Formänderung von Nanoteilchen durch Ionenbestrahlung
Kürzlich wurde an der Universität Utrecht gefunden, dass sich nanometrische Goldkügelchen in SiO2 in Stäbchen und sogar Drähte verformen wenn sie mit relativ geringen Dosen energetischer (einige –zig MeV) schwerer Ionen bestrahlt werden (Abb. 1). Dieses Ergebnis konnte am Tandembeschleuniger des FZD durch Bestrahlung von Goldteilchen mit 127I7+ bei einer Energie von 38 MeV reproduziert werden.
Abb. 1: Formänderung von Goldkugeln in SiO2 von 15 nm Durchmesser. Die XTEM-Aufnahme stammt von unserem Partner A. Vredenberg (Universität Utrecht). Sie zeigt Goldstäbchen, die durch Bestrahlung bei 300 K mit 2.5x1014 Ag-Ionen pro cm2 von 54 MeV kinetischer Energie aus Goldkügelchen entstanden. Die extreme Formänderung wird durch die schematisch dargestellten Ausgangsteilchen demonstriert. Eine Dosis von 7.5x1014 Ag-Ionen pro cm2 führt zu Stäbchen oder besser Drähten von 200 nm Länge, wobei die langen Drähte auf Kosten der kurzen wachsen, welche sich auflösen (wird hier nicht gezeigt). |
Bisher gibt es kein konsistentes theoretisches Modell für die Formänderung von Au- und Ge-Nanoteilchen in SiO2 durch Bestrahlung mit hochenergetische schwere Ionen. Deshalb wurde das kinetische Monte-Carlo-Programm hierfür eingesetzt, welches vor über 10 Jahren am FZD entwickelt wurde, auf dem Konzept des zellulären Automaten basiert und erfolgreich für viele fundamentale und angewandte Probleme eingesetzt wurde. Für die Simulation der Formänderung von Goldkügelchen waren nur wenige Annahmen erforderlich:
- Ausschließlich in den Ionenspuren, die für einige 10 ps sehr heiß sind, wird im Computerexperiment Massetransport im SiO2 sowie in den Goldteilchen erlaubt.
- Für die hier betrachteten Ionenenergien wird eine zylindrische Spur von einigen Nanometern Durchmesser aufgeschmolzen.
- Die von M. Toulemonde berechneten raumzeitlichen Temperaturprofile der Spuren in SiO2 werden auch für SiO2-Schichten mit Goldteilchen verwendet (kritische Annahme)
- Während der Schmelzdauer kann sich Au in SiO2 lösen, und während der Abkühlung wird die Lösung übersättigt und Au präzipitiert gemäß seiner temperaturabhängigen (experimentellen) Löslichkeit.
- Die Migrationsenergie von Au in SiO2 und am Interface wurde ans Experiment gefittet und als gleich angenommen.
Überraschend reproduzieren Computersimulationen mit diesen wenigen, einfachen Annahmen die Experimente sogar im Detail (Fig. 3): Das Kügelchen wird zu einem Stäbchen, und eine Wolke winziger Au-Präzipitate umgibt das Nanoteilchen im Computerexperiment genau so wie in der XTEM-Aufnahme. Sehr lange Drähte wachsen wie bei der Ostwald-Reifung auf Kosten kürzerer. Einziger auffälliger Unterschied ist die 10-fach geringere Ionendosis im Experiment, was zurückzuführen ist auf die schnellere Kinetik in der Flüssigkeit im Vergleich zur Festphasendiffusion im Computerexperiment. Eine detaillierte Analyse der Computerexperimente zeigt, dass die Formänderung der Nanokügelchen auf Thermokapillarität zurückzuführen ist und dass die “Reifung” durch die extreme anisotrope Diffusion (und deshalb auch Au-Löslichkeit) entlang der Ionenspuren getrieben wird.