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entdeckt_02_2012

entdeckt 02 .12 TITEL WWW.Hzdr.DE Bewegen sich Dampf und Wasser durch ein Rohr, so reiben sie sich nicht nur am Rohr, sondern die Oberflächen bzw. Grenz- schichten der beiden Phasen reiben sich auch aneinander. Viele weitere Parameter wie die unterschiedliche Geschwin- digkeit der Phasen, die Viskosität, Zähigkeit oder Ober- flächenspannung von Wasser und Dampf und nicht zuletzt die Geometrie des Rohrs sind zu berücksichtigen, will man zu einer verlässlichen Computersimulation kommen. Denkt man sich nun noch Hindernisse und Knicke in Rohrleitungen oder die für Druckwasserreaktoren typischen hohen Temperaturen und Drücke hinzu, so wird die Liste der zu berücksichtigenden Parameter fast unüberschaubar lang. Weder ist die heutige Rechnertechnik schnell genug, um die Vorgänge auf allen Größenskalen in Simulationen zu erfassen, noch existieren ausreichend per Experiment gewonnene Daten als Grundlage für vereinfachende Rechenmodelle. Deshalb werden sicherlich noch einige Jahrzehnte vergehen bis zum universellen Simula- tionstool für Mehrphasen-Strömungen und es wird noch vieler Experimente bedürfen, um alle Parameter verlässlich erfas- sen und in die entsprechenden CFD-Programme einspeisen zu können. Gleichzeitig ist jedes erfolgreiche und für den industriellen Maßstab ausgelegte Experiment ein wichtiger Baustein, dessen Ergebnisse sofort in CFD-Codes übersetzt werden können. Damit lassen sich die Effizienz von Trennko- lonnen oder die Sicherheit von Kernreaktoren bereits heute Schritt für Schritt erhöhen. Undurchsichtige Wände durchdringen Produktionsverfahren mit Mehrphasen-Strömungen finden in der Industrie hinter dicken Rohren und undurchsichti- gen Wänden statt und sind einer einfachen Beobachtung nicht zugänglich. Hinzu kommt, dass Trennkolonnen und Primärkreisläufe in Kernreaktoren nicht gerade simpel aufge- baut sind – im Gegenteil. Vielmehr handelt es sich bei einer Trennkolonne um eine große Säule mit mehreren Zwischen- böden mit teils gestuften Aufbauten, in denen, abhängig von der Höhe, Flüssigkeitsgemische thermisch getrennt werden. Dabei nutzt man die unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen Stoffe aus. Typisch ist das mehrmalige Verdamp- fen und Kondensieren – etwa auch für die Erdölraffination. Wasserdampf schließlich verändert das Erdöl chemisch. So entstehen in mehrstufigen Prozessen die gewünschten Grund- stoffe für die unterschiedlichsten Branchen: Maschinen- und Automobilbau oder Kosmetik- und Lebensmittelindustrie. Ob die etablierten Produktionsverfahren in der chemischen In- dustrie effizient, schnell und sicher ablaufen, war bisher mehr oder weniger dem Geschick und der Erfahrung der Operateure überlassen, und auch die Planer neuer Anlagen können kaum auf gesicherte Erkenntnisse zu den Prozessabläufen zurück- greifen. Genauere Einblicke in die Dynamik von Stoffströmen können aber ein Design ermöglichen, das mit erheblichen Ef- fizienzsteigerungen einhergeht. HZDR-Wissenschaftler wollen sich deshalb in Zukunft intensiv damit auseinandersetzen, wie man mit modernsten Messmethoden in chemische Anlagen hineinschauen und die Strömungen darin optimieren kann. Zugleich führen sie grundlegende Experimente zu Zweiphasen- Strömungen an der TOPFLOW-Versuchsanlage im Zentrum durch. Mit den so gewonnenen Ergebnissen ertüchtigen sie die entsprechenden CFD-Programme. Ein besonderes Highlight, das vom Experiment bis hin zu einem neuen Simu- lationsmodell reichte, war die erfolgreiche Versuchsreihe zur sogenannten Gegenstrom-Begrenzung – für die Promo- tion zu diesem Thema erhielt der Kerntechniker Christophe Vallée den HZDR-Anerkennungspreis 2011. Eine Gegenstrom- Begrenzung tritt auf, wenn eine Wasserströmung durch einen Dampfstrom aus der entgegengesetzten Richtung behindert wird, was etwa bei einem Störfall im Primärkreislauf eines Druckwasserreaktors vorkommen könnte und deshalb be- herrscht werden muss. Ort der Extreme In einem Druckwasserreaktor zirkuliert heißes Wasser unter hohem Druck im Primärkreislauf, das wegen des hohen Drucks nicht verdampft; doch im Falle eines Lecks sieht das anders aus. Dann tritt das Kühlwasser durch das Leck aus und der Druck im Reaktorkern kann auf rund 70 bar abfallen. Mit der einsetzenden Verdampfung fällt der Wasserspiegel im Reaktor weiter. Der Dampf steigt über das Rohrsystem auf in Richtung Dampferzeuger. Dort kondensiert er zu Wasser und fließt zurück in den Reaktor, was erwünscht ist, denn das Wasser trägt zur Kühlung des Reaktorkerns bei und spielt so eine wichtige Rolle bei der passiven Sicherheit eines Kernkraftwerks. Allerdings muss das Wasser auf dem Weg vom Dampferzeu- ger zurück in das Reaktorgefäß ein dickes Rohr mit einem Durchmesser von knapp einem Meter passieren und dort mit dem entgegenströmenden Dampf seine Kräfte messen. Da der Siedepunkt von Wasser höher liegt als bei Normaldruck, hat der Dampf eine größere bzw. das Wasser eine niedri- gere Dichte. Somit drückt der dichtere Dampf gegen die Oberfläche des Wassers und hält es bei einer vollständigen Gegenstrom-Begrenzung komplett auf. Um zu gesicherten Aussagen über den Ablauf von Leck-Störfallen – und damit zur Sicherheit von Kernkraftwerken – zu gelangen, beschäf- tigte sich Christophe Vallée in seiner Doktorarbeit mit einem Versuchsaufbau, der es in sich hatte. In einer Nachbildung der komplizierten Geometrie des Heißstrangs eines Kernreak- tors in Originalgröße setzte er eine Dampf-Wasserströmung hohem Druck und hohen Temperaturen aus. Während aus der einen Richtung Wasser einschoss, wurde von der anderen Seite Dampf zugeführt. Der Dampf wurde schrittweise erhöht, bis er den Wasserstrom vollständig blockierte. Erstmalig überhaupt war das Beobachtungsfenster für ein solches Ex- periment nicht bloß einige Quadratzentimeter groß, sondern maß einen ganzen Meter im Quadrat. Deshalb konnte der Doktorand das Verhalten der aufeinandertreffenden Phasen im Detail mit einer Hochgeschwindigkeitskamera beobachten. Vom Experiment über die Simulation in die Praxis Dass der experimentelle Aufbau mitsamt dem Fenster und der Kamera einen Druck von 50 bar und Temperaturen von rund 275 Grad Celsius überstehen konnte, ist dem Druckbehälter an der TOPFLOW-Anlage zu verdanken. Dieser erlaubt durch

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