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Dr. Frank Stefani

Lei­ter Geo- und Astrophysik
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Dr. Thomas Wondrak

Lei­ter Induktive Messtechniken
t.wondrakAthzdr.de
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Kontaktlose induktive Strömungstomographie (CIFT)

Die am HZDR entwickelte kontaktlose induktive Strömungstomographie (contactless inductive flow tomography: CIFT) ist in der Lage, eine dreidimensionale Strömung in Flüssigkeiten mit hoher elektrischer Leitfähigkeit zu visualisieren. Dabei wird das Prinzip der Bewegungsinduktion ausgenutzt. Aufgrund ihres berührungslosen Funktionsprinzips eignet sie sich für heiße und chemisch aggressive Schmelzen, wie sie z.B. im kontinuierlichen Stranggießen von Stahl (LIMMCAST Anlage) oder der Halbleiter-Kristallzüchtung (Czochalski-Modellexperimente) auftreten.

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Funktionsprinzip für zweidimensionale Strömung


Abbildung 1: Prinzipdarstellung CIFT

Die Arbeitsweise von CIFT soll am Beispiel der zweidimensionalen Strömung in einer Kokille des kontinuierlichen Stranggießens von Stahl verdeutlicht werden. Abbildung 1 zeigt ein Schema einer Kokille mit einem Tauchrohr, aus dessen zwei seitlichen Öffnungen das flüssige Metall in die Kokille fließt. Legt man ein statisches Magnetfeld in vertikaler Richtung an, dann wird aufgrund der Bewegung der elektrisch leitenden Flüssigkeit ein elektrischer Strom in der Schmelze erzeugt. Dieser elektrische Strom erzeugt wiederum ein magnetisches Feld, das außerhalb der Kokille gemessen werden kann. Dieses Magnetfeld trägt Informationen über die Strömungsstrukur in der Schmelze. Aus dem Gesetz von Ohm und dem Gesetz von Biot-Savart lässt sich ein lineares Modell dieses Induktionsprozesses ableiten. Durch Invertierung dieses Modells mit geeigneten Regularisierungsverfahren wird die Strömung in der Kokille aus den Magnetfeldmessungen außerhalb der Kokille rekonstruiert.

Anwendungsbeispiel Zwei-Phasen-Strömung in einer Modellkokille

(a) (b) (c)
Abbildung 2: Schematischer Aufbau der Messung (a), CIFT-rekonstruierte Strömung ohne (b) und mit (c) Gaseinperlung.

Abbildung 2 zeigt eine Realisierung dieser Methode in einem Modellexperiment, wobei das angelegte statische Magnetfeld von einer rechteckigen Spule um die Kokille erzeugt wird. Die Überlagerung des angelegten Magnetfelds mit dem strömungsinduzierten Magnetfeld wird mit 7 Sensoren jeweils entlang beider Schmalseiten der Kokille gemessen. In diesem Aufbau wurde eine zeitliche Auflösung von einem Hertz erreicht. Die beiden Filme in Abbildung 2 zeigen zwei unterschiedliche Strömungsregime in der Kokille, die sich bei unterschiedlicher Gaseinjektion durch das Tauchrohr in der Kokille einstellen. Im Film in Abbildung 2(c) kann ein im Prozess unerwünschter Umschlag vom sogenannten Doppelwirbel zum Einzelwirbel beobachtet werden.

Herausforderungen an die Messtechnik

Die Herausforderungen dieser Messtechnik liegen sowohl bei der numerischen Lösung des linearen inversen Problems als auch bei der Messung der sehr kleinen strömungsinduzierten Magnetfelder. Die Stärke dieser Magnetfelder ist typischerweise etwa zwei bis fünf Größenordnungen kleiner als das angelegte Magnetfeld. So liegt bei einem angelegtem Magnetfeld der Stärke 1 mT das zu messende strömungsinduzierte Magnetfeld in etwa bei 100 nT. Im Vergleich dazu ist das Erdmagnetfeld etwa 50.000 nT stark. Daraus lässt sich schließen, dass kleinste magnetische Störungen, die z.B. durch Einschalten von elektrischen Geräten, Lichtbogenschweißarbeiten oder Sonnenaktivität entstehen, das Messsignal überlagern und herausgefiltert werden müssen. Dies ist durch eine Anregung mit einem Wechselfeld mit einer festen Frequenz möglich, wobei die Frequenz in der Größenordnung von 1 Hz liegt. Dabei wird nach Prinzip eines Lock-In VerstärkersBeim nur das Signal mit der Anregungsfrequenz sehr präzise extrahiert und Störsignale in allen anderen Frequenzbereichen werden herausgefiltert.


Abbildung 3: Fluxgate-Sensor und Induktionsspulen

Neben dem Einsatz von Fluxgate-Sonden werden für robuste Magnetfeldmessungen Luftspulen eingesetzt. Diese haben den Vorteil gegenüber der Fluxgate-Sonden, dass es keine obere Beschränkung des zu messenden Magnetfeldes gibt. Allerdings benötigen diese Sonden eine hohe Anzahl von Windungen, um das sehr kleine strömungsinduzierte Magnetfeld messen zu können. So werden aktuell Induktionsspulen der Größe 29 mm mit 340.000 Windungen eingesetzt. Bei einem Analog-Digital-Wandler, der einen hohen Dynamikbereich von 100 dB besitzt können mit dieser Methode die kleinen strömungsinduzierten Magnetfelder gemessen werden. Abbildung 4 zeigt exemplarisch einen Fluxgate-Sensor und verschiedene Induktionsspulen.

Anwendungsbeispiel Modellkokille mit elektromagnetischer Bremse

(a) (b)
Abbildung 4: Visualisierung des Aufbaus mit DC-Elektromagnet (a) und rekonstruierte Strömung (b).

Beim Stranggussmodell konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass sich bei einem angelegten statischen Feld zur Strömungsbeeinflussung mit der Stärke von 300 mT Magnetfeldänderungen in der Größenordnung von 100 nT präzise messen lassen und die Strömung in der Kokille rekonstruiert werden kann. Abbildung 4 zeigt den entsprechenden Aufbau und die Kokillenströmung, bei der unter gewissen Randbedingungen bei eingeschalteter Bremse regelmäßige Strömungsoszillationen auftreten können.

Dreidimesionale Rekonstruktion

Soll eine dreidimensionale Strömung rekonstruiert werden, dann reicht das Anlegen eines Messfelds nicht aus, sondern es muss mindestens ein weiteres Magnetfeld in eine andere Richtung angelegt werden. Es zeigte sich, dass die Kombination eines horizontal und eines vertikal ausgerichteten Magnetfelds gute Ergebnisse erzielt. Für eine Rekonstruktion wird zunächst das horizontale Magnetfeld angelegt und das strömungsinduzierte Magnetfeld gemessen. Anschließend wird das vertikale Magnetfeld angelegt und wiederum das strömungsinduzierte Magnetfeld gemessen. Aus beiden Messungen kann die dreidimensionale Strömung rekonstruiert werden.

(a) (b)
Abbildung 5: Experiment mit geschlossenem Zylinder (a) und rekonstruierter Strömung (b).

Dies konnte auch an folgendem Experiment demonstriert werden, das in Abbildung 5 gezeigt ist. In einem Plexiglaszylinder wird die Strömung durch einen Propeller im Zentrum des Gefäßes angetrieben. Die Leitbleche am Deckel des Gefäßes erlauben die Erzeugung zweier unterschiedlicher Strömungsmuster: Beim Pumpen nach oben dämpfen die Leitbleche die Rotation des Fluids und es wird eine dominierende poloidale Strömung erzeugt, wohingegen beim Pumpen nach unten zusätzlich zur poloidalen Strömung eine toroidale Strömung erzeugt wird. Abbildung 5(b) zeigt die rekonstruierte Geschwindigkeit für ein Experiment, wobei zunächst nach unten und anschließend nach oben gepumpt wird.

Literatur

Patente

  • F. Stefani u. a., „Verfahren und Anordnung zur kontaktlosen Bestimmung von räumlichen Geschwindigkeitsverteilungen in nicht-kugelförmigen elektrisch leitfähigen Flüssigkeiten“, DE 100 26 052 B4, 17. März 2005.
  • F. Stefani u. a., „Verfahren und Anordnung zur kontaktlosen Bestimmung von Geschwindigkeitsverteilungen eines flüssigen Metalls in einer Stranggießkokille“, DE 10 2008 055 034 A1, 01. Juli 2010.