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Dr. Denise Erb

Wissen­schaftliche Mitarbeiterin
Ionen­induzierte Nano­struk­turen
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Selbstorganisierte Wellen- und Punktmuster durch Ionenstrahlerosion

Inhalt

Grundlagen der periodischen Strukturierung mit Ionen
Theoretische Modellierung der Musterbildung
Nichtlineares Regime: Experiment und Theorie
Anwendungen: Dünne metallische Schichten auf vorstrukturierte Si Oberflächen

Grundlagen der periodischen Strukturierung mit Ionen

Siliziumoberfläche nach 500 eV Ar+ Sputtern unter 67° GaSb-Oberfläche nach senkrechtem Sputtern mit 500 eV Ar+ Ionen
Abb. 1 Siliziumoberfläche nach 500 eV Ar+ Sputtern unter 67°. Die Periodizität des Wellenmusters ist 35 nm und die Höhenmodulation 2 nm. Abb. 2 GaSb-Oberfläche nach senkrechtem Sputtern mit 500 eV Ar+ Ionen. Die Periodizität und die Höhe betragen jeweils 30 nm.

Treffen energetische Ionen auf eine Oberfläche, so werden Atome aus dieser entfernt, und es kommt zum Materialabtrag. Dieser Prozess wird Ionensputtern oder Ionenerosion genannt. Er wird vielfältig in der Industrie zur Oberflächenmodifizierung, - strukturierung und -reinigung verwendet.

Schon 1962 beobachteten Navez et al., dass die Erosion von Glasoberflächen mit niederenergetischen Ionen periodische selbstorganisierte Wellenstrukturen hervorbringen kann. Seither wurden periodische Muster auf unterschiedliche Materialien, wie z.B. Metalle, Halbleiter und Isolatoren, beobachtet. Das Phänomen hat sich damit als universell herausgestellt. Die Periode der Muster kann mit der kinetischen Energie der Ionen variiert werden und reicht von einigen 10 nm bis zu einigen µm. Typische Energien der Ionen sind 0.1 bis 100 keV. Zwei Arten von Oberflächenstrukturierung konnten bisher beobachtet werden: Bei schrägem Ioneneinfall entstehen regelmäßige, periodische Wellenmuster. Abhängig vom Einfallswinkel zeigen die Wellenmuster eine Orientierung, die entweder parallel oder senkrecht zur Ionenstrahlrichtung ist. In Abb. 1 ist eine Rasterkraftmikroskopaufnahme einer Silizium-Oberfläche nach der Ionenerosion mit 500 eV Ar+ unter einem Einfallswinkel von 67° zu sehen. Das entstehende Muster weist eine Periodizität von 35 nm und eine Höhenmodulation von 2 nm auf. Die Ionenstrahlrichtung ist durch den dunklen Pfeil angedeutet. Unter senkrechtem Einfall der Ionen entstehen regelmäßige, hexagonal angeordnete Punktstrukturen. Abb. 2 zeigt ein solches Muster auf GaSb, das nach der Ionenerosion mit 500 eV Ar+ entstanden ist. Die Periodizität und Höhenmodulation beträgt hier jeweils 30 nm.

  

Theoretische Modellierung der Musterbildung

1988 entwickelten Bradley and Harper eine Kontinuumsgleichung zur Beschreibung der Bildung und Evolution von periodischen Wellenmustern durch Ionenerosion. Die Oberfläche wird in diesem Modell als eine kontinuierliche Funktion h(x,t) beschrieben, ohne die atomare Struktur der Oberfläche zu berücksichtigen. Die Anfangswelligkeit der Oberfläche stammt aus der mikroskopischen Rauhigkeit der Oberfläche. Dringt ein Ion in die Oberfläche ein, so deponiert es im statistischen Mittel seine kinetische Energie in der Tiefe d unter der Oberfläche. Die Verteilung der deponierten Energie kann in erster Näherung als Gaußverteilung mit dem Maximum in der Tiefe d angenommen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Atom aus einem Oberflächenpunkt entfernt wird, ist proportional der deponierten Energie in diesem Punkt. Die mittlere deponierte Energie in einer Vertiefung ist höher und somit auch die Erosionsrate größer als in einer Erhebung. Dies führt zu einer Verstärkung der Anfangsmodulation der Oberfläche und stellt somit eine Oberflächeninstabilität dar: die Oberfläche nimmt während des Sputterns zu. Dieser Mechanismus wird deshalb auch „negative Oberflächenspannung“ genannt. Im Gegensatz dazu wirkt die Oberflächendiffusion so, dass sie die Oberfläche glättet. Erst im Zusammenspiel beider Prozesse bilden sich periodische Strukturen auf der Oberfläche, deren Abmessungen im Bereich einiger zehn nm liegen.

Auf dieser Basis wurde von Bradley und Harper ein Modell vorgestellt und in Form einer partiellen Differenzialgleichung gebracht:

Bradley-Harper-Gleichung

v0 ist hierbei die Erosionsgeschwindigkeit der ebenen Oberfläche, γ die laterale Wellenbewegung, νx,y die „negativen Oberflächenspannungkoeffizienten“ in x und y- Richtung und DT die thermische Oberflächendiffusivität. Die Bradley-Harper Gleichung kann grundsätzlich die Bildung und die Anfangsphase periodischer Strukturen erklären. Zu späteren Zeiten geht die Evolution der Oberflächenmuster in ein nichtlineares Regime über, welches mit zusätzlichen Termen in der Kontinuumsgleichung beschrieben werden muss. Die gedämpfte Kuramoto-Sivashinsky Gleichung (dKSE) ist eine solche nichtlineare Differentialgleichung, die in den letzten Jahren vorgeschlagen wurde:

dKSE-Gleichung

Die zusätzlichen Terme sind hierbei die nichtlinearen Koeffizienten λx,y, die „ioneninduzierte“ Diffusion DI, und weißes Rauschen η, zur Berücksichtigung des stochastischen Charakters des Ionensputterns. α ist ein zusätzlicher Dämpfungsterm, der die Oberflächenmuster stabilisiert. Ohne diesen Dämpfungsterm driftet die Differentialgleichung für lange Zeiten in ein chaotisches Regime ohne Ordnung („kinetic roughning regime“).

Nichtlineares Regime: Experiment und Theorie

Ein aktives Forschungsfeld in unserer Gruppe ist die experimentelle und theoretische Untersuchung der Evolution von periodischen Oberflächenmustern im nichtlinearen Regime. Um das nichtlineare Regime experimentell zu erreichen, bedarf es sehr hoher Ionenfluenzen. Für eine Serie von Si Proben wurde diese Entwicklung bis zu Fluenzen von 1020 Ionen/cm2 durchgeführt. Die Proben wurden anschließend ex-situ mit einem AFM untersucht. Abb. 3 a) zeigt eine 1µm x 1µm AFM-Topografie der Si-Oberfläche nach Ionensputtern mit 300 eV Ar+ Ionen unter einem Einfallswinkel von 67° und einer Fluenz von 1019 Ionen/cm2. Zu erkennen sind Wellenstrukturen mit einer Periodizität von 35 nm, die senkrecht zur Einfallsrichtung des Ionenstrahls (angedeutet durch den schwarzen Pfeil) ausgerichtet sind. Eine zweite größere Welligkeit der Oberfläche überlagert dieses Wellenmuster. Ein Bild der Topografie mit einer Größe von 5µm x 5µm macht diese quasi-periodische Welligkeit deutlich, die nun parallel zur Ionenstrahlrichtung ausgerichtet ist (Abb. 3 b)). Die Periodizität dieser zweiten Welligkeit beträgt 800 nm. Die Wellenlänge beider Wellenmuster nimmt mit der Sputterzeit, d.h. der Ionenfluenz, zu.  Dieser Effekt wird „coarsening“ (Vergröberung) genannt. Obwohl dieser Effekt schon öfter experimentell beobachtet wurde, ist seine Ursache noch nicht geklärt.

AFM Topografie einer Si-Oberfläche nach dem Beschuss mit 300 eV Ar+, unter 67°
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Abb. 3 AFM Topografie einer Si-Oberfläche nach dem Beschuss mit 300 eV Ar+, unter 67° und 1019 Ionen/cm2 mit a) 1 µm and b) 5 µm Scangröße.

Theoretische Simulationen der Oberflächentopografie mittels der dKS Gleichung können grundsätzlich die beobachteten Muster und die zeitliche Entwicklung beschreiben. Dies wird in Abbildung 4 deutlich, in welcher drei verschiedene Entwicklungsstufen der experimentellen (obere Reihe) und theoretischen (unter Reihe) Oberfächentopografie dargestellt werden. Obwohl die Simulationen auch „coarsening“ der Wellenmuster zeigen, können sie die genaue Abhängigkeit von der Fluenz nicht wiedergeben. Deshalb bleibt die wahre Ursache der Wellenlängenzunahme unklar und wird weiterhin Gegenstand unserer Forschung sein.

Vergleich der experimentellen (oben) und simulierten (unten) Oberflächentopografien von Si zu verschiedenen Sputterzeiten
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Abb. 4 Vergleich der experimentellen (oben) und simulierten (unten) Oberflächentopografien von Si zu verschiedenen Sputterzeiten, bzw. Ionenfluenzen.

Anwendungen: Ausgerichtete Ag-Cluster durch Vorstrukturierung

In Zusammenarbeit mit anderen Gruppen unseres Institutes untersuchen wir das Anwendungspotenzial periodisch nanostrukturierter Oberflächen. Von besonderem Interesse ist hierbei die periodisch gewellte Si-Oberfläche als vorstrukturiertes Substrat für Herstellung von dünnen Schichten. Die morphologische Anisotropie des Substrats kann in die deponierte Schicht übertragen werden und deren Eigenschaften signifikant ändern. Eine Anwendung findet sich in der Nanostrukturierung dünner magnetischer Schichten: Weitere Informationen dazu Morphologieinduzierte, magnetische Korrelationseffekte in mesoskopischen Streifen- und Inselstrukturen.

Aber nicht nur magnetischen Eigenschaften können durch das gewellte Substrat verändert werden. Ag-Cluster, die mittels Magnetronsputtern auf Si deponiert werden, besitzen eine Plasmaresonanz, die Mie-Resonanz, im sichtbaren Spektralbereich. Werden die Ag-Cluster nun auf die nanostrukturierte, gewellte Si-Oberfläche deponiert, so richten sie sich entsprechend der Wellen aus. Abb. 5 zeigt eine Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme (REM) von Ag-Clustern auf der gewellten Si-Oberfläche. Die Richtung des Ionenstrahls zur Erzeugung der Wellenstruktur ist als Pfeil eingezeichnet. Deutlich wird, dass die Ag-Cluster kettenförmig parallel zu den Wellen angeordnet sind, d.h. senkrecht zur Ionenstrahlrichtung. Die Ausrichtung der Cluster ist somit durch die Vorstruktur der Si-Oberfläche bestimmt. In der Transmissionselektronenmikroskopischen Aufnahme in Abb. 6 erkennt man, dass die Cluster vorwiegend in den Tälern des Wellenmusters liegen, insbesondere, wenn der Durchmesser ungefähr einer halben Periode entspricht. Die optischen Eigenschaften dieser Ag-Cluster-Ketten zeigen nun polarisationsabhängige Effekte. Ist die Polarisation des Lichtes parallel zu den Wellen, so verschiebt sich die Plasmonenresonanz um 0.21 eV ins Rote im Vergleich zur Plasmonenresonanz bei senkrechter Polarisation. Verursacht wird diese Verschiebung durch die stärkere Kopplung der Cluster aufgrund des geringeren Abstandes in den Ketten. Die morphologische Anisotropie des Substrats kann somit auch eine optische Anisotropie im deponierten Ag-Film induzieren.

REM Aufnahme von gerichteten Ag Cluster auf ionenstrahlgewelltem Si Substrat TEM Aufnahme von Ag Cluster auf Si Wellenstrukturen
Abb. 5 REM Aufnahme von gerichteten Ag Cluster auf ionenstrahlgewelltem Si Substrat. Abb. 6 TEM Aufnahme von Ag Clustern auf Si Wellenstrukturen.

Aktuelle Publikationen

  • M. Buljan, S. Facsko, I.D. Marion, V.M. Trontl, M. Kralj, M. Jerčinović, C. Baehtz, A. Muecklich, V. Holy, N. Radic, and J. Grenzer, Self-assembly of Ge quantum dots on periodically corrugated Si surfaces, Appl. Phys. Lett. 107, 203101 (2015) [doi:10.1063/1.4935859].
  • X. Ou, K.-H. Heinig, R. Hübner, J. Grenzer, X. Wang, M. Helm, J. Fassbender, and S. Facsko, Faceted nanostructure arrays with extreme regularity by self-assembly of vacancies, Nanoscale 7, 18928 (2015) [doi:10.1039/C5NR04297F].
  • M. Engler, F. Frost, S. Müller, S. Macko, M. Will, R. Feder, D. Spemann, R. Hübner, S. Facsko, and T. Michely, Silicide induced ion beam patterning of Si(001), Nanotechnology 25, 115303 (2014) [doi:10.1088/0957-4484/25/11/115303].
  • B. Teshome, S. Facsko, A. Keller, Topography-controlled alignment of DNA origami nanotubes on nanopatterned surfaces, Nanoscale (2014) [doi:10.1039/c3nr04627c].
  • M. Krause, M. Buljan, A. Mucklich, W. Möller, M. Fritzsche, S. Facsko, R. Heller, M. Zschornak, S. Wintz, et al., Compositionally modulated ripples during composite film growth: Three-dimensional pattern formation at the nanoscale, Phys. Rev. B 89 085418 (2014) [doi:10.1103/PhysRevB.89.085418].
  • M. Engler, F. Frost, S. Müller, S. Macko, M. Will, R. Feder, D. Spemann, R. Hübner, S. Facsko, et al., Silicide induced ion beam patterning of Si(001), Nanotechnology25(11), 115303 (2014) [doi:10.1088/0957-4484/25/11/115303].
  • D. K. Ball, K. Lenz, M. Fritzsche, G. Varvaro, S. Günther, P. Krone, D. Makarov, A. Mucklich, S. Facsko, et al., “Magnetic properties of granular CoCrPt:SiO 2thin films deposited on GaSb nanocones,” Nanotechnology 25(8), 085703, (2014) [doi:10.1088/0957-4484/25/8/085703].

  • M. Korner, K. Lenz, R. A. Gallardo, M. Fritzsche, A. Mucklich, S. Facsko, J. Lindner, P. Landeros, and J. Fassbender, Two-magnon scattering in permalloy thin films due to rippled substrates, Phys. Rev. B 88, 054405 (2013) [doi:10.1103/PhysRevB.88.054405].

  • X. Ou, A. Keller, M. Helm, J. Fassbender, and S. Facsko, Reverse Epitaxy of Ge: Ordered and Faceted Surface PatternsPhys. Rev. Lett. 111, 016101 (2013) [doi:10.1103/PhysRevLett.111.016101].

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  • M. O. Liedke, M. Korner, K. Lenz, M. Fritzsche, M. Ranjan, A. Keller, E. Čižmár, S. A. Zvyagin, S. Facsko, et al., Crossover in the surface anisotropy contributions of ferromagnetic films on rippled Si surfaces, Phys. Rev. B 87, 024424 (2013) [doi:10.1103/PhysRevB.87.024424].

  • R. Boettger, A. Keller, L. Bischoff, and S. Facsko, Mapping the local elastic properties of nanostructured germanium surfaces: from nanoporous sponges to self-organized nanodots, Nanotechnology 24, 115702 (2013) [doi:10.1088/0957-4484/24/11/115702].