Rutherford Rückstreu Spektrometrie


Methode

Rutherford Rückstreu Spektrometrie (Rutherford Backscattering Spectrometry - RBS) ist eine physikalische Methode zur Bestimmung der Elementzusammensetzung von dünnen Schichten, insbesondere für mittlere bis schwere Elemente. Die Proben werden mit einem Ionenstrahl, in der Regel He-Ionen, beschossen, und die Anzahl und Energie der an den Kernen der Probenatome gestreuten Ionen wird ermittelt.

Grundsätze:

  • Elastische Stöße zwischen Ionen und Atomkernen der Probe:
    Energie- und Impulserhaltung
    → Identifizierung der Elemente (über die Masse)
  • Der Streuquerschnitt wird durch klassische mechanische Berechnungen definiert.
    → Absolute quantitative Analyse

  • Ionen werden in der Materie abgebremst
    → Liefert Tiefeninformationen

  •  Der Ionenstrahl kann auf einer Kristallachse ausgerichtet werden
    → Messungen in "channeling" Geometrie

Vorteile

  • Quantitative Bestimmung von Konzentrationen ohne die Notwendigkeit von (matrixangepassten) Standards.
  • Konzentrations-Tiefenprofile können ermittelt werden mit einer Tiefenauflösung von 15-20 nm an der Oberfläche.
  • Besonders empfindlich für schwere Elemente.
  • Channeling-Messungen liefern Informationen über die Kristallqualität, z. B. zur Beurteilung von Kristallschäden nach Implantation oder der Lage von Dotierungen im Kristall.

Einschränkungen

  • Nicht empfindlich für leichte Elemente (eine Alternative ist ERDA).
  • Es kann zu einer gewissen Schädigung kommen, z. B. Entstehung von Defekten, Amorphisierung, Elementverlust in Polymeren, aber die Probe wird nicht zerstört.
  • Standardmessungen finden im Vakuum mit einem Millimeterstrahl statt, aber auch Messungen mit einem Mikrometerstrahl sind möglich (siehe Ionenmikrosonde) oder an Flüssigkeiten in einer separaten Kammer (siehe unten).
  • Die Identifizierung von zwei oder mehr Elementen mit ähnlichem Z ist nicht sehr gut, insbesondere bei schweren Elementen, da die Massenauflösung begrenzt ist und/oder sich die Spektren in der Tiefe überlagern.

RBS-Anlagen am HZDR

Am HZDR stehen drei RBS Anlagen mit unterschiedlichen Spezialitäten zur Verfügung, die im Folgenden beschrieben werden.

RBS-Anlage am 2MV Van-de-Graaff Beschleuniger

An diesen Beschleuniger ist ein multifunktionaler RBS-Anlage angeschlossen, die standardmäßig mit einem 1,7 MeV He+ Strahl betrieben wird.
Folgende Messungen sind möglich

  • Einfache RBS-Spektren (mit festen Winkeln)
  • RBS-Spektren im sogenannten Random-Modus (Winkelscan für zwei Winkel)
    • "echte" Random-Spektren für kristalline Proben oder Substrate (zufälliges Channeling ist ausgeschlossen)
    • Bestimmung der Channeling-Richtung (Achse) in einer kristallinen Probe
  • RBS-Spektren in einer Channeling-Richtung
  • Zusätzliche PIXE-Spektren: Ein Röntgen-SDD-Detektor kann zur besseren Identifizierung von Elementen in der Probe oder zur Bestimmung von Konzentrationsverhältnissen für Elemente mit ähnlichem Atomnummer verwendet werden.
Foto: RBS Messkammer am VdG ©Copyright: Dr. Frans Munnik

RBS-Anlage am Van-de-Graaff Beschleuniger

Foto: Manipulator im RBS Messkammer am VdG ©Copyright: Dr. Frans Munnik

Manipulator für den Probenhalter in der RBS-Anlage


Proben

Probenanforderungen

  • Probengröße: Minimum 5x5 mm², maximal ~25 mm, optimal 10-15 mm
  • Probendicke: max. 7-8 mm, optimal ≤ 1 mm (Gesamtdicke bei Montage)
  • Geringe Rauheit und Porosität

Anwendungen

  • Erhöhte Energiedichte in epitaktischen SmCo5/Fe/SmCo5-–Dreischichten

Ziel: Dauermagnetschichten mit erhöhter Energiedichte sind von großem Interesse für Energieanwendungen als Motoren oder Generatoren in miniaturisierten Geräten. Multischichten ermöglichen eine bessere Kontrolle über Phasenarchitektur und Textur. SmCo5/Fe/SmCo5 ist eine vielversprechende Dreischicht für solche Geräte. In dieser Studie wurden die Auswirkungen der Fe-Schichtdicke auf die Eigenschaften des Films untersucht, wobei der Schwerpunkt auf der detaillierten Untersuchung der Multischicht-Architektur und der Dickenbestimmung lag.
Verfahren: Schichten mit Fe-Schichtdicken von 0 bis 21 nm wurden hergestellt durch UHV-gepulste Laserabscheidung auf einer Cr-Pufferschicht auf einem MgO-Substrat. Eine Cr-Deckschicht wurde ebenfalls abgeschieden. Die Stapelarchitektur wurde durch RBS (und EDX) verifiziert.

Foto: RBS Spektrum und Simulation einer SmCo/Fe/SmCo trilayer ©Copyright: Dr. Frans Munnik

RBS-Spektrum mit Simulation einer SmCo5/Fe/SmCo5-Dreischicht, die von zwei Cr-Schichten umschlossen wird, wobei die Oberflächenschicht oxidiert ist.

Ein Probenmodell einer Dreischicht mit nominal 12 nm Fe und einer mutmaßlichen FeCo-Interdiffusionszone zeigt eine gute Übereinstimmung zwischen experimentellen und simulierten Intensitäten für alle Elemente. Die Bildung der FeCo-Interdiffusionsschicht war wichtig für die Erklärung des unerwartet starken Anstiegs der magnetischen Remanenz.

S. Sawatzki, R. Heller, Ch. Mickel, M. Seifert, L. Schultz, and V. Neu
Largely enhanced energy density in epitaxial SmCo5/Fe/SmCo5 exchange spring trilayers
Journal of Applied Physics 109, 123922 (2011)


In-situ flüssig-RBS-Anlage am 2MV Van-de-Graaff Beschleuniger

Dieser Anlage ist speziell für Messungen an Flüssigkeiten oder zur Untersuchung der Grenzfläche zwischen Flüssigkeiten und einer festen Oberfläche konzipiert. Die zu untersuchende Flüssigkeit wird in eine Flüssigkeitszelle gegeben, die durch eine dünne Si3N4-Membran von dem Vakuumteil des Aufbaus getrennt ist, in dem sich der Detektor befindet und durch den der Ionenstrahl in die Zelle gelangt. Die Membran kann mit einem dünnen Film beschichtet werden, um verschiedene Fest-Flüssig-Grenzflächen zu untersuchen.

Foto: In-situ fluidic RBS setup ©Copyright: Dr. René Heller

Schematische Darstellung der in-situ Flüssig-RBS-Anlage

Foto: Ion beam in the liquid/gas cell filled with Ne gas in the in-situ liquid RBS setup ©Copyright: Dr. René Heller

Ionenstrahl in der mit Ne-Gas gefüllten Flüssigkeits-/Gaszelle in der In-situ Flüssig-RBS-Anlage


Für weitere Informationen siehe

Rev. Sci. Instrum. 90, 085107 (2019); doi: 10.1063/1.5100216

Proben

Proben sind ein integraler Bestandteil des Aufbaus und Messungen erfordern eine individuelle Planung.

  • Die Zellmembran kann mit einer dünnen Schicht beschichtet werden um die Fest-Flüssig-Wechselwirkung für dieses Material zu untersuchen.
  • Der Elektrolyt muss vom Benutzer bereitgestellt werden und kann im Kreislauf genutzt werden.

Für eine Diskussion der Mess- und Probenanforderungen wenden Sie sich bitte an R. Heller


Anwendungen

  • Untersuchung der Entstehungsdynamik der elektrischen Doppelschicht (EDL) an der Flüssigkeits-Festkörper-Grenzfläche

Ziel: Eine so genannte Doppelschicht aus angesammelten Ionen und orientierten Wassermolekülen bildet sich sobald ein Festkörper in engem Kontakt mit einer Flüssigkeit steht. Die Entstehungsdynamik und die Eigenschaften der EDL spielen in vielen Anwendungen eine Schlüsselrolle, aber viele Annahmen, die dem EDL-Modell zugrunde liegen, sind noch umstritten. Mit der Flüssig-RBS-Anlage konnte die Entstehungsdynamik der EDL in Echtzeit untersucht werden. Eine niedrigmolare BaCl2-Lösung und ein dünnes Si3N4-Fenster werden als Modellsystem verwendet, um die Bildung der EDL zu untersuchen. Die RBS-Ergebnisse zeigten die Dynamik der Ba-Adsorption auf dem Fenster für verschiedene pH-Werte.

Foto: RBS Spektrum von der flüssig Zelle gefüllt mit 1 mmol BaCl2 Losung. ©Copyright: Dr. René Heller

RBS-Spektrum von 1 mmol BaCl2-Lösung in der Flüssigzelle vor einem 500 nm Si3N4-Fenster, aufgenommen mit einem 1,7 MeV He-Strahl.

Nasrin B. Khojasteh, Sabine Apelt, Ute Bergmann, Stefan Facsko, and René Heller
Revealing the formation dynamics of the electric double layer by means of in-situ Rutherford backscattering spectrometry
Rev. Sci. Instrum. 90, 085107 (2019); doi: 10.1063/1.5100216

In einer weiteren Studie wurden diese Ergebnisse mit der elektrochemischen Impedanzspektroskopie (EIS) verglichen. Beide Methoden ergänzen sich, denn die RBS-Ergebnisse können zur Quantifizierung der Adsorptionsprozesse in der EDL verwendet werden, und die EIS-Spektren sind hilfreich bei der Identifizierung der Komponenten, die das Zeitverhalten der Grenzfläche bestimmen.
Ute Bergmann, Sabine Apelt, Nasrin B. Khojasteh, René Heller
Solid–liquid interface analysis with in-situ Rutherford backscattering and electrochemical impedance spectroscopy
Surf Interface Anal. 2020; 52:1111–1116; DOI: 10.1002/sia.6835


Multi-Detektor RBS-Anlage am 3MV Tandetron

Am 3MV Tandetron wurde eine Multi-Detektor-Anlage für hochempfindliche RBS-Messungen und Channeling-Mapping-Experimente installiert. Der Anlage besteht aus 80 Detektoren, die alle mit über eine speziell entwickelte und kompakte Elektronik ausgestattet sind. Die Detektoren sind in fünf Ringen angeordnet, wobei alle Detektoren in einem Ring den gleichen Streuwinkel haben, so dass die Spektren für jeden Ring addiert werden können.

Foto: Bild des Innerer des Messkammer des RBS-Igels ©Copyright: Dr. René Heller

Bild des Inneren der Multidetektorkammer

Foto: Multi-detektor Messplatz mit angebauten Vorverstärkern ©Copyright: Dr. René Heller

Multidetektoranlage mit angeschlossenem Vorverstärker


Probenanforderungen

  • Probengröße: Minimum 5x5 mm², maximal ~25 mm, optimal 10-15 mm
  • Probendicke: ≤ 1 mm (Gesamtdicke bei Montage)
  • Geringe Rauheit und Porosität

Anwendungen

  • Geringe oder sehr geringe Mengen mittelschwerer Elemente gemessen mit RBS
  • Geringe Mengen an leichten Elementen, gemessen mit resonanter RBS oder resonanter NRA (Nuclear Reaction Analysis), unter Verwendung von Resonanzen in den Querschnitten für Ionenstreuung bzw. Kernreaktionen.
  • Channeling-Karten, die die Intensität in Abhängigkeit von zwei Einfallswinkeln zeigen und Aufschluss über Kristallebenen geben, aus denen sich die Kristallstruktur ableiten lässt.