Ionenstrahlphysik hilft bei der Analyse von Unikaten

Dresden, 02. April 2003. Christian Neelmeijer ist derzeit wohl einer der bekanntesten Wissenschaftler vom Forschungszentrum Rossendorf, denn er führte erst vor kurzem die in den Medien vielbeachteten Materialuntersuchungen an der "Himmelsscheibe von Nebra" durch, einem Schlüsselfund für die europäische Vorgeschichte.
Messungen und Datenaufbereitung sind erst einmal abgeschlossen, die Ergebnisse harren der Veröffentlichung durch das Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt.

Auf der Hannover Messe vom 7. bis 12. April stellt Physiker Neelmeijer in der Messehalle 18 am Stand 16 seine besondere Untersuchungsmethodik vor, die zerstörungsfrei, ohne Probenahme und an Luft für die Himmelsscheibe von Nebra ebenso funktioniert wie für einmalige Kunstwerke und für teuere Spezialteile aus der Industrie. Die Arbeitsgruppe von Christian Neelmeijer hat sich auf Materialanalysen an Unikaten mit Hilfe von Ionenstrahlen spezialisiert und ist für diese Art der zerstörungsfreien Untersuchung einer von nur zwei deutschen Anbietern.

Neelmeijer arbeitet im Ionenstrahlzentrum des FZR, das mit modernster Messtechnik ausgestattet ist. In seinem Labor trifft ein Strahl energiereicher Wasserstoff-Ionen (Protonen) von etwa einem Millimeter Durchmesser auf das zu untersuchende Objekt und schaut in dessen Inneres, ohne sichtbare Veränderungen zu hinterlassen. Protonen eignen sich besonders für die anspruchsvollen Untersuchungen, weil sie aus dem Vakuum in normale Atmosphäre ausgeführt werden können. Beim Auftreffen der Protonen auf die Oberfläche des Unikats werden seine Materialbestandteile zu eigener Strahlung, z. B. Röntgenstrahlung, angeregt. Jedes chemische Element sendet dabei seine eigenen, ihm charakteristischen Informationen aus. Werden diese durch spezielle Detektoren gemessen, lässt sich die chemische Zusammensetzung des Untersuchungsobjektes bestimmen. Durch Variation der Energie der Protonen können zudem unterschiedliche Tiefen im Material erreicht und untersucht werden.

Die Protonenstrahlanalyse liefert Daten, die der Auftraggeber in enger Kooperation mit dem Physiker entschlüsseln kann. Denkt man an die Untersuchung von barocken Glaspokalen aus der Zeit August des Starken, so hilft das Untersuchungsergebnis bei der richtigen Behandlung und Aufbewahrung der Unikate.
"Glas bestimmter Zusammensetzung rostet ähnlich wie Metall...", erläutert Neelmeijer, "...wenn man das mit bloßem Auge sieht, ist es dann schon ziemlich spät". Bei einer Farbanalyse gibt Neelmeijer Beispiele für Protonenstrahlen als Detektive: "Wenn ich heute ein Grün betrachte und ich finde dort Chrom, dann ist es also ein Chromoxydgrün. Und dieses Chromoxydgrün gab es vor dem Jahr 1800 überhaupt noch nicht." An technischen Spezialteilen sind Zustandsprüfungen nach wiederholten, Verändrungen und Verschleiß verursachenden Einsätzen von Interesse."Auch Unikate der optischen Industrie wie große Hohlspiegel wären mögliche Untersuchungsobjekte, die mehrschichtige und kostenintensive Oberflächenvergütungen durchlaufen und zwischenzeitlich analytischer Begutachtung bedürfen", regt Neelmeijer an.

Fachauskünfte: Dr. Christian Neelmeijer, Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung, Tel.: 0351 260 - 3254


Fotographie: Jeibmann, Dresden

Information:

Im Forschungszentrum Rossendorf (FZR) wird moderne Wissenschaft vom naturwissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt bis zur Vorbereitung für die technologisch-wirtschaftliche Anwendung betrieben. Im Mittelpunkt des Forschungsprogramms stehen Arbeiten zur Struktur der Materie, zu den Lebenswissenschaften sowie zu Umwelt und Sicherheit. Dazu werden die 5 Großgeräte betrieben, die auch anderen nationalen und internationalen Nutzern-Universitäten, Forschungsinstitutionen, Unternehmen der Wirtschaft-zur Verfügung gestellt werden. Eines der Geräte befindet sich in Grenoble/Frankreich, das sechstes Großgerät, das Hochfeldlabor Dresden, wird derzeit aufgebaut.
Das FZR ist mit ca. 600 Mitarbeitern das größte Institut der Leibniz-Gemeinschaft (www.wgl.de) und verfügt über ein jährliches Budget von knapp 60 Mill. Euro. Davon stammen 7,5 Mill. Euro aus nationalen und europäischen Förderprojekten sowie aus Verträgen mit der Industrie. Die insgesamt 80 Leibniz-Institute in Deutschland betreiben anwendungsorientierte Grundlagenforschung im gesamtstaatlichen Interesse und werden deshalb von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.

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