Magnetfelder als Antennen

Flüssigkeiten, die elektrischen Strom leiten, begegnen uns in der Umwelt und in der Industrie häufig, angefangen vom schwach leitenden Ozeanwasser über das flüssige Erdinnere bis hin zu flüssigem Silizium in der Kristallzüchtung oder Stahl und Aluminium in der Metallurgie. Magnetfelder können die Strömung solch leitfähiger Flüssigkeiten beeinflussen, aber auch der umgekehrte Prozess ist möglich, denn jede Strömung verzerrt Magnetfelder in spezifischer Weise. Diese strömungsbedingte Magnetfeldverzerrung kann außerhalb der Flüssigkeit gemessen werden. Physiker im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf haben erstmalig einen Tomographen entwickelt, der aus externen Magnetfeldsignalen die Strömung der Flüssigkeit errechnen und sichtbar machen kann.

Mit einem Kick-off-Meeting startet am 1. Februar 2007 das EU-Projekt „MAGFLOTOM“ unter Rossendorfer Leitung, an dem Partner aus vier europäischen Ländern beteiligt sind. Sie alle interessieren sich dafür, wie Strömungen, die einem Magnetfeld ausgesetzt sind, durch ihre besondere Strömungsform wiederum auf das Magnetfeld zurück wirken. Das eigentliche Ziel dabei ist es, durch Magnetfeldmessungen außerhalb der Schmelze die Strömung in der Flüssigkeit zu bestimmen.

Dass die Strömung leitfähiger Flüssigkeiten ein vorhandenes Magnetfeld verzerrt, ist seit langem bekannt. Dank der im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) entwickelten Technik CIFT (Contactless Inductive Flow Tomography – kontaktlose induktive Strömungstomographie) konnte die Abteilung von Dr. Gunter Gerbeth vor kurzem erstmalig demonstrieren, dass die mit diesem Tomographen aufgezeichneten Magnetfelder quantitative Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Strömungen zulassen.

In dem neuen EU-Projekt sind industrienahe Fragestellungen ebenso vertreten wie die Geo- und Astrophysik. Eine britische Forschergruppe von der Universität Manchester beschäftigt sich etwa damit, wie beim Gießen von Stahl Verklumpungen vermieden werden können. Das Anliegen ist zunächst, die genauen Bewegungen und Strömungen in der Schmelze beobachten und besser verstehen zu können, um damit die Prozesse im Stahlguss zu optimieren. Einen konkreten Einsatz findet die neue Forschungsrichtung auch in der Kristallzüchtung. So wird das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf gemeinsam mit der Siltronic AG die CIFT-Technik auf Siliziumschmelzen anwenden, um durch Kenntnis der Strömungen den Prozess des Kristallwachstums zu optimieren.

Die Strömungen der Ozeane bewirken eine sehr schwache Verzerrung des Erdmagnetfeldes, die aus Satellitenmessungen aber zunehmend genauer aufgelöst werden kann. Forscher vom GeoForschungsZentrum in Potsdam wollen aus diesen Daten auf die Strömungen in den Ozeanen schließen. Eine besondere Herausforderung wird hier die Umsetzung der Strömungsrekonstruktion vom Labor in den realen Maßstab von Ozeanströmungen sein. Und schließlich sind Physiker aus Riga, Zürich und Dresden an der Erforschung des Magnetfeldes der Erde und an den unregelmäßig in der Erdgeschichte auftretenden Umpolungen interessiert. Es gilt, den flüssigen Erdkern, dessen Strömungen und Verwirbelungen für die Entstehung des Erdmagnetfeldes verantwortlich sind, genauer zu erforschen, um beispielsweise die Umpolung von magnetischem Nord- und Südpol eines Tages erklären zu können.

Das Fachgebiet, das sich mit der Beeinflussung von leitfähigen Flüssigkeiten beschäftigt, wird Magnetohydrodynamik genannt. „MAGFLOTOM“ ist die Abkürzung von „Magnetic flow tomography in technology, geophysics, and ocean flow research“. Es wird im Rahmen des EU-Programms NEST mit einem Volumen von 1,35 Mio gefördert. Folgende Einrichtungen sind an dem EU-Projekt „MAGFLOTOM“ beteiligt:

  • Forschungszentrum Dresden-Rossendorf, Deutschland
  • GeoForschungsZentrum Potsdam, Deutschland
  • Universität Lettland in Riga, Lettland
  • Eidgenössisch Technische Hochschule (ETH) Zürich, Schweiz
  • University of Manchester, Großbritannien
  • Siltronic AG, Deutschland

 

Weitere Informationen:
Dr. Gunter Gerbeth
Institut für Sicherheitsforschung
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD)
Tel.: 0351 260 3484

 

Pressekontakt:
Dr. Christine Bohnet
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD)
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