Kontakt

Prof. Dr. Thorsten Stumpf

Direktor Institut für Ressourcenöko­logie
t.stumpf@hzdr.de
Tel.: +49 351 260 3210

Institut für Ressourcenökologie

Forschungsthemen

Foto: Forschung am IRE von Mikro- zur Makroskalierung ©Copyright: Dr. Katharina Müller

Forschung zum Schutz von Mensch und Umwelt vor den Auswirkungen radioaktiver Strahlung

Reaktorsicherheit

Mit der Beendigung der Nutzung der Kernenergie für die Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2022 werden sich die Arbeiten im Bereich Reaktorsicherheit (wie auch im aktuellen Energieforschungsprogramm der Bundesregierung gefordert) vollständig auf internationale Sicherheitsaspekte konzentrieren. Das übergeordnete Ziel des Themas besteht darin, einer validierten Wissensbasis zu schaffen, die die Sicherheitsbewertung von international betriebenen Leichtwasserreaktoren der Generationen II und III sowie der in Entwicklung befindlichen innovativen Reaktorkonzepte (z. B. SFR - sodium cooled fast reactor, SMR - small modular reactors) ermöglicht. Die Arbeiten konzentrieren sich dabei auf die Entwicklung von modernen Programmsystemen zur Reaktorphysik (3D-Neutronenkinetik gekoppelt mit Thermohydraulik sowie Reaktordosimetrie) und die Erforschung des Verhaltens von Konstruktionswerkstoffen unter reaktortypischen Bedingungen.

Im Bereich der Reaktorphysik/Reaktordynamik werden neue Methoden der Sicherheitsanalyse entwickelt, die in der Lage sind, die Rechengenauigkeit und die räumlich/zeitliche Auflösung auf ein qualitativ neues Niveau zu bringen. Das Ziel ist die Bereitstellung eines validierten Werkzeugs zur Sicherheitsanalyse von herkömmlichen und innovativen Reaktoren unter Einsatz von Multi-Physik-Ansätzen, die eine hochaufgelöste Neutronenkinetik mit modernsten Computational Fluid Dynamics (CFD) Methoden und Berechnungen des Brennstabverhaltens koppeln. Bei diesen Arbeiten kooperieren wir eng mit dem Institut für Fluiddynamik und nutzen speziell die dort vorhandene große Expertise in der Entwicklung von CFD-Methoden. Zusätzlich sind unsere Arbeiten sowohl durch die Nutzung des HZDR Rechenclusters als auch durch gemeinsame methodische Entwicklungen (u. a. im Doktorandenaustausch) eng mit der ZA Informationsdienste und Computing verbunden.

Im Bereich Materialforschung liegt der Fokus auf dem Bestrahlungsverhalten von Reaktordruckbehälterstählen und innovativer, in Entwicklung befindlicher, Werkstoffe. Die am Standort verfügbaren Infrastrukturen, insbesondere die Heißen Zellen und das Ionenstrahlzentrum (IBC), stellen die Grundlagen für gegenwärtige und zukünftige Arbeiten dar. Komplementäre Verfahren zur Charakterisierung der Nano- und Mikrostruktur und der mechanischen Eigenschaften werden genutzt, um Zusammenhänge zwischen Nanometer-skaligen Strahlendefekten und makroskopischen Eigenschaftsänderungen zu erforschen. Schwerpunkte der künftigen (über die POF-IV hinausgehenden) Entwicklung sind die Erweiterung des Methodenspektrums (APT - atom probe tomography als komplementäre Methode zum vorhandenen Portfolio) sowie die Konzentration auf neue Materialklassen (HEA - high entropy alloys). HEAs stehen seit kurzem im internationalen Fokus der materialwissenschaftlichen Untersuchung und sind aussichtsreiche Kandidaten für die Anwendung in innovativen Reaktorsystemen.

Foto: Sicherheit von Kernreaktoren - Abteilung Reaktorsicherheit (FWOR) ©Copyright: Dr. Sören Kliem

Endlagerung radioaktiver Abfälle

Die sichere Entsorgung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle und damit verbunden der Nachweis der langfristigen Sicherheit eines geologischen Endlagers für bis zu einer Million Jahre ist eine der großen wissenschaftlich-technischen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Das Standortauswahlgesetz in Deutschland sieht vor, dass Endlagerungskonzepte in verschiedenen Wirtsgesteinsformationen (Steinsalz, Kristallin- und Tongestein) mit dem Ziel bestmöglicher Sicherheit vergleichend untersucht werden - ein weltweit einmaliges Herangehen.

Wesentliches Ziel unserer Forschung ist ein umfassendes Verständnis relevanter physikalischer, -chemischer, und -biologischer Prozesse (inkl. ihrer Kopplungen). Damit können realitätsnahe Modelle auch für komplexe Systeme entwickelt, parametrisiert und Unsicherheiten quantifiziert werden. Dies wiederum ist Grundlage der Langzeit-Sicherheitsanalyse von Endlagersystemen und geht weit über die bisher angewandten konservativen und vereinfachten Perspektiven hinaus. Gemeinsam mit unseren Partnern in der Helmholtz-Gemeinschaft werden Prozesse mit zeitlicher und räumlicher Variation (letztere von der Nanometer-Skala bis zum regionalen Maßstab) berücksichtigt. Zur Validierung von Prozessmodellen und Parametrisierungen unter realistischen Randbedingungen dienen dabei die aktive Beteiligung an internationalen experimentellen Programmen im Untergrundlabor Mt. Terri (Schweiz, Opalinuston) und z.T. im Felslabor Grimsel (Schweiz, Kristallin) sowie zukünftig die Möglichkeiten im neuen Radiotechnikum (HOVER).

Forschungsbedarf besteht zur Speziationschemie der Actinide und Spaltprodukte in homogenen Lösungen und in Feststoffen sowie an Wasser-Mineral- und Wasser-Biota-Grenzflächen. Herausfordernd, auch zukünftig, sind dabei Tracer-Konzentrationen, hohe pH-Werte, Salinitäten und Temperaturen. Für die Charakterisierung von Retardationsprozessen werden Verteilungskoeffizienten an verschiedenen Gesteinen und Mineralen experimentell bestimmt, bewertet und in Modellierungen zur Schadstoffmigration einbezogen. Bei der Untersuchung der Wechselwirkung von komplexen porösen Festkörpern mit Fluiden wird u. a. der Einfluss von Materialheterogenitäten vom Nano- bis Zentimeterbereich berücksichtigt, das geplante Radiotechnikum wird die Erweiterung bis in den Meterbereich erlauben. Die am IRE unikalen Kontrollbereiche und die enge Verzahnung von theoretischen und experimentellen Arbeiten, insbesondere von nicht-invasiven, hochauflösenden spektroskopischen (Röntgenabsorption, Laser-induzierte Fluoreszenz, Infrarot, Raman und kernmagnetische Resonanz), diffraktometrischen und mikroskopischen Methoden (Licht- und Elektronenmikroskopie) sind dafür essentiell, ebenso wie verschiedene radioanalytische Verfahren. Für realistischere Prognosen zur Schadstoffmigration werden reaktive Transportmodelle weiterentwickelt, ein Schwerpunkt ist hier die Variabilität der Oberflächenreaktivität. Neben ortsaufgelösten Datensätzen mit der Herausforderung der systematischen Analyse großer Datenvolumina sind Verbesserungen in Numerik und Codes erforderlich. Alle diese Ergebnisse fließen in die Modellierung thermodynamischer Gleichgewichte für den reaktiven Transport ein und werden in Datenbanken (THEREDA, RES³T) international verfügbar gemacht.

Ein weiterer Forschungsaspekt ist die Identifizierung und Quantifizierung des Einflusses biologischer Prozesse auf die Endlagersicherheit. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Bestimmung der dort lebenden biologischen Gemeinschaften und ihrer Stoffwechselnetzwerke sowie deren Auswirkungen auf die Integrität des Behälter- und Barrierematerials und des Wirtsgesteins. Wichtige Teilprozesse sind dabei die direkte Wechselwirkung von Radionukliden mit Mikroorganismen, Korrosions- und Gasbildungsprozesse, und wiederum die Oberflächenreaktivität. Diese Untersuchungen, die zukünftig für alle potentiellen Wirtsgesteine und Verfüllmaterialien durchzuführen sind, sind darüber hinaus auch von großer Relevanz für die mikrobielle Materialzerstörung.

Viele Arbeiten zur Endlagersicherheit profitieren direkt von der Grundlagenforschung und strahlen selbst wiederum in Thematiken der Radioökologie aus. Ein Beispiel ist die anvisierte Anwendung des smart-KD Ansatzes auf den Schadstofftransfer in Böden und Pflanzen.

Foto: Forschung am IRE von Mikro- zur Makroskalierung ©Copyright: Dr. Katharina Müller

Radioökologie

Neben Fragen der sicheren Endlagerung und der sicheren technischen Nutzung von Kernbrennstoffen ist die Aufklärung des Verhaltens von natürlich vorkommenden und anthropogen freigesetzten Radionukliden in der Umwelt eine für die Gesellschaft wichtige Aufgabe. Ein zentrales Ziel der Forschung am IRE ist es deshalb, die grundlegenden molekularen Prozesse der Wechselwirkung von Radionukliden mit der Geo- und Biosphäre umfassend aufzuklären und somit zum Schutz von Mensch und Umwelt vor den Auswirkungen radioaktiver Strahlung beizutragen. Von der (bio)molekularen Ebene bis zu vollständigen Organismen und deren Lebensgemeinschaften werden dabei alle Größen- und Komplexitätsskalen berücksichtigt. Damit wird die wissenschaftliche Grundlage geschaffen, eine Strahlenexposition zu minimieren und wirksame Maßnahmen zur Verhinderung des Radionuklidtransfers in die Nahrungskette und damit die Aufnahme durch den Menschen zu entwickeln. Mit einem so generierten molekularen Prozessverständnis ergeben sich vielfältige Kooperationsmöglichkeiten innerhalb des HZDR und vor allem mit dem Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung (Strahlenforschung, Radioökologie) sowie dem Institut für Ressourcentechnologie (Biotechnologie).

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Implementierung biologischer Prozesse in bestehende reaktive Transportmodelle. Hierzu sollen komplexe Stoffwechselprozesse ganzer Lebensgemeinschaften umfassend aufgeklärt, Schlüsselprozesse identifiziert und parametrisiert werden. Ziel ist es, darauf aufbauend numerische Vorhersageverfahren für den Radionuklidtransport aus einem Endlager und in verschiedenen Umweltkompartimenten unter Berücksichtigung biologischer Prozesse, wie z. B. von Modifikationen mineralischer Grenzflächen, zu entwickeln.

Zur Erreichung dieser ambitionierten radioökologischen Ziele wird eine einzigartige Kontrollbereichs­infrastruktur genutzt, in der ein Umgang sowohl mit radioaktivem Material als auch mit gentechnisch veränderten Organismen möglich ist. Radioökologische Forschungsthemen werden gegenwärtig durch Kombination modernster molekularbiologischer, mikroskopischer, spektroskopischer sowie biophysikalischer Methoden bearbeitet. Die außerdem am HZDR etablierte Expertise zur Erzeugung intensiver THz-Strahlung ermöglicht die Erforschung von Hydratschichten und Hydrathüllen, die das Verhalten von Radionukliden und Biomolekülen an Grenzflächen entscheidend bestimmen. Das IRE ist hier führend im institutsübergreifenden Aufbau interdisziplinärer Forschung mit THz-Strahlung im Bereich der Chemie der f-Elemente und der Biophysik.

Grundlegende Actinidenchemie

Die Actiniden und insbesondere die Transuranelemente Np, Pu und Am bestimmen die Radiotoxizität von abgebranntem Kernbrennstoff über mehrere hunderttausend Jahre. Ein grundlegendes Verständnis ihres chemischen Verhaltens ist somit für den Sicherheitsnachweis eines potentiellen Endlagers unerlässlich. Gleichzeitig ist das Verhalten gerade dieser Elemente wenig untersucht und selbst grundlegende chemische und physikalische Eigenschaften sind oft nur unzureichend verstanden.

Die Forschung des IRE, als eine der ganz wenigen Einrichtungen in Deutschland mit der Möglichkeit in verschiedenen Kontrollbereichen mit wägbaren Mengen von Transuranen zu arbeiten, zielt daher auf das Verständnis der Bindungseigenschaften dieser Elemente mit verschiedenen Liganden auf elektronischer Ebene. Darüber hinaus stehen fundamentale Reaktionen in Lösung wie die Solvatation und Hydrolyse, aber auch die Redoxchemie – insbesondere des Plutoniums – in Lösung sowie an Grenzflächen im Mittelpunkt unserer Arbeiten, um mechanistisches Verständnis sowie thermodynamische Quantifizierung zu erreichen. Ebenfalls besonders für Pu relevant ist die Bildung von Nanopartikeln, so genannten Eigenkolloiden, die seine Chemie in allen wässrigen Systemen erheblich mitbestimmen. Voraussetzung für solche grundlegenden Untersuchungen ist die Anwendung von modernen Methoden zur Strukturaufklärung im Festkörper [SC-/P-XRD, (HR-)XAS, IR] wie in Lösung [NMR, EPR, (HR-)XAS, IR, UV/vis, TRLFS] in den Kontrollbereichen des IRE. Diese grundlegende Forschung soll zukünftig ausgebaut werden, um relevante Wissenslücken im Verhalten der Actiniden schließen zu können.

Die genannten experimentellen Ansätze werden durch Methoden der Theoretischen Chemie komplementiert, die im Bereich der Actinidenchemie oftmals erst entwickelt werden müssen. In diesem Kontext wird die inhaltliche Einbindung der Professur für Theoretische Chemie an der TU Dresden in das Institut ausgebaut. Diese grundlegenden Untersuchungen sind eine Voraussetzung für die sinnvolle Interpretation der angewandten Forschung des IRE.