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entdeckt_02_2014

entdeckt 02 .14 FORSCHUNG WWW.HZDR.DE „Uns ging es darum, herauszufinden, ob die Vorhersage- modelle auch für längere Laufzeiten stimmen oder ob sie vielleicht nachgebessert werden müssen“, beschreibt Altstadt den Fokus von LONGLIFE. Anhand einer Vielzahl bestrahlter Stahlproben aus europäischen Kernkraftwerken und For- schungsreaktoren ermittelte das internationale Team um die Rossendorfer Forscher den Einfluss, den der Neutronenfluss – die Intensität der Bestrahlung – in einer gewissen Zeit auf die Materialien hat. „Wir haben bei den Untersuchungen festgestellt, dass die mechanischen Eigenschaften stärker beeinträchtigt werden, wenn eine bestimmte Neutronendosis in kürzerer Zeit erreicht wird“, erläutert Altstadt. „Prognosti- zierte Alterungseffekte aus Voreilproben werden deshalb im Vergleich zu den tatsächlich auftretenden Auswirkungen über- schätzt, da bei diesen Proben der Neutronenfluss höher ist als am Reaktordruckbehälter im Normalbetrieb. Die Vorhersagen liegen dadurch auf der sicheren Seite.“ Aber der Abteilungsleiter für Strukturmaterialien hat nicht nur die derzeit laufenden Kernkraftwerke im Kopf. Auch die Reak- toren der vierten Generation, wie sie momentan zum Beispiel in Frankreich und Belgien entwickelt werden, beschäftigen den Ingenieur: „Die Bedingungen sind hier ganz anders. Die Betriebstemperaturen sind zum Beispiel viel höher. Außerdem sind die Materialien einer höheren Bestrahlung ausgesetzt, da sie als Hülle von Brennelementen eingesetzt werden. So sind sie näher an der Kernreaktion als Stähle aus Reaktordruck- behältern.“ Im EU-Programm MATTER wollen Altstadt und seine Mitarbeiter deshalb Materialien herstellen, die für diese Bedingungen geeignet sind. Werkstoffe für fortgeschrittene Reaktorkonzepte Ein heißer Kandidat sind Eisen-Chrom-Legierungen, die mit Partikeln von Yttriumoxid verstärkt werden. Diese Materialien versprechen eine exzellente Festigkeit bei hohen Tempera- turen und eine große Toleranz gegenüber den Bestrahlungs- effekten. „Nun geht es darum, nur wenige Nanometer große Oxidpartikel gleichmäßig in der Legierung zu verteilen, damit die anvisierten mechanischen Eigenschaften erreicht werden“, beschreibt Altstadt eines der nächsten Ziele. Wie sich die ver- stärkten Eisen-Chrom-Legierungen unter Neutronenbestrah- lung verhalten, erforscht er in dem EU-Projekt MATISSE. Dies ergänzt sich hervorragend mit einem weiteren Arbeitspaket von MATTER. Hier dreht sich wieder alles um die Frage, wie die Neutronen die mechanischen Eigenschaften von Mate- rialien, die als Bauteile in Reaktoren der vierten Generation eingesetzt werden könnten, beeinflussen. „Da diese Werkstoffe im Vergleich zu den Stählen aus den Reaktordruckbehältern allerdings einer höheren Strahlung ausgesetzt sind, nutzen wir in diesem Fall Kleinprobenverfah- ren“, erläutert der Dresdner Forscher. „Dadurch können wir die Eigenschaften mit möglichst geringen Materialmengen be- stimmen.“ Altstadt unterzieht deshalb bestrahlte Proben aus Eisen-Chrom-Legierungen und Hoch-Chrom-Stählen einem Small-Punch-Test. Ähnlich wie beim Kerbschlag-Biegeversuch werden auch hier die Werkstoffe gezielt geschädigt. Ein halb- kugelförmiger Stempel belastet dabei eine schmale Scheibe so lange, bis sich infolge der Durchbiegung ein Riss bildet. Aus der aufgebrachten Kraft und der Verschiebung kann der Ingenieur die Zähigkeit des Materials ermitteln. Um den Einfluss der Neutronen zu simulieren, greift Altstadt außerdem auf Ionen – elektrisch geladene Teilchen – zurück: „Über Ionenbestrahlung können wir die gewünschte Strahlen- schädigung in wesentlich kürzerer Zeit erreichen, ohne das Material dabei radioaktiv zu belasten.“ Im Gegensatz zu Neu- tronen dringen die Ionen aufgrund ihrer Ladung aber nicht so tief ein, sodass nur eine dünne Schicht von etwa einem Mikro- meter geschädigt wird. Deshalb nutzen die HZDR-Forscher die sogenannte Nano-Indentierung, bei der eine kleine Diamant- spitze in die Oberfläche des Werkstoffs gedrückt wird. Aus dem Verlauf der Eindringtiefe und der dazu notwendigen Last können sie Härte und Streckgrenze des Materials ableiten. So zerbrechen oder zerreißen die HZDR-Forscher im Radio- nuklidlabor wohl noch einige Werkstoffe. Aber nur, damit sie im Ernstfall standhalten. PUBLIKATION: E. Altstadt u. a.: "FP7 Project LONGLIFE: Overview of results and implications", in Nuclear Engineering and Design 2014 (DOI 10.1016/j.nucengdes.2014.09.003) KONTAKT _Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR Dr. Eberhard Altstadt e.altstadt@hzdr.de PROBENNAHME: Am HZDR werden einmalige Materialproben von Reaktordruckbehältern des ehemaligen Kernkraftwerks Greifswald untersucht. Foto: Energiewerke Nord

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