Forschung in der Radiochemie: Reaktiver Transport von Actiniden

Die modell-theoretische und experimentelle Charakterisierung der Freisetzung, Ausbreitung und Immobilisierung von Radionukliden ist eine wichtige Voraussetzung für belastbare Prognoserechnungen zum langfristigen Migrationsverhalten von Actiniden / Radionukliden. Sowohl für die Konzipierung von nuklearen Zwischen- und Endlagern als auch die Entwicklung von Sanierungsstrategien für radioaktiv kontaminierte Gebiete (Altlasten des Uranerzbergbaus oder in Folge von Unfällen mit Freisetzung von Radioaktivität) sind noch keine hinreichend geeigneten Werkzeuge verfügbar. Dies ist vorrangig der Komplexität des Themas geschuldet, wobei sowohl die gesättigte als auch die ungesättigte Zone betrachtet werden müssen. Dies muss zwangsläufig sowohl radiochemische als auch Transportexperimente und darauf aufbauend die Entwicklung validierter Modelle und Datensätze einschließen und letztlich zuverlässige Prognosen zum Transport von Radionukliden zulassen. Der internationale Stand von Wissenschaft und Technik ist derart einzuschätzen, dass es Defizite bei der Modellbeschreibung wichtiger, den Radionuklid-Transport bestimmender Phänomene gibt. Das gilt auch für die Qualität der nötigen thermodynamischen Datenbanken und insbesondere für das Verständnis kinetischer Prozesse. Die deshalb bestehenden Aussageunsicherheiten von Vorhersagerechnungen über lange, z.T. extrem lange Zeiträume können künftig nur durch ein integriertes, abgestimmtes Netzwerk von der Datengewinnung bis zur Risikoabschätzung vermieden werden.

Der methodische Forschungsansatz besteht in einer Zergliederung des komplexen Radionuklidtransports in alle relevanten physiko-chemischen Teilprozesse, d. h. diese und ihre Wechselwirkungen sind zu identifizieren und zu charakterisieren. Das umfasst insbesondere den Quellterm der Radionuklidfreisetzung, die auf den Transportwegen ablaufenden chemischen Reaktionen (Komplexierungen, Fällung und Auflösung, Sorption, Kolloidbildung, Redoxreaktionen etc.) sowie die Art des Transports (Konvektion, Dispersion, Diffusion) und mögliche Skaleneffekte. Säulen- und Batchversuche sowie Diffusionsexperimente dienen der Charakterisierung dieser Prozesse und der Gewinnung konsistenter experimenteller Daten. Alle Prozesse sind durch adäquate Modellgleichungen zu beschreiben, welche in ein Gesamtmodell eingebunden werden können. Dazu sind theoretische Modelle zu entwickeln und in reaktive Transportcodes einzubauen. Dieser Ansatz führt zu einer höheren Genauigkeit der Prognosen über die Radionuklidausbreitung und die damit verbundenen Risiken. Verbleibende Unsicherheiten sind durch fundierte Sensitivitätsanalysen zu charakterisieren. Nur so ist eine bessere öffentliche Akzeptanz von Prognosen und der darauf basierenden Maßnahmen zu erreichen.

Das Forschungsvorhaben zielt auf die Schaffung eines kombinierten thermodynamischen / kinetischen Ansatzes für die Migrationsmodellierung von Actiniden / Radionukliden ab. Wichtige Bestandteile sind die entsprechenden thermodynamischen Datenbasen, die Bereitstellung von Software für die gekoppelte Transportmodellierung sowie Experimente zur Bestimmung von kinetischen, Löslichkeits-, Transport- und Sorptionsparametern in Abhängigkeit vom geochemischen Milieu. Das Vorhaben ist eng verknüpft mit den anderen FE-Vorhaben des Programms Umwelt und Sicherheit und bündelt die Kenntnisse und Fertigkeiten, insbesondere zur Transportmodellierung im Institut für Sicherheitsforschung und zur geochemischen Speziation (Experiment und Modellierung) sowie Sorption im Institut für Radiochemie.

Mittelfristige Aufgaben und Leistungsziele

Mittelfristige Ziele sind die Entwicklung verbesserter Programme zur Gewinnung thermodynamischer Daten aus Sorptionsexperimenten, der Aufbau von zentral gepflegten, thermodynamischen Datenbanken, sowie der Einbau von Oberflächenkomplexierungsmodellen und Reaktionskinetiken in moderne reaktive Transportcodes (z.B. in POLLUTRANS). Die jeweiligen Datenbasen sind durch experimentelle Arbeiten zu ergänzen und zu verifizieren. Gestützt auf die experimentellen Daten, erzielt auch in Säulenversuchen, erfolgt eine deterministische Modellierung der Migration mittels reaktiver Transportmodelle. Bei der angestrebten Maßstabs-vergrößerung wird durch die Einbeziehung stochastischer Ansätze die Heterogenität der Parameterverteilung berücksichtigt. Begleitende Sensitivitätsanalysen sollen erste Aussagen zur Belastbarkeit der Datenbasen liefern und die empfindlichsten Parameter herausfiltern.