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entdeckt_02_2014 - Der Versprödung Grenzen setzen

FORSCHUNG// DAS FORSCHUNGSMAGAZIN AUS DEM HZDR WWW.HZDR.DE 26 27 // Um Materialversagen in Komponenten von Kernreaktoren zu verhindern, setzen HZDR-Forscher Werkstoffe extremen Bedingungen aus – damit im Notfall nichts schiefläuft. _TEXT . Simon Schmitt DER VERSPRÖDUNG GRENZEN SETZEN Mit voller Wucht rauscht der Pendelhammer auf den längli- chen Quader, der in eine spezielle Vorrichtung eingespannt ist, herab. Nur ein kurzes, knackendes Geräusch durchdringt den Raum, als der Stahl in der Mitte zerbricht. Die V-förmig eingekerbte Probe ist kein Widerstand für das Werkzeug, das auf seiner halbkreisförmigen Laufbahn den Körper zerschlägt, bevor es zum Stehen kommt. Das Experiment simuliert eine schlagartige Beanspruchung von Werkstoffen, um ihre Zähig- keit zu testen. Durch Verformungsprozesse absorbiert die Probe beim Aufprall einen Teil der Energie. Deswegen wird der Hammer – abhängig von der Widerstandskraft des verwende- ten Materials – auf einer gewissen Höhe abgebremst. Ein typischer Kerbschlag-Biegeversuch, wie ihn die Werk- stoffprüfung häufig einsetzt. Anders als in konventionellen Prüfhallen steht die Anlage aber nicht im offenen Raum. Vielmehr schirmen Bleiwände und Bleiglasfenster sie von den Forschern ab. Denn bei dem zu prüfenden Material handelt es sich um Stahl aus Reaktordruckbehältern europäischer Kernkraftwerke. „Diese Untersuchung können wir aufgrund der radioaktiven Strahlenbelastung nur in sogenannten heißen Zellen durchführen“, erzählt Eberhard Altstadt. „Dies ist nur in wenigen Einrichtungen in Europa möglich.“ Der Ingenieur nutzt das HZDR-Radionuklidlabor, um den Einfluss von Neutronen auf die mechanischen Eigenschaften und die Mikrostruktur des Stahls zu erforschen. Mit 2,6 Millionen Euro unterstützte die Europäische Union von 2010 bis 2014 diese Untersuchungen, die das HZDR und 15 Partnereinrichtungen im Projekt LONGLIFE durchführten. In Zeiten der Energiewende mag diese Förderung manchem Beobachter merkwürdig erscheinen. Dieses Denken, das nur bis an die deutsche Grenze reicht, greift aber zu kurz, wie Alt- stadt meint: „Unabhängig vom deutschen Atomausstieg ist die Reaktorsicherheit ein internationales Problem. Gerade unsere Nachbarn schaffen Voraussetzungen für längere Laufzeiten der Kernkraftwerke. Ursprünglich war ihr Betrieb auf 40 Jahre ausgelegt. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass Alterungs- effekte in den Reaktormaterialien die Sicherheit bei längeren Laufzeiten nicht beeinträchtigen.“ Sind die Materialien robust genug? Neben mechanischen Eigenschaften, wie Härte, Zähigkeit oder Streckgrenze – der Spannung, bei der sich ein Werkstoff durch einmaliges Ziehen dauerhaft verformt –, interessiert sich Altstadt vor allem für die Veränderungen auf der ato- maren Ebene. Denn die schnellen Neutronen, die bei der Kernspaltung im Reaktor entstehen, führen zu Defekten im Metallgitter des Stahles und lassen ihn langsam verspröden. Besonders im Fall einer möglichen Notkühlung des Reaktor- kerns könnten die thermomechanischen Beanspruchungen – also der schnelle Übergang von hohen zu niedrigen Temperatu- ren – unter diesen Umständen zu einem Bruch führen. Mittels sogenannter Voreilproben wird deshalb regelmäßig die Zähigkeit der Materialien überprüft. GESCHICK: Alle für die Unter- suchung bestrahlter Materia- lien benötigten Werkzeuge und Apparaturen sind in hei- ßen Zellen untergebracht. Foto: Rainer Weisflog

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