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entdeckt_02_2012

TITEL// Das Forschungsmagazin aus dem HZDR WWW.Hzdr.DE 26 27 Physiker wie Stephan Winnerl vom Helmholtz-Zentrum Dres- den-Rossendorf hatten bislang ein recht klares Bild davon, wie sich Elektronen im Kristallgitter eines halbleitenden Materials bewegen. Und zwar lassen sich Elektronen durch elektrische Spannungen im Halbleiter beschleunigen, wobei, wie jeder weiß, besonders schnelle und bewegliche Elek- tronen als Ladungsträger den Strom transportieren und so für den Stromfluss sorgen. Wie schnell Elektronen werden hängt wesentlich von ihrem „Gewicht“ (effektive Masse) ab. Nun besitzt jeder Halbleiter eine für ihn typische Kristallstruktur, die die effektive Masse der Elektronen physikalisch bedingt. Für schnelle elektronische Bauelemente, wie beispielsweise Transistoren in Computern oder Mobiltelefonen, wünscht man sich daher Materialien, in denen sich Elektronen sehr leicht auf hohe Geschwindigkeit beschleunigen lassen. Obwohl Graphen selbst zur Klasse der Halbleiter-Materialen zählt, ver- halten sich Elektronen hier völlig anders. Ihre effektive Masse scheint zu verschwinden und so bewegen sie sich erstaunlich schnell durch die aus nur einer Atomlage bestehende Ebene. Dies will man für künftige elektronische Anwendungen nutzen. Neben der effektiven Masse der Elektronen gibt es eine wei- tere wichtige Eigenschaft, in der sich verschiedene Halbleiter- Materialien unterscheiden: die sogenannte Bandlücke. Quantenmechanische Gesetze geben den Elektronen vor, sich in bestimmten Energiebereichen aufzuhalten, den Bändern. Die Physiker sprechen hierbei von einem Valenz- und einem Leitungsband. Zwischen diesen Bändern gibt es eine verbo- tene Zone, in der Elektronen quasi nicht erlaubt sind. Diese Band- oder Energielücke wird etwa in Leuchtdioden genutzt, um Licht zu erzeugen: Springt ein Elektron vom energetisch höheren Leitungsband ins Valenzband, so kann es seine Ener- gie in Form von Licht abgeben. Die Farbe des abgestrahlten Lichts entspricht dabei gerade der Größe der Energielücke. Elektronen ohne Grenzen Im erstaunlichen Halbleiter Graphen gibt es keine verbotene Zone zwischen den Energiebereichen, was bedeutet, dass der Beweglichkeit der Elektronen fast keine Grenzen gesetzt sind. Sie flitzen also im zweidimensionalen Raum mit hoher Geschwindigkeit durch die superdünne Kohlenstoff-Lage. Das Valenz- und das Leitungsband in Graphen berühren sich zu- dem in besonderer Weise: „Die Bänder kreuzen sich in einem Dirac-Konus. Den stelle ich mir gerne vor wie zwei Eistüten: Die eine steht mit ihrer Spitze auf der Spitze der zweiten, umgekehrten Tüte“, versucht Stephan Winnerl zu beschreiben, was nicht mit einfachen Worten beschrieben werden kann. Auch flitzen Elektronen natürlich nicht durch Raum und Zeit, wie sie uns bekannt sind, und die Energiebänder, von denen hier die Rede ist, gehören als quantenmechanische Eigen- schaft von Elektronen in den sogenannten Impulsraum. Wegen der fehlenden Bandlücke lassen sich in Graphen nicht die aus der Silizium-Technologie bekannten Tran- sistorkonzepte umsetzen – stattdessen gibt es völlig neue Ansätze, um die schnellen Elektronen für schnelle Schaltvorgänge zu nutzen. Mit Graphen kann man auch keine Leuchtdioden oder andere optoelektronischen Technologien realisieren, die darauf beruhen, dass Elektronen vom Leitungs- band ins Valenzband zurückspringen und dabei Licht abstrah- len. Allerdings hat das Zusammenspiel aus fehlender Bandlücke und der speziellen „Eistüten-Form“, in der die Energiebänder sich kreuzen, eine Konsequenz für die optischen Eigenschaf- ten von Graphen, die einzigartig ist. Graphen nimmt circa zwei Prozent der Energie von eingestrahltem Licht auf, die restlichen 98 Prozent passieren die Graphenschicht ungehindert. Somit ist Graphen fast vollständig durchsichtig. Interessanterweise spielt dabei die Farbe des Lichts keine Rolle, und die Gesetzmäßigkeit gilt sogar für die unsichtbare Infrarot-Strahlung. Dieser einmalige optische Effekt macht Graphen sehr attraktiv als durchsichtiges Material für Elektroden, etwa für Flachbild- schirme oder Solarzellen. Große Firmen haben hierfür bereits erfolgreiche Prototypen entwickelt. Vorteilhaft gegenüber den bisher für durchsichtige Elektroden verwendeten Materialien ist, dass beim Einsatz von Graphen nicht mehr der knappe – und deshalb auch teure – Rohstoff Indium benötigt wird. Kohlenstoff für Graphen ist praktisch unbegrenzt verfügbar und Graphen ist zudem völlig ungiftig. Manfred Helm, Direktor des HZDR- Instituts für Ionenstrahlphysik und Materialforschung, sieht zukünftige Anwendungen auch in der Optoelektronik, gerade wenn es darum geht, infrarotes Licht in elektrische Signale umzuwandeln. Weiterhin ermöglicht die Flexibilität und Stabi- lität des Materials den Einsatz in neuen Anwendungsfeldern, beispielsweise in elektronischen Schaltkreisen, die man einfach und kostengünstig auf Folien aufdrucken könnte. WUNDERMATERIAL: Graphen hat ungewöhnliche Eigenschaften, die es sowohl für die Grundlagen- forschung als auch für Anwendungen interessant macht. Die Grafik zeigt die Energie der Elektronen entsprechend ihrer Wellenzahl. Die „besetzten“ (gelb- grün) bzw. „unbesetzten“ (blau-rot) Zustände berühren einander ohne Lücke genau in sechs ausgezeichneten Punkten. Schema: © Paul Wenk – Wikipedia

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