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Peter Schütz

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Dr. Dirk Lucas

Lei­ter Computational Fluid Dynamics
d.lucasAthzdr.de
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Experimentelle Untersuchung von geschichteten Zweiphasenströmungen

Motivation

Fliesst ein Mehrphasengemisch in horizontalen oder leicht geneigten Leitungen, entstehen vor allem geschichtete Strömungsformen, so zum Beispiel in chemischen Industrieanlagen, in Ölförderanlagen oder in Kraftwerken. Diese Mehrphasenströmungen lassen sich schwer kontrollieren und können die Funktionstüchtigkeit bzw. die Effektivität der Rohrleitungssysteme, in denen sie strömen stark beeinflussen. So kann zum Beispiel eine Pfropfenströmung die mechanische Integrität von Rohrleitungen oder Armaturen durch starke Druckschwankungen gefährden.

Um diese komplexen Strömungsvorgänge zu simulieren, werden derzeit die sogenannten CFD-Codes (computational fluid dynamics) für Zweiphasen-Anwendungen weiterentwickelt. Dazu werden in den CFD-Programmen neue Modelle implementiert, die anhand von Experimenten getestet werden müssen. Das Ziel unserer experimentellen Untersuchung von geschichteten Zweiphasenströmungen ist insbesondere die Bereitstellung von hoch aufgelösten Messdaten, die für die CFD-Code Validierung benötigt werden.


Der Strömungskanal HAWAC (Horizontal Air/Water Channel)

Strömungskanal HAWAC

Bild 1: Schema des Strömungskanals HAWAC


Der Strömungskanal HAWAC (Bild 1) ist für gleichgerichtete Strömungsexperimente ausgelegt. Die 8 m lange Teststrecke weist einen rechteckigen Querschnitt von 100 x 30 mm (Höhe x Breite) auf, was einem Länge/Höhe-Verhältnis von L/h = 80 entspricht. Eine spezielle Einspeisevorrichtung (Bild 2) wurde konstruiert, um definierte Randbedingungen am Kanaleintritt zu erzeugen. Luft und Wasser werden getrennt in die Teststrecke eingespeist: Die Luft strömt durch den oberen und das Wasser durch den unteren Teil der Einspeisevorrichtung. Um möglichst gleichmäßige Geschwindigkeitsprofile am Teststreckeneintritt zu erreichen, wurden jeweils 4 Filter aus Drahtgeflecht in der Einspeisevorrichtung eingebaut. Luft und Wasser werden an einer 500 mm langen Platte zusammengeführt, die beide Phasen nach dem Filtersegment trennt. Diese Trennplatte läßt sich nach oben und nach unten neigen, wodurch die Kontrolle des freien Strömungsquerschnitts für jede Phase möglich wird. Außerdem kann mit der Trennplatte der Wasserfüllstand am Teststreckeneintritt eingestellt werden. Sowohl die Filter als auch die neigbare Trennplatte erzeugen definierte Eintrittsrandbedingungen für die generische Untersuchung von geschichteten Zweiphasenströmungen und sind wichtig für die Code Validierung.


PIV-Messung des Geschwindigkeitsfeldes in einem Schwall
Bild 3: Visualisierung des Geschwindigkeitsfeldes in einem Schwall (Sekundärströmung)

Messtechnik

Der Strömungskanal wurde für die Anwendung optischer Messverfahren, mit der für die CFD-Code Validierung notwendigen hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung, konstruiert. So bietet der HAWAC mit seiner Acrylglas-Teststrecke und dem rechteckigem Querschnitt ausgezeichnete Beobachtungsmöglichkeiten.

Videobeobachtung

Hochgeschwindigkeits-Videoaufnahmen wurden von der Seite des Kanals aufgezeichnet. Die Entwicklung eines speziellen Algorithmus ermöglicht die Erfassung der Phasengrenzfläche in den Einzelbildern. So werden quantitative Größen aus den Bildern gezogen (wie z. B. der Wasserstand in jedem Querschnitt). Durch weitere statistische Datenverarbeitung kann die Struktur der Grenzfläche bestimmt und Vergleiche zwischen Experiment und CFD-Rechnungen durchgeführt werden.

Weitere Möglichkeiten

Am Strömungskanal sind PIV (particle image velocimetry) Messungen möglich, um die Geschwindigkeit der flüssigen Phase zu ermitteln (Bild 3). Weiterhin könnten Druckaufnehmer zur Untersuchung der Schwallströmung installiert werden.


Ergebnisse

Strömungskarte des HAWAC-Kanals

In der Teststrecke können maximale Leerrohr-Geschwindigkeiten von 2 m/s für Wasser und 8 m/s für Luft eingestellt werden. Aus visuellen Beobachtungen der Strömungsformen bei verschiedenen Kombinationen aus Luft- und Wasser-Durchsätzen wurde eine Strömungskarte erstellt (Bild 4). Beobachtetet wurden folgende Strömungsregime: die glatt geschichtete Strömung, die Wellenströmung sowie die elongierte Blasen- und Schwallströmung.

Strömungskarte HAWAC

Bild 4: Strömungskarte des HAWAC-Kanals


Schwallströmungs-Experimente

Die Entstehung eines Schwalls wurde mit Hilfe von Hochgeschwindigkeits-Aufnahmen dokumentiert (Bild 5). Unmittelbar nach dem Eintritt wurde eine stratifizierte Strömung mit kleinen Wellen beobachtet, die durch die hohen Luftgeschwindigkeit erzeugt werden. Eine dieser Wellen wächst rasch an und entwickelt sich zu einem Schwall, der sich entlang des Kanals bewegt. An der Schwallfront ist ein beträchtlicher Tropfenmitriss zu verzeichnen, der durch den Luftstrom am Spalt oberhalb des Schwalls hervorgerufen wird.

Bildsequenz einer Schwallentstehung

Bild 5: Bildsequenz einer Schwallentstehung


Hydraulischer Sprung in einem geschlossenen Kanal

Bei hohen Wasserdurchsätzen, insbesondere wenn die Eintrittsplatte abwärtsgerichtet ist, kann ein hydraulischer Sprung in der Testsektion entstehen. Der hydraulische Sprung ist der diskontinuierliche Übergang zwischen über- und unterkritischer Strömung und wird durch einen steilen Anstieg der Wasseroberfläche charakterisiert. Aus Hochgeschwindigkeits-Videoaufnahmen und dem Grenzflächen-Erkennungsalgorithmus wurde die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Füllstandes in jedem vertikalen Querschnitt berechnet und in einem Bild der Testsektion dargestellt. Bild 6 zeigt gleichzeitig die Struktur und die Dynamik der Phasengrenzfläche.

Wahrscheinlichkeitsverteilung in einem hydraulischen Sprung

Bild 6: Darstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung für die in einem hydraulischen Sprung gemessenen Füllstände

Weitere durchgeführte Experimente zeigen den Einfluss des Luftdurchsatzes auf den hydraulischen Sprung in einem geschlossenen Kanal. Hierbei handelt es sich um ein stationäres Phänomen, das bei Variation des Impulsaustausches zwischen den Phasen hohe Turbulenzraten aufweist. Diese Eigenschaften machen den hydraulischen Sprung in einem geschlossenen Kanal zu einem wichtigen Code-Validierungstest.

Code benchmark

Der HAWAC-Kanal wurde als:

  • OECD-NEA Benchmark test facility und
  • Referenzanlage des deutschen CFD-Verbundes ausgewählt.

Im Rahmen dieser "code benchmark" Programme werden die an dem Strömungskanal gewonnenen experimentellen Ergebnisse an Partner zur Verfügung gestellt.

Ausgewählte Publikationen

Siehe auch

Danksagung

Das dieser Arbeit zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 150 1329 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Autoren.

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