Bakterien in Uranabfallhalden und ihre Wechselwirkung mit Uran


Bakterien sind die am häufigsten vorkommenden Organismen in der Biosphäre.

Sie sind im Wasser und in Böden nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in den Tiefen der Erdkruste zu finden. Sie besiedeln Nischen, in denen es für Pflanzen, Tiere und Insekten unmöglich ist zu leben, wie z. B. heiße Quellen, das antarktische Eis, alkalische Seen, saure Flüssigkeiten, Salzseen, Wüsten usw. Bakterien können ebenso in Umgebungen leben, die mit Radionukliden und Schwermetallen kontaminiert sind. Es konnte gezeigt werden, dass das Ausmaß der Kontamination, selbst in stark verseuchten Böden oder Wasserproben, keinen deutlich negativen Effekt auf die Bakterien hat, die in diesen Bereichen natürlich vorkommen. Mehr noch, viele Bakterienarten sind involviert in:

Biotransformationsprozesse von giftigen Metallen:

Einige Bakterien sind in der Lage, durch Oxidation elementare Metalle oder Metallsulfide in eine lösliche Form zu überführen. Andere Arten sind im Gegensatz dazu an der Reduktion und Präzipitation einiger Radionuklide, wie z. B. Uran, beteiligt. Ebenso sind viele Bakterien in der Lage, Uran, Kobalt, Molybdän, Blei, Quecksilber, Kupfer, Mangan, Aluminium, Cadmium, Gallium, Barium und andere giftige Metalle biologisch in unterschiedlichem Maße zu akkumulieren und diese aus den kontaminierten Umgebungen herauszutransportieren. Ein großer Teil der hochgradig mit Schwermetallen und Radionukliden belasteten Gebieten in Europa wurden durch Uranbergbau und Uranproduktion verursacht. Diese gefährdenden Abfälle stellen eines der größten Umweltprobleme der Gegenwart dar. In vielen europäischen Staaten (z. B. Spanien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Tschechien, Rumänien, Bulgarien, Russland, Ukraine, Polen) wurde oder wird noch Uranbergbau intensiv betrieben. Auf den Uranabfallhalden dieser Länder gibt es Böden, Wässer und Sedimente, die mit Uran und anderen gesundheitsgefährdenden Metallen wie Selen, Molybdän, Arsen, Cadmium, Chrom, Quecksilber, Blei, Kupfer, Nickel, Zink usw. kontaminiert sind. Orte, an denen die Gewinnung des Urans aus dem Erz betrieben wurde (sogenannte Absetzbecken), können ebenso deutliche Mengen an Thorium, Radium und Polonium aufweisen.

Wie können mit Schwermetallen belastete Umgebungen saniert werden?

Zu den konventionellen chemischen und physikalischen Methoden der Wiedergewinnung von gelösten Schwermetallen gehören chemische Präzipitation, chemische Oxidation und Reduktion, Ionenaustausch und Filtration. Diese Verfahren sind sehr teuer. Sie dürften auch bei der Anwendung zur Dekontamination von uranhaltigen Abfällen unter natürlichen Bedingungen uneffektiv sein, insbesondere, da diese Abfälle sehr komplex zusammengesetzt sind. Die komplizierten biotischen und abiotischen Umweltfaktoren sind aber nicht der limitierende Faktor für die Aktivität des natürlichen bakteriellen Lebens in diesen Umgebungen. Die Bakterien haben sich sehr gut den Umgebungsbedingungen angepasst.

Die Entwicklung angemessen billiger und effektiver, auf Bakterien basierender, Techniken zur Rückgewinnung von Metallen aus belasteten Abflüssen, Abwässern, Sedimenten und Böden erfordert eine intensive Analyse der Zusammensetzungen und der Aktivitäten von natürlichen Bakteriengemeinschaften in den kontaminierten Abfällen. Es muss geklärtweren, um welche Bakterien es sich handelt, die hier, hervorragend angepasst, effektiv "arbeiten". Andererseits ist es von Bedeutung, die biologischen Mechanismen der mikrobiellen Akkumulation und Reduktion von Schwermetallen zu untersuchen, bei denen diese Bakterien die "Dekontaminationsarbeit" leisten. Es ist von besonderem Interesse, herauszufinden, welche Gene in die Expression und die Kontrolle solcher Vorgänge involviert sind. Letzteres besitzt große Bedeutung, weil damit den Wissenschaftlern nicht nur die Möglichkeit gegeben wird, mehr über die Mechanismen der Metallaufnahme und -reduktion durch Bakterien zu erfahren. Eine Nutzung dieser Fähigkeiten kann dadurch effektiver gestaltet werden. Möglicherweise könnte man dann auch diese Eigenschaften durch Manipulation der dafür verantwortlichen Gene nachempfinden, um Bakterienstämme zu konstruieren, die für die Entwicklung von Technologien für die Bioremediation von Uranabfällen nützlich sind.

Das Ziel unserer Untersuchungen im Institut für Radiochemie des FZD ist,

herauszufinden, wie das Potential dieser Bakterien bei der Behandlung der Schwermetalle und Radionuklide in den kontaminierten Uranabfallhalden genutzt werden kann.

Wir analysieren die Diversität und Aktivität der Bakterien in verschiedenen Uranabfällen in Sachsen. Untersucht werden die Haberlandhalde in der Nähe von Johanngeorgenstadt und die Absetzbecken nahe der Steinsee-Deponie 1, in Gittersee/Coschütz und Schlema/Alberode. Unter Verwendung von modernen molekularbiologischen Methoden, wie z.B. Ribosomal Intergenic Spacer Amplification (RISA) und 16S ribosomal DNA (rDNA) Amplification Analysen, Pulsed-field Gel Electrophoresis (PFGE), Random Amplified Polymorphic DNA (RAPD), Repetive Primer Amplified Polymorphic DNA (rep-APD), wie auch Time-resolved Laser Fluorescence Spectroscopy (TRLFS), fanden wir in den untersuchten Proben eine extrem hohe bakterielle Diversität. Im Einzelnen konnte die Präsenz von einigen dominierenden 16S rDNA-Gruppen, die zu den Gattungen Thiobacillus, Bacillus, Desulfovibrio und Pseudomonas gehören, demonstriert werden.

Thiobacillus ferrooxidans

Eine dieser 16S rDNA-Gruppen gehört zur Art Thiobacillus ferrooxidans. Die Stämme dieser Art sind chemolithoautotroph, sie können U4+ und Fe2+ wie auch verschiedene Metallsulfide aus natürlichen Mineralien oxidieren. Letzteres ist als sogenanntes "Bioleaching" oder Solubilisierung von Metallen bekannt. Diese Bakterien können auch Uran aus sauren Medien (pH 1,5) akkumulieren. Interessanterweise fanden wir drei verschiedene 16S-rDNA-Typen, die mit der Art T. ferrooxidans korrespondierten. Diese Typen weisen sich gering unterscheidende 16S-rDNA-Muster auf. Es wurden T. ferrooxidans Stämme, die zu zwei der oben erwähnten drei 16S-rDNA-Typen gehören, aus zwei Bodenproben gewonnen, die unterschiedlich stark mit Schwermetallen belastet waren. Die Genomorganisation dieser zwei Gruppen von Isolaten unterscheidet sich von der bereits bekannter Referenzstämme.

Genomorganisation (PFGE)

Außerdem zeigen die Stämme der Gruppe, die aus der stärker kontaminierten Probe stammt, eine Toleranz gegenüber höheren Uranylionen-Konzentrationen, die für die Isolate der zweiten Gruppe schon toxisch sind. Die Expression von letztlich drei Genen der urantoleranten Stämme wird durch die Anwesenheit von Uranylionen im Nährmedium beeinflußt. Die Fähigkeit der Uranbergbauisolate, mit Uran(VI) in Wechselwirkung zu treten, wurde untersucht. Es konnte festgestellt werden, dass sie, im Gegensatz zu entsprechenden T. ferrooxidans Referenzstämmen, die aus anderen Umgebungen stammen, deutlich größere Mengen von U(VI) akkumulieren. Mittels zeitaufgelöster Laserfluoreszenzspektroskopie konnte gezeigt werden, dass eines der Uranbergbauisolate U(VI) deutlich stärker komplexiert als die Referenzstämme.

TRLFS: Spektren von Uran an T.ferrooxidans
Zeitaufgelöste Laserfluoreszenzspektroskopie von Uran an Bakterien

Damit liegen erstmals Hinweise auf die Mikrodiversität innerhalb sehr eng verwandter natürlicher T. ferrooxidans-Isolate vor. Wir vermuten, dass die beobachtete Mikrodiversität die genetische Adaption der untersuchten Stämme an die gegebenen Schwermetallkonzentrationen ihrer natürlichen Umgebung widerspiegelt.

Bacillus

Eine zweite Gruppe von Bakterien, die aus uranhaltigen Abfällen stammen, gehört zur Gattung Bacillus. Wir klassifizierten drei dieser Isolate als B. cereus, B. megaterium und B. sphaericus. Diese Stämme sind in der Lage, selektiv verschiedene Schwermetalle aus Sickerwässern der Haberlandhalde zu akkumulieren.

Selektive Bioakkumulation von Schwermetallen im Grundwasser
Selektive Bioakkumulation von Schwermetallen im Grundwasser

Weiterhin konnte festgestellt werden, dass die Bacillus-Stämme bei pH 4,8 deutlich größere Mengen an Uran binden als die oben beschriebenen T. ferrooxidans-Stämme. Andererseits bilden die Bacillus-Stämme dafür schwächere Urankomplexe als die T. ferrooxidans-Stämme, wie mittels TRLFS nachgewiesen werden konnte.

S-Layer

Ein Isolat aus den Uranhaldenabfällen, JG-A12, besitzt ein neuartiges S-Layer-Protein.

TEM Aufnahme eines S-Layers von JG-A12
Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme eines negativ gefärbten S-Layers des Bacillus sphaericus JG A-12, isoliert aus einer Uranabraumhalde.

S-Layer sind poröse kristalline Proteinmembranen mit einer Dicke von 5 bis 15 nm. Sie bilden die äußerste Schicht der Zellwand und geben damit den Mikroorganismen einen selektiven Vorteil, indem sie als Schutzhülle, Molekularsieb, Ionenfalle usw. fungieren. Sie bergen ein großes Potential für Neuentwicklungen in der Biotechnologie, der Medizin und der Nanotechnologie.

Desulfovibrio

Die dritte Gruppe der analysierten Isolate aus uranhaltigen Abfällen sind Bakterien, die zur Gattung Desulfovibrio gehören. Diese sulfatreduzierenden Bakterien können U(VI) zu U(IV) reduzieren. Bisher analysierten wir zwei Desulfovibrio-Isolate, die im Umweltforschungszentrum Halle-Leipzig gewonnen wurden. Diese isolierten Desulfovibrio-Stämme sind sehr eng mit der Art Desulfovibrio vulgaris Unterart (oxamicus) verwandt.

Stammbaum-Ausschnitt
Stammbaum-Ausschnitt für Desulfovibrio-Stämme

Ihre Genomorganisation unterscheidet sich deutlich von der des Typusstammes dieser Art. In kinetischen Untersuchungen zur Uranreduktion zeigte eines der Haldenisolate im Vergleich zum Desulfovibrio-Referenzstamm eine schnellere Reduktion von U(VI), wobei auch deutlich größere Mengen umgesetzt wurden. Im Gegensatz zum Referenzstamm kann dieser Haldenstamm unabhängig vom pH-Wert des Mediums U(VI) reduzieren. Unserer Kenntnis nach gibt es bisher kein anderes Bakterium der Gattung Desulfovibrio, das in der Lage ist, so schnell und effektiv U(VI) zu reduzieren und präzipitieren wie dieses Isolat.

Reduktion von U(VI) zu U(IV)

Die aus natürlichen uranhaltigen Abfällen isolierten Bakterien, die in unserem Labor analysiert wurden, könnten auf Grund ihrer hervorragenden Anpassung an diese sehr komplexe geologische, chemische und biologische Bedingungen von großer Bedeutung für die Entwicklung von Bioremediationsprozessen für Umgebungen sein, die mit Uran und anderen Schwermetallen kontaminiert sind.