Mit „OncoRay“ etabliert sich neues „Centre of Excellence“ in Dresden

Bund fördert Zentrum für Innovationskompetenz mit 12 Millionen Euro / Ziel ist eine optimierte Strahlentherapie

Dresden, 28. Juni 2005. Gemeinsame Pressemitteilung von FZR, Universitätsklinikum und TU Dresden

Das am 28. Juni offiziell eröffnete „Zentrum für Innovationskompetenz für medizinische Strahlenforschung in der Onkologie“ – kurz „ZIK OncoRay“ – erforscht Methoden, Krebs wirkungsvoller und für den Patienten dennoch schonender zu bekämpfen. In dem neuen Zentrum der Medizinischen Fakul-tät Carl Gustav Carus arbeiten insgesamt 21 Experten der Medizin, Biologie, Physik und Mathematik an wissenschaftlichen Projekten, mit denen sie sich im weltweiten Vergleich auf einem Spitzenniveau bewegen. Den Forschern stehen dafür hochmoderne Anlagen – unter anderem ein PET-CT und ein vierdimensional arbeitendes Bestrahlungsgerät – zur Verfügung. An der Grundlagenforschung sind Wissenschaftler des Forschungszentrums Rossendorf beteiligt, das ebenfalls über eine in Europa einmalige Ausstattung an technisch-medizinischen Geräten verfügt.

Zwei der drei Dresdner Forscherteams des ZIK OncoRay fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung in den nächsten fünf Jahren mit 12 Millionen Euro. Zu der in Dresden stattfindenden offiziellen Eröffnung aller sechs ostdeutschen ZIK wird auch das Dresdner Zentrum eingeweiht. „Mit den drei Forscherteams und den neuen Geräten ist das ZIK OncoRay einmalig in Europa. Damit ist es uns gelungen, ein ‚Centre of Excellence’ aufzubauen, das künftig Maßstäbe in der Strahlenforschung setzen wird. Auch deshalb hoffen wir auf weitere Forschungsgelder des Bundes, mit denen in den nächsten Jahren die wissenschaftliche Elite gefördert werden soll“, sagt Prof. Michael Baumann, der für seine Grundlagenforschung in der Strahlentherapie weltweit anerkannt ist.

Ziel des von der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus, den Fakultäten Mathematik und Naturwissenschaften sowie Maschinenbau, dem Forschungszentrum Rossendorf und dem Universitätsklinikum gegründeten ZIK OncoRay ist es, die individuelle Beschaffenheit der Tumore besser diagnostizieren zu können, sie präziser als bisher zu bestrahlen und Wege zu finden, die Krebszellen so zu beeinflussen, dass sie empfindlicher auf die Bestrahlung reagieren.

Obwohl die OncoRay-Wissenschaftler vor allem die Grundlagen für die optimierten Strahlentherapien erforschen, soll der Übergang in die klinische Versorgung von Krebspatienten so schnell und sicher wie möglich erfolgen: „Mit hochpräziser Bestrahlung lassen sich die Tumore ausgesprochen effektiv vernichten“, so OncoRay-Gründungsmitglied Prof. Thomas Herrmann. Eine erfolgreiche Therapie der Primärtumore kann Leben retten, da so die Gefahr gebannt wird, dass ein Krebsgeschwulst Metastasen streut. Von einer durch Grundlagenforschung verbesserten Krebstherapie könnten etwa 340.000 Menschen profitieren, die derzeit allein in Deutschland jedes Jahr neu an Krebs erkranken. Die Hälfte dieser Patienten erhält eine Strahlentherapie. Zu etwa einem gleichen Anteil ist diese Behandlungsart auch bei den Heilerfolgen beteiligt.

Das Konzept des ZIK OncoRay entstand unter Berücksichtigung volks- und betriebswirtschaftlicher Aspekte: So ermittelten die Wissenschaftler im Vorfeld das Verwertungspotenzial der Forschungsergebnisse, analysierten den Markt der für das Forschungsgebiet relevanten pharmazeutischen Firmen und Geräteherstellern sowie den Bedarf an Medizinphysik-Experten und den weltweiten Wettbewerb, in dem renommierte Institute sich auf dem Forschungsfeld innovativer Strahlentherapien befinden. Nach der fünfjährigen Förderphase soll sich das ZIK OncoRay selbst tragen können.

Tumore ins Herz treffen

Die Nachwuchsforschungsgruppe „Molekulares Imaging“ sucht nach Wegen, die Struktur von Tumoren präzise zu erkennen. Grundlage für einen der wissenschaftlichen Schwerpunkte der Gruppe ist der kombinierte Einsatz von Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Computertomographie (CT). Die beiden zusammengeführten Diagnostikverfahren zeigen den Forschern unter anderem die Intensität von Stoffwechsel und Durchblutung im Inneren des Tumors. „Damit gelingt es uns, die Beschaffenheit eines Tumors millimetergenau zu erkennen“, sagt der Leiter der Forschungsgruppe, Dr. Nasreddin Abolmaali. Diese Daten ermöglichen dem Strahlentherapeuten, den Patienten ohne größere Nebenwirkungen mit höheren Dosen zu bestrahlen. „Für Lungentumore entwickeln wir diagnostische Verfahren, mit denen wir genau feststellen können, welche Bereiche des Geschwürs nur gering durchblutet sind. Um diesen oft im Tumorkern liegenden Bereich wirksam zu zerstören, bedarf es höherer Strahlung als an den Rändern“, erklärt der Radiologe.

Dank modernster Geräte ist es den Ärzten heute möglich, bei einer Bestrahlung der einzelnen Abschnitte die Intensität millimetergenau zu variieren. Das heißt: die strahlenempfindlicheren Bereiche erhalten eine geringere Dosis als die schlechter durchbluteten. „Wir hoffen auf diesem Weg die Zahl der heilenden Bestrahlungen beispielsweise von Lungenkrebspatienten deutlich zu steigern“, so Dr. Abolmaali. Um die Forschungen voranzutreiben, steht dem ZIK OncoRay seit diesem Monat ein hochmodernes Gerät zur Verfügung, das beide Diagnostikmethoden vereinigt. In nur einem Durchgang erhalten die Wissenschaftler ganz verschiedene Aufnahmen von dem Tumor. Sie lassen sich zu einem Bild vereinigen, welches das Krebsgewebe aus einer ganz neuen Perspektive zeigt.

Eingriffe in den Zellstoffwechsel erhöhen Wirksamkeit der Strahlentherapie

Bei der Arbeitsgruppe „Biologisches und Molekulares Targeting“ stehen Tumore des Kopf-Hals-Bereichs und der Lunge im Mittelpunkt. Beide Tumoren zeichnen sich dadurch aus, dass oft sehr hohe Strahlendosen notwendig sind, um sie zu vernichten. Während sich Kopf-Hals-Tumoren verhältnismäßig häufig nur am Ort des Ausgangstumors wieder entstehen, bilden Lungentumoren wesentlich leichter Metastasen in anderen Organen. Von diesen Eigenschaften der Krebserkrankungen ausgehend, nimmt die Forschungsgruppe um Dr. Nils Cordes Zelladhäsionsmoleküle ins Visier.

Diese Moleküle verankern die Zellen im Gewebe. Zudem sind ihre Signalwege unter anderem verantwortlich für das Überleben von Zellen, ihre Teilung aber auch für das Aussiedeln von Tumoren. In einem Forschungsansatz gilt es nun, die maßgeblichen Moleküle dieser Signalwege zu identifizieren und klar die Unterschiede nicht nur zwischen Lungen- und Kopf-Hals-Tumoren, sondern auch zwischen einzelnen Patienten herauszuarbeiten. Diese biologischen Informationen wollen die Wissenschaftler als Basis für eine auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Strahlentherapie nutzen. Ein weiterer Forschungsansatz beschäftigt sich mit der Entwicklung neuer gezielter Medikamente gegen die wichtigsten Moleküle, die einerseits für die Verankerung von Zellen untereinander und mit dem Gewebe verantwortlich sind, andererseits aber auch für die Empfindlichkeit von Zellen gegenüber Strahlen eine entscheidende Rolle spielen. Obwohl es erste molekulare Medikamente gibt, welche die Heilungs-Chancen einer Strahlentherapie deutlich erhöhen, wissen die Forscher bis heute nicht genau, wie diese biologischen Arzneien die Prozesse in den Zellen beeinflussen. Wenn es den Forschern am ZIK OncoRay gelingt, gezielt den Stoffwechsel der untersuchten Signalwege durch neuartige Medikamente auszuschalten, besteht die Hoffnung, auf biologische Weise, Tumorzellen empfindlicher gegen Strahlen zu machen, die Bildung von Metastasen zu behindern und gleichzeitig das um den Tumor herumliegende normale Gewebe besser zu schonen.

Molekulare Bildgebung für vorklinische Forschungen im FZR

Bevor die neuen Therapieansätze am Patienten angewendet werden können, sind vorklinische Forschungen, beispielsweise an Zellen und an kleinen Versuchstieren, unabdingbar. Das Forschungszentrum Rossendorf (FZR) hat deshalb im vergangenen Jahr in ein europaweit einmaliges Zentrum für molekulare Bildgebung investiert. Kleine Versuchstiere können hier an modernsten Geräten mit hoch auflösenden bildgebenden Verfahren untersucht werden. Glanzstücke sind der 7-Tesla-Magnetresonanztomograph (MRT) sowie das Micro-PET. Der PET (Positronen-Emissions-Tomographie) kommt im ZIK OncoRay eine ganz besondere Rolle zu, denn das PET-Verfahren zeigt Stoffwechselvorgänge im Körper quantitativ und millimetergenau auf. Damit können selbst kleine Metastasen nachgewiesen werden. Bei der PET werden radioaktiv markierte Moleküle, zum Beispiel Zucker, in extrem geringen Konzentrationen in das Blut des Patienten injiziert. Da Krebszellen einen hohen Zuckerstoffwechsel haben, sammelt sich der radioaktive Zucker dort an und ist über seine Strahlung messbar.

Da nicht alle Tumorarten einen hohen Zuckerstoffwechsel aufweisen, wird im PET-Zentrum Rossendorf intensiv an neuen radioaktiven Arzneimitteln geforscht. So wurde für die Diagnose von Hirntumoren ein neues Arzneimittel auf der Basis eines Aminosäurederivats entwickelt. Und schließlich wird im FZR an neuartigen PET-Kameras gearbeitet, die eine präzise Kontrolle der Krebsbehandlung mit sehr harter Röntgenstrahlung leisten und an speziellen therapeutischen Elektronenbeschleunigern zum Einsatz kommen sollen.

Tpyische Untersuchungssituation am hochmodernen PET-CT-Scanner in der Strahlenklinik der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus  

Weitere Auskünfte:

Prof. Jörg van den Hoff
Institut für Bioanorganische und Radiopharmazeutische Chemie

Pressekontakt (FZR):
Dr. Christine Bohnet
Tel.: 0351 260 2450
Pressekontakt (Universitätsklinikum):
Holger Ostermeyer
Tel.: 0351 458 4162
http://www.uniklinikum-dresden.de/