitig auf. Bisher sind die Ergebnisse solcher Sicherheitsanalysen nicht auf andere Anlagen mit unterschiedlicher Geometrie oder Größe übertragbar. Die HZDR-Experten blicken auf viel Erfahrung bei der Untersu- chung von Mehrphasen-Strömungen aus Dampf und Wasser im Primärkreislauf eines Druckwasserreaktors bei einem poten- tiellen Störfall zurück, und zwar im Experiment ebenso wie per Simulation. Beide Forschungsmethoden müssen Hand in Hand gehen, da es sich um hochkomplizierte Fragestellungen han- delt. Ein Beispiel aus dem Alltag mag dies verdeutlichen: Dreht man den Wasserhahn zu Hause ein wenig auf, fließt das Wasser in einer ruhigen, laminaren Strömung ins Waschbecken. Dreht man den Hahn dagegen bis zum Anschlag, sprudelt das Wasser in einer turbulenten Strömung aus dem Hahn und reißt sogar Luft mit sich. Sind Strömungen aus zwei oder mehr Phasen schon erheblich komplexer als solche aus nur einer Phase, so eröffnet sich mit turbulenten Mehrphasen-Strömungen ein weites Forschungsfeld, das auch die nächste Forschergenera- tion noch beschäftigen wird. Ein Simulationstool für alle Strömungszwecke? Die Art der Strömung bestimmt, wie die einzelnen Stoffe sich mischen oder trennen. Einphasen-Strömungen können heute be- reits sehr gut in Simulationen berechnet werden, wodurch viele teure Experimente – z. B. für neue Auto- und Flugzeugtypen im Windkanal – wegfallen. Stattdessen lassen sich Parameter wie etwa die Reibung der Luft am Untersuchungsobjekt in Abhän- gigkeit von der Geometrie des Objekts, aber auch von anderen Größen wie Temperatur, Geschwindigkeit und Luftmassenstrom, mit speziellen Computerprogrammen schnell und präzise bestim- men. Diese CFD-Programme – von Computational Fluid Dynam- ics, auf Deutsch: numerische Strömungsmechanik – stecken jedoch für Mehrphasen-Strömungen noch in den Kinderschuhen.

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