Strahlverschluss und Strahlhärter am Kernphysik-Messplatz (NP-IS.01)


Grundlagen

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Für Messungen zur Kernphysik an ELBE wird beim Auftreffen des Elektronenstrahls auf eine dünne (20 bis 100 μm) Metallfolie (Al, Ta, Au, etc.) hochenergetische elektromagnetische Strahlung erzeugt. Die elektromagnetische Bremsstrahlung erreicht durch einen Wanddurchbruch den Experimentierplatz in Raum 40/109, wobei polarisierte Photonen mittels eines Kollimators aus Reinstaluminium selektiert werden. Die Konzeption des Wanddruchbruches und des Kollimators sind in einem Artikel in Nucl. Instr. Meth beschrieben. Die vorgeschlagene Konzeption eines Strahlverschlusses und -härters soll zum einen eine genügende Abschirmung des Messplatzes in Raum 40/109 im Nicht-Experimentierbetrieb erreichen und zum anderen im Experimentierbetrieb eine wahlweise Verwendung unterschiedlicher Absorber zur Veränderung der spektralen Verteilung der Photonen ermöglichen.

Anforderung an den Strahlverschluss

Der Strahlverschluss soll ein Arbeiten am Messplatz in Raum 40/109 bei normalem Beschleunigerbetrieb ermöglichen. Hierzu soll die äquivalente Abschirmungwirkung der Betonmauer von 1.6 m Stärke gegenüber der Strahlung im Beschleunigerraum mittels eines dichteren Bleiabsorbers erreicht werden. Diese äquivalente Stärke kann aus den Abschwächungsfaktoren für thick-target bremsstrahlung bestimmt werden [1]. Dieser Abschwächfaktor hat für Normalbeton einer Dichte von 2.35 g cm-3 einen Wert von B = 3*10-4 bei einer Elektronenenergie von 20 MeV. Die gleiche Abschwächungswirkung wird bei Verwendung von Blei mit einer Dichte von 11.35 g cm-3 bei einer Stärke von 20 cm erreicht. Da diese Vorgabe aus Platz- und Gewichtsgründen nicht erreichbar ist, soll der Strahlverschluss eine Stärke von 10 cm Blei erreichen. Um bei den eingeschränkten Platzverhältnissen zwischen Dipolablenkmagneten und Beginn des Kollimators die Installation des Strahlverschlusses zu ermöglichen, soll ein Teil der Abschirmwand bis zu einer Tiefe von 25 cm und dreieckiger Grundfläche (siehe Skizze) entfernt werden.

Anforderung an die Photonenabsorber

Während des Experimentierbetriebes sollen Photonenabsorber unterschiedlicher Stärke in den Strahlengang eingebracht werden können, die die spektrale Verteilung des sekundären Photonenstrahls verändern. Um mit verschiedenen Elektronenstrahlenergien - und damit maximalen Photonenenergien - zu arbeiten, sollen die Absorber unterschiedliche Stärken besitzen und aus unterschiedlichen Materialien bestehen.

Im oberen Teil der Abbildung ist der Einfluss von Aluminiumabsorbern von 10 cm (grün) und 20 cm (blau) Stärke auf das ursprüngliche Photonenspektrum (rot) bei einer maximalen Photonenenergie von 9 MeV gezeigt. Die beiden Materialstärken entsprechen etwa einer, bzw. zwei, Strahlungslängen im Aluminium. Man beobachtet eine annähernde Energieunabhängigkeit des Photonenflusses, was für bestimmte Experimente von grosser Wichtigkeit ist. Im unteren Teil der Abbildung ist ebenfalls die Abnahme gestreuter Photonen (scattered) am Messplatz gezeigt. Diese spektralen Verteilung wurden durch eine Simulation des Messplatzes mit Hilfe des Programmpaketes GEANT [2] erzeugt.

Vakuumtechnische Anforderungen

Beim Übergang von der Magnetkammer des 45o-Grad Ablenkmagneten (cleaning magnet) zum Gehäuse des Strahlverschlusses wird die Dichtung des ISO-3669 Flansches (ConFlat; nähere Info's zu metallgedichteten Flanschverbindungen findet man hier: [3]) mit Nennweite 100 mm als Scheibe ausgeführt. Diese besteht im äusseren Teil aus einem Standard-Kupferdichtring und im inneren Teil aus einer vakuumdicht verlöteten Aluminiumfolie von 0.1 mm Stärke. Diese Folie trennt den UHV-Bereich des Beschleunigers vom Experimentbereich ab. Eine mögliche Quelle von Aluminium-UHV Flanschverbindungen könnte das Programm von ATLAS VACUUM TECHNOLOGY sein.
Trotz des geringen Durchmessers und der Länge des Kollimators wird in der Nähe der Vakuumkammer des Strahlverschlusses keine zusätzliche Vakuumpumpe zum Erreichen von Vorvakuumbedingen (um 10-3 mbar) benötigt. Die Vakkumverbindungen sind als elastomergedichtete Kleinflanschverbindungen ISO-K auszuführen.

Mechanisches Konzept

Die Kombination aus Strahlverschluss und Absorber muss eine fernsteuerbare und verlässliche Positionierung erlauben und mit dem Interlock-System des Beschleunigers verbunden sein. Für das mechanische Konzept wird eine motorgetriebene Positioniereinheit angenommen, die in einer Vakuumkammer bei Vorvakuumbedingungen (um 10-3 mbar) untergebracht ist. Diese Kammer wird Abmessungen von ca. 25 x 25 x 105 cm3 mit einem Volumen von ca. 65 Litern haben. Die vordere Wand der Kammer bildet den Deckel der Kammer und soll für eine gute Zugänglichkeit komplett entfernbar sein. Ein umlaufender O-Ring in Dichtungsnuten dient zur Vakuumdichtung. Auf diesen Deckel soll der Flansch zur Verbindung mit dem Strahlrohr geschweisst werden. Innerhalb dieser Kammer befinden sich vier Gewindestangen mit jeweils einem Kugelgewindetrieb, der das vertikale Positionieren von drei Tischen erlaubt. Die vier Kugelgewindestangen sind durch einen Zahnriemen miteinander verbunden und werden von einer zentralen Welle mit einer Vakuumdurchführung angetrieben (siehe Skizze). Auf jedem dieser Tische befindet sich jeweils ein Würfel aus Blei, Graphit und Reinstaluminium, mit einer Kantenlänge von je 10 cm. Diese Blöcke werden eine Masse von 11.5 kg (Pb), 2.5 kg (C) und 2.7 kg (Al) haben. Der Gewindetrieb muss also mindestens für eine Masse von 20 kg ausgelegt sein. Um möglichst gute Vakuumbedingen zu erreichen, werden die (Rollen-)Kugellager entfettet, sodass mit einer noch höheren mechanischen Belastung gerechnet werden muss. Als Antrieb der Positioniereinheit wird von der DMT-100 der Firma OWIS ausgegangen. Sie wird von einem 2-Phasen Schrittmotor angetrieben. Die Positioniereinheit kann sowohl im Vakuum als auch ausserhalb des Vakuums betrieben werden, wobei dann eine Vakuumdurchführung der Antriebswelle verwendet werden muss. Um eine geringe Aktivierung des Materials zu erreichen werden die Vakuumflansche und der Vakuumbehälter möglichst aus Aluminium, bzw. austenitischem Stahl mit geringem Buntmetallgehalt gefertigt (V2A DIN 1.4306).

Sicherheitssystem

Der Antrieb des Strahlverschlusses muss in das Interlock-System des Beschleunigers integriert werden. Hierbei sollen die folgenden Betriebszustände möglich sein:

Tür 40/109 Verschluss Injektor
auf auf aus
auf zu ein
zu auf ein
zu zu ein

Aus diesem Grund muss entweder die Steuerung des Schrittmotors des Antriebes ständig die Information über den Betriebszustand des Verschlusses bereitstellen, oder es muss ein Kontaktschalter im Inneren der Kammer angebracht sein, der den Verschluss des Kollimators angibt.


Referenzen

[1] W.P.Swanson: Radiological Safety Aspects of the Operation of Electron Linear Accelerators. IAEA Report Series No. 188 (1979)

[2] GEANT Detector Description and Simulation Tool, CERN Application Software Group, Geneva

[3] Vakuum - Lexikon, WILEY-VCH, Weinheim.