Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Uwe Hampel

Leiter
Experimentelle Thermo­fluiddynamik
u.hampel@hzdr.de
Tel.: +49 351 260 2772

Peter Schütz

p.schuetzAthzdr.de
Tel.: +49 351 260 3286
+49 351 260 2865

Dr. Dirk Lucas

Lei­ter Computational Fluid Dynamics
d.lucasAthzdr.de
Tel.: +49 351 260 2047

Experimentelle Untersuchungen zur Fluiddynamik bei Thermoshock unter Druck (PTS)

Hintergrund

Zur Gewährleistung der Kernkühlung wird bei einem Leckstörfall in einem Kernreaktor Notkühlwasser in die Hauptkühlmittelleitungen des Reaktors eingespeist. Ein sicherheitsrelevantes Problem dieser Maßnahme sind thermomechanische Belastungen der Reaktordruckbehälterwand durch plötzliche Abkühlung. Der Reaktordruckbehälter sowie die angeschlossenen thermohydraulischen Komponenten des Systems haben mit dem darin befindlichen Sattwasser auch nach dem Abschalten des Reaktors noch Temperaturen weit oberhalb 200°C. Würde das stark unterkühlte Notkühlwasser mit Temperaturen zwischen 10°C und 50°C unvermischt zum Reaktordruckbehälter strömen, wäre dessen Wand unterhalb des betroffenen Leitungsstutzens erheblichen thermomechanischen Belastungen ausgesetzt. Die plötzliche Abkühlung der Wand, auch als Thermoschock unter Druck (PTS – pressurized thermal shock) bezeichnet, könnte unter Umständen zu einer Rissbildung bis hin zum Versagen des Reaktordruckbehälters führen. Das Risiko eines Behälterversagens hängt dabei einerseits vom aktuellen strukturmechanischen Zustand der Behälterwand ab, andererseits von den die Vermischung bestimmen thermohydraulischen Phänomenen in der Hauptkühlmittelleitung.

Das PTS-Szenario: Nach einem Leck mit Kühlmittelverlust wird kaltes Notkühlwasser in die Hauptkühlmittelleitung eingespeist. Vermischt sich dieses nur unzureichend mit dem heißen Sattwasser in der Hauptkühlmittelleitung, kommt es zu einer Thermoschockbelastung der Reaktordruckbehälterwand.

Letztere Frage muss durch fluiddynamische Untersuchungen beantwortet werden. Die Strömungsdynamik bei Notkühleinspeisung ist durch das Zusammenspiel diverser thermofluiddynamischer Phänomene bestimmt, so etwa der thermischen Vermischung des kalten und heißen Wassers im Leitungsstrang sowie dem Wärmetransport durch Kondensation am eingespeisten Kaltwasserstrahl. Hier spielen die Form und Turbulenz des eintretenden Kühlwasserstrahls, Art und Umfang des Dampfblasenmitrisses und die in der Wasservorlage erzeugte Turbulenz eine entscheidende Rolle. Die Ausprägung der Strömung und der Wärmetransport sind schließlich in komplexer Weise von den thermohydraulischen Randbedingungen, wie dem Massenstrom und der Temperatur des Notkühlwassers, der Temperatur und dem Füllstand der Sattwasservorlage in der Hauptkühlmittelleitung sowie der durch den Systemdruck bestimmten Dampfdichte abhängig.

Schema des PTS-Versuchsstands (links) und Photo des geschlossenen Drucktanks (rechts)

Das Projekt

Im Rahmen eines von 2006-2012 durchgeführten Konsortialprojektes der Partner HZDR, EDF France, AREVA NP France, IRSN, CEA, PSI Schweiz und ETH Zürich wurden im Drucktank der TOPFLOW-Anlage parametrische experimentelle Untersuchungen zu der oben beschriebenen Problematik durchgeführt. Ziel war die Bereitstellung hochaufgelöster Experimentaldaten für die Ertüchtigung von CFD-Codes, die unter anderem in den europäischen Projekten NURESIM, NURISP und NURESAFE entwickelt wurden. Der aufgebaute Versuchsstand bildet einen Teil des Reaktorkühlkreislaufs (Hauptkühlmittelleitung, Kühlmittelpumpe, Sektion des Reaktordruckbehälters mit Ringspalt, Notkühleinspeiseleitung) nach und ist mit über 200 Temperaturmessstellen, einer Infrarotkamera zur Messung der Temperaturverteilung an den Rohrwänden, eine Hochgeschwindigkeitskamera zur Beobachtung des Kaltwasserstrahls und Gittersensoren zur Strömungscharakterisierung umfangreich instrumentiert.

Kameraaufnahme des Kühlwasserjets bei verschiedenen Masseströmen (links). Infrarotbild der Temperaturverteilung an der Wand der Hauptkühlmittelleitung an der Notkühleinspeisestelle. Klar erkennbar ist der eintretende unterkühlte Wasserstrahl (blau) sowie die Separation von Dampf (rot) und Sattwasser (gelb) im kalten Strang (Mitte). Durch CFD-Simulation berechnete Wandtemperaturverteilung zwischen Einspeisestutzen und Reaktorringspalt (rechts).

Die Experimente wurden für verschiedene Variationen von Parametern bei Betriebsdrücken bis 50 bar durchgeführt. Das Experiment wird innerhalb des geschlossenen Drucktanks im Druckausgleich betrieben, wodurch es nicht erforderlich ist, die strömungsführenden Komponenten druckfest zu gestalten. Dadurch kann der Versuchsaufbau weniger kompakt mit dünnen Metallwänden und sogar optischen Glasfenstern ausgestattet werden.

Im Rahmen des Experimentalprogramms wurden über 90 Versuche mit jeweils verschiedenen Betriebsparametern (Druck, Kaltwassertemperaturen, Füllstand in der Kühlmittelleitung und Massestrom der Kaltwassereinspeisung) durchgeführt. Diese Variationen sind notwendig, um einerseits Anforderungen an verschiedene thermofluiddynamische Kennzahlen zu erfüllen, mit denen einzelne Effekte auf Anlagengröße skaliert werden können, andererseits, um einen breiten Parameterbereich für aktuelle und zukünftige CFD-Simulationen abzudecken. Außerdem wurden Experimente mit Luft/Wasser und mit Dampf/Wasser durchgeführt, um den Effekt der Dampfkondensation, der in einem Luft-Wasser-System fehlt, studieren und bewerten zu können. Die Daten dieser aufwändigen Experimente dienen bereits heute als Vergleichsdaten für CFD-Rechnungen, die bei den beteiligten Partnern durchgeführt werden.

Kooperationen

  • EDF, Frankreich
  • Commissariat à l'énergie atomique et aux énergies alternatives (CEA), Frankreich
  • Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire (IRSN), Frankreich
  • AREVA NP, Frankreich
  • Paul-Scherer-Institut (PSI), Schweiz
  • Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH), Schweiz

Referenzen

  • P. Péturaud, U. Hampel, A. Barbier, J. Dreier, F. Dubois, E. Hervieu, A. Martin, H.-M. Prasser (2011).
    General overview of the TOPFLOW-PTS experimental program.
    NURETH-14.
  • T. Seidel, M. Beyer, U. Hampel, D. Lucas (2011).
    TOPFLOW-PTS air-water experiments on the stratification in the ECC nozzle and the ECC water mixing during PTS scenarios.
    NURETH-14.
  • P. Apanasevich, D. Lucas, T. Hoehne (2011).
    Numerical simulations of the TOPFLOW-PTS steam-water experiment.
    NURETH-14.
  • D. Lucas und andere (2009).
    Main results of the European project NURESIM on the CFD-modelling of two-phase Pressurized Thermal Shock (PTS).
    Kerntechnik 74, 238-242