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entdeckt_02_2012

entdeckt 02 .12 Titel WWW.Hzdr.DE Herstellung chemischer Grundstoffe – die chemische Indus- trie ist neben der Automobil-, der Maschinen- und Elektroin- dustrie einer der großen Arbeitgeber in Deutschland – lassen sich Energie und Rohstoffe in einer Größenordnung einsparen, an die private Haushalte auch mit vielerlei Anstrengungen kaum je heranreichen werden. Dennoch: jeder Beitrag zählt, um wirkungsvolle Schritte zu einer nicht nur deutschland- weiten Energie- und Verteilungsgerechtigkeit zu gehen. Alte Technologien mit Forscheraugen betrachtet Die Anforderungen an Stahlwerke sind hoch: das produzier- te Metall darf heute nicht einmal kleinste Materialfehler aufweisen, muss es sich doch zu immer größeren und zugleich dünneren und leichteren Teilen verarbeiten lassen. Energieeinsparen lässt sich hier, wenn der Stahl gleich beim ersten Guss perfekt wird und nicht wieder eingeschmolzen werden muss. Zudem kann man beträchtlich Energie – und damit immer auch Kosten – einsparen, wenn der Gießprozess selbst beschleunigt wird. Das geschmolzene Metall unterliegt allerdings den Gesetzen der Thermofluiddynamik: Schnellere Prozesse beim Guss können zu unerwünschten Turbulenzen und Verwirbelungen führen und das wiederum treibt die Aus- schussrate in die Höhe. Weltweit wird Stahl zu rund 90 Prozent im Strangguss-Ver- fahren hergestellt, was eine hohe Gießgeschwindigkeit und Produktivität bedeutet. Es beruht darauf, dass das flüssige, rund 1.500 Grad heiße Metall in eine nach unten offene und mit Wasser gekühlte Form aus Kupfer – Kokille genannt – gegossen wird. Dort erkaltet der äußere Teil der Schmelze und kann in einem Strang nach unten herausgezogen werden. Der Kern des Strangs ist dabei zwar noch flüssig, erkaltet aber nach und nach an der Luft. Heutige Kokillen können sehr unterschiedlich aussehen, abhängig von den jeweiligen An- forderungen. Moderne Werke zum Beispiel produzieren sehr dünne Metalle, die in nachgeschalteten Walzwerken direkt zu Formen etwa für Automobilkarosserien verarbeitet werden. Es ist leicht vorstellbar, dass eine solche Kombination mit drama- tischen Kosten- und Energieersparnissen einhergeht. Was hat der Metallguss mit Magnetfeldern zu tun? Da heiße Metallschmelzen praktisch immer elektrisch leit- fähig sind, kann man Magnetfelder als elektromagnetische Bremsen zur Kontrolle der Strömungen in diesen Schmelzen einsetzen. Den Bremsen liegt ein Gesetz zugrunde, das viele noch aus der Schule kennen: die Lenzsche Regel. Allgemein bekannt ist, dass ein elektrischer Strom ein Magnetfeld erzeugt. Ein Magnetfeld erzeugt aber nach den Faradayschen Gesetzen auch einen Strom in einem elektrisch leitfähigen Leiter, wenn diese sich relativ zueinander bewegen. Lenz (1804 - 1865) erkannte als erster, dass die Wechselwirkung zwischen induziertem Strom und angelegtem Magnetfeld eine Kraft hervorruft, die der ursprünglichen Bewegung entgegen- wirkt. Diese induktive Kraft heißt Lorentzkraft. Sie ist das „Arbeitspferd“ für HZDR-Experten auf dem spannenden Gebiet der Magnetohydrodynamik (MHD). Strömungen in der Stahlschmelze wirken sich in der Regel auch auf die Eigenschaften des Endprodukts aus. Nur wenn die Strömung ruhig und gleichmäßig ist, kann hochwertiger Stahl entstehen, ist sie dagegen aufgewühlt oder turbulent, kommt es des Öfteren zu Problemen hinsichtlich der Material- qualität oder gar zum Ausschuss, der teuer wieder einge- schmolzen werden muss. Die Idee der seit rund fünfzehn Jah- ren im Einsatz befindlichen Magnetbremsen ist nun, dass von außen angelegte Magnetfelder die Strömungen beruhigen und unerwünschte Verwirbelungen unterdrücken sollen. Funktio- nieren die Magnetbremsen im Stahlwerk gut, so kann die Gießgeschwindigkeit weiter erhöht und Qualität, Produktivität wie Effizienz entsprechend gesteigert werden. Man sollte meinen, dass der Strangguss von Stahl, eine immerhin 70 Jahre alte Technologie, hier schon lange über optimale An- sätze verfügt. Dem ist aber nicht so. Das hat mehrere Gründe: Zum einen kann man mit heute üblichen Messmethoden nicht direkt in Stahlschmelzen und deren Strömungen hinein- schauen, zum anderen wurde die Wirkungsweise der Magnet- bremsen bisher nur auf der Grundlage von Rechnungen und Wasserexperimenten konzipiert und überprüft. Wasser verhält sich jedoch völlig anders als eine Metallschmelze. Magnetbremsen bremsen nicht Die experimentellen Arbeiten an der LIMMCAST-Anlage im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf liefern nun erstma- lig überhaupt realitätsnahe Daten zu Strömungen in Stahl- schmelzen. Kaum veröffentlicht, stoßen diese Ergebnisse auf ein großes Echo in der Wissenschaftswelt und in der Stahlin- dustrie, korrigieren sie doch viele Annahmen, die lange Jahre als Grundlage für den Einsatz von Magnetbremsen galten. Das überraschende Ergebnis der Experimente: Magnetfelder im Stahlguss wirken bei weitem nicht immer als reine Bremsen, sondern können bei entsprechenden Bedingungen sogar die Strömung instabil werden lassen und den Turbulenzgrad er- höhen. Kein Wunder also, dass die Resultate der Rossendorfer Wissenschafter auf einschlägigen internationalen Konferen- zen große Resonanz hervorriefen. Das Erfreuliche: auch die Industrie zeigt ernsthaftes Interesse. Als LIMMCAST vor rund Von außen angelegte Magnetfelder beruhigen die Strömungen in der Stahlschmelze und garantieren hochwertigen Stahl.

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