_TITEL . DRESDEN-concept: Allianz für Spitzenforschung

_TEXT . Anja Bartho


Maßgeschneiderte Magnetfelder für perfekte Gussteile


FZD JOURNAL 04 . August 2009

Strömungen in leitfähigen Flüssigkeiten treten in der Metallurgie, bei Gießprozessen, der Kristallzüchtung oder Elektrochemie auf. Wissenschaftler eines Sonderforschungsbereiches können diese Strömungen gezielt durch Magnetfelder beeinflussen. In drei eng miteinander kooperierenden Teilprojekten wollen Dresdner und Freiberger Wissenschaftler speziell die Qualität von Leichtmetallgussteilen verbessern.

Besonders in der Automobil- und Luftfahrtbranche sind heute immer größere, dünnere und komplexere Bauteile gefragt, ohne Abstriche bei der Qualität dieser Teile machen zu dürfen. So müssen die Komponenten natürlich extrem bruchfest sein. Wie widerstandsfähig ein Bauteil gegenüber Rissen und Brüchen ist, liegt an der Gefügestruktur des Materials. Diese kann man durch Magnetfelder gezielt beeinflussen, meinen Wissenschaftler aus Dresden und Freiberg und untersuchen in einem gemeinsamen Projekt, wie man Gussteile aus Leichtmetall- Legierungen optimieren kann. Das Vorhaben ist eines von 23 Teilprojekten, die derzeit im Dresdner Sonderforschungsbereich (SFB) 609 "Elektromagnetische Strömungsbeeinflussung in Metallurgie, Kristallzüchtung und Elektrochemie" bearbeitet werden. Damit fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Grundlagenforschung zur magnetischen Kontrolle von Strömungen.

Erfolg durch Kooperation

Dass man die Qualität von Gussteilen durch Magnetfelder im Prinzip beeinflussen kann, ist bekannt und wird auch bereits genutzt. "Allerdings werden die Magnetfelder noch nicht kontrolliert angewendet, im Extremfall können bei unsachgemäßer Anwendung sogar gegenläufige Effekte hervorgerufen werden", sagt Dr. Gunter Gerbeth vom Forschungszentrum Dresden-Rossendorf. Die Forscher wissen, worauf es bei Gussteilen ankommt: "Der Prozess der Erstarrung spielt bei der Herstellung der Komponenten eine entscheidende Rolle", erklärt FZD-Mitarbeiter und Projektleiter Dr. Sven Eckert. Wissenschaftler des Forschungszentrums haben mit Partnern der Technischen Universität Dresden, dem Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden sowie der TU Bergakademie Freiberg den Sonderforschungsbereich im Jahr 2002 aus der Taufe gehoben. Seitdem wird auch der Projektbereich zur magnetischen Kontrolle bei der Erstarrung von Gussteilen gefördert.

Ob ein Gussteil eine gute oder schlechte Qualität aufweist, liegt in der Gefügestruktur des Materials verborgen. Sie entsteht, wenn sich die Schmelze eines kristallinen Stoffes - wie Metalle oder metallische Legierungen es sind - abkühlt und erstarrt. In der Schmelze entwickeln sich Keime und bilden Kristalle aus, meist in Form sogenannter Dendriten - winzige verzweigte, tannenbaumähnliche Strukturen, die solange weiterwachsen, bis sie an die Grenzen benachbarter Kristalle stoßen. Im Fachjargon spricht man dabei auch von Körnern, deren Abmessungen sich zwischen rund 100 Mikrometern bis zu einigen Millimetern bewegen. Größere Körner sind demnach schon mit dem Auge sichtbar. Optimal für die Gefügestruktur sind viele kleine Körner - wegen ihrer Tendenz zur Kugelform oft als Globuliten bezeichnet -, da sie das Risiko für die Entstehung und die Ausbreitung von Rissen verringern, die sich im Material immer entlang der Korngrenzen fortpflanzen.

Gerührt, nicht geschüttelt

Um eine optimale Gefügestruktur zu erzielen, bringen die Wissenschaftler die Schmelze in Bewegung, bevor sie erstarrt. "Wir haben nachgewiesen, dass man mit effizienten Rührstrategien das Gefüge in weiten Bereichen einstellen kann", sagt Sven Eckert. Kontaktloses oder elektromagnetisches Rühren wird die Methode genannt, mit der man durch Magnetfelder verschiedenartige Strömungen hervorruft. Eine ständige Bewegung der Schmelze an der Erstarrungsfront führt zu einer guten thermischen und stofflichen Durchmischung und verhindert, dass zu große Körner im Material entstehen. Art, Zeitverlauf und Intensität der Magnetfelder sind dabei die Rädchen, an denen die Wissenschaftler drehen können. Sie haben sich bereits zwei konkrete Verfahren patentieren lassen. Mit Blick auf den industriellen Einsatz ist es dabei wichtig, möglichst effiziente Verfahren zu etablieren und die magnetische Feldstärke so gering wie möglich zu halten.

 

Zinn-Blei-Legierung mit und ohne elektromagnetische Beeinflussung

Die großen, stengelförmigen Dendriten (li.) im Gefüge einer Zinn-Blei-Legierung zeigen, dass das Material ohne elektromagnetische Beeinflussung erstarrt wurde. Die kleineren, globulitischen Kristallite in der gleichen Legierung sind dagegen unter Einwirkung eines rotierenden Magnetfeldes entstanden (re.).

 

Hand in Hand

Die Rossendorfer Wissenschaftler arbeiten bei dem Projekt eng mit Kollegen an der TU Dresden und der TU Bergakademie Freiberg zusammen. Während am FZD die notwendige Ausrüstung für die Modellexperimente zur Verfügung steht, führen Wissenschaftler am Lehrstuhl für Magnetofluiddynamik der TU Dresden die numerischen Berechnungen durch. Am Freiberger Gießerei-Institut werden die neu entwickelten Verfahren auf ihre Tauglichkeit in realen, industriellen Anwendungen untersucht. Projektleiter Sven Eckert ist sich sicher, dass Gussteile mit verbesserten Eigenschaften eine ganze Reihe neuer Anwendungen und Märkte erschließen können. "Es ist vorstellbar, dass man in Zukunft bei der Herstellung Material sparen und dünnere Bauteile bei gleichbleibenden Festigkeitseigenschaften herstellen kann", so der Wissenschaftler. Demnächst wollen er und seine Kollegen das kontaktlose elektromagnetische Rühren beim Stranggießen von Stahl anwenden. Erst kürzlich haben die Wissenschaftler am FZD eine Experimentieranlage in Betrieb genommen, mit der man den Stahlguss an einem Flüssigmetall- Kreislauf in einem realitätsnahen Maßstab weltweit das erste Mal simulieren kann.

 


_KONTAKT

Institut für Sicherheitsforschung im FZD
Dr. Sven Eckert
s.eckert@hzdr.de