_TITEL . Meilensteine - Forschen für die Welt von morgen

_TEXT . Anja Bartho


Herzkrankheiten besser diagnostizieren


FZD Journal 05 / März 2010

Die koronare Herzkrankheit gilt unter Erwachsenen in den Industrieländern als häufigste Todesursache. Diese und andere Erkrankungen des Herzen könnten mit neuen radioaktiven Sonden besser diagnostiziert werden. FZD-Wissenschaftlern ist es gelungen, vielversprechende Verbindungen dieser Art herzustellen.

Fette haben einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, denn sie sind lebenswichtig und kommen z.B. als Fettsäuren in den Membranen der Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, vor. Fette dienen als Energiereserve und auch manche Organe sind ganz besonders auf Fette angewiesen, wie die Nieren, die durch eine Fetthülle in ihrer natürlichen Lage gehalten werden. Auch für das Herz ist Fett in Form von langkettigen Fettsäuren essenziell, sind sie doch für den Herzmuskel bei normaler Beanspruchung der wichtigste Energielieferant.

Weil Fettsäuren für das Herz so wichtig sind, wären sie hervorragend für radioaktive Sonden - auch Radiotracer genannt - geeignet, um Stoffwechselvorgänge in den Herzmuskelzellen zu untersuchen. Die von den Radiotracern ausgehende Strahlung kann man von außen gut messen und führt zu dreidimensionalen Bildern aus dem Körperinneren. Allerdings spielen Fettsäuren in der Nuklearmedizin bisher eine untergeordnete Rolle. Radioaktive Sonden zur Darstellung von Stoffwechselprozessen basieren z.B. auf Zucker, der für den Stoffwechsel im Körper eine bedeutendere Rolle hat. Solche Zucker-basierten Sonden sind mittlerweile leicht herzustellen, Fettsäureverbindungen dagegen schwierig zu synthetisieren. Dazu kommt noch, dass die Herstellungskosten für das bei Fettsäuresonden häufig zur Markierung genutzte radioaktive Iod-123 vergleichsweise hoch sind. Andere Stoffe waren zur kostengünstigen Markierung bisher nicht geeignet, gleichwohl ein idealer Kandidat dafür schon seit Langem bekannt ist: Technetium-99m. FZD-Wissenschaftlern ist es nun gelungen, neuartige stabile Verbindungen aus Fettsäuren und Technetium herzustellen. Zusammen mit Forschern um Andreas Deußen von der Medizinischen Fakultät der TU Dresden wurden sie auf ihre Eignung als Diagnosesubstanz für Herzkrankheiten hin untersucht.


Stabile Komplexe

Metallkomplex mit Technetiumatom

Abb.: Den FZD-Wissenschaftlern ist es gelungen, einen kleinen Metallkomplex mit einem Technetiumatom - es ist von Schwefelatomen (gelb) eingeschlossen - stabil an eine Fettsäurekette zu binden (Bild unten). Technetium könnte in Zukunft Iod als Markierungsstoff für radioaktive Sonden ersetzen und damit die Untersuchungsmöglichkeiten für Herzkrankheiten verbessern. Iodphenyl-Fettsäuren (Bild oben) waren bisher überlegen, weil sie ähnliche Eigenschaften wie natürliche Fettsäuren haben und das Iodatom (violett) einfacher mit einer Fettsäurekette verbunden werden kann.

Technetium-99m ist eines der wichtigsten Markierungsnuklide für radioaktive Arzneimittel. Es ist ein Zerfallsprodukt von Molybdän-99, das wiederum bei der Spaltung von Uran in Kernreaktoren anfällt. Anders als radioaktives Iod-123, das nur mittels eines Teilchenbeschleunigers hergestellt werden kann, wird Technetium-99m vergleichsweise einfach und kostengünstig in Generatoren durch Auswaschreaktionen gewonnen. Solche Generatoren sind in jeder nuklearmedizinischen Praxis oder Klinik vorhanden. Hinzu kommt, dass Technetium-99m mit sechs Stunden eine relativ kurze Halbwertszeit hat, die für medizinische Untersuchungen optimal ist und dabei die Strahlenbelastung des Patienten gering hält.

Wie viele radioaktive Sonden basieren auch die neuen Verbindungen darauf, dass sie im Körper von bestimmten Proteinen erkannt werden. Die Wissenschaftler standen nicht nur vor der Aufgabe, die neue Sonde mit dieser entsprechenden Erkennungsstelle auszustatten, sondern vor der ungleich größeren Herausforderung, das Technetium - von seiner Natur her ein seltenes Metall und damit ein körperfremder Stoff - in einem Komplex aus mehreren Atomen so stabil einzupacken, dass es im Körper nicht unerwünscht mit Biomolekülen reagiert. Zum Durchbruch verhalf den Wissenschaftlern dabei die Entwicklung eines neuen Technetiumkomplexes am FZD, der genau diese Aufgabe erfüllt. Er besteht aus drei Schwefelatomen und einem Stickstoffatom, die das Metall fest umschließen. Über eine fünfte, freie Bindungsstelle kann der Komplex mit der Fettsäure verbunden werden. Die neue Verbindung ist so gestaltet, dass sie im Körper an das Fettsäure-Transportprotein H-FABP bindet. Das Protein stellt einen Baustein in der Kette von Prozessen dar, die nötig sind, um Fettsäuren aus dem Blut in die Herzmuskelzellen zu transportieren. Der normale Energiebedarf des Herzmuskels wird zu 60 bis 90 Prozent aus Fettsäuren gedeckt. Ist der Fettsäurestoffwechsel allerdings gestört, kann auch der Transport der Fettsäuren behindert sein. Dies könnte einen wichtigen Hinweis auf Herzerkrankungen liefern.

Billige Sonden

Eine der am weitesten verbreiteten Erkrankungen des Herzen ist die koronare Herzkrankheit. Dabei sammeln sich Fettsubstanzen, komplexe Kohlenhydrate, Blut und Blutbestandteile, Bindegewebe und Kalziumsalze in den Herzkranzgefäßen an und verstopfen die Gefäße, was bis zum lebensbedrohlichen Herzinfarkt führen kann. Bei erwachsenen Menschen gilt die koronare Herzkrankheit in den Industrieländern als häufigste Todesursache. Umso wichtiger ist es, Herzerkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren. Nuklearmedizinische Untersuchungen spielen dabei bisher eine geringe Rolle. Vielfach werden Verfahren eingesetzt, mit denen man messen kann, wie gut oder schlecht die Blutgefäße durchblutet sind. Auch Computertomographie und Magnetresonanztomographie sind verbreitete Methoden, um Herzkrankheiten festzustellen. "Diese Verfahren liefern primär anatomische Informationen, also weniger Aussagen zur Funktion des Herzstoffwechsels, die man zur Diagnose von Herzkrankheiten eigentlich bräuchte", so Andreas Deußen von der TU Dresden.

Doch um funktionelle nuklearmedizinische Untersuchungen des Herzen, die solche Informationen liefern, routinemäßig durchführen zu können, fehlten bisher einfach verfügbare und kostengünstige Sonden. Das könnte sich jetzt ändern. Über ihre Ergebnisse freuen sich die Wissenschaftler von FZD und TU Dresden: "Wir konnten zeigen, dass unsere neue Sonde das Innere von Herzmuskelzellen erreicht", sagt Martin Walther vom FZD. Die neue Sonde aus Technetium und Fettsäuren bildet die Funktion des Fettsäure-Transportproteins H-FABP ab, das zum Transport der Fettsäuren in den Herzmuskelzellen beiträgt. "Sie ist damit geeignet, funktionelle Veränderungen im Fettsäuretransport darzustellen, die beispielsweise als Folge genetischer Defekte oder von Durchblutungsstörungen auftreten", so Andreas Deußen. Herzerkrankungen könnten damit erkannt werden, bevor sie für die Betroffenen lebensbedrohlich werden.


_KONTAKT

Institut für Radiopharmazie im FZD
Dr. Martin Walther

Institut für Physiologie an der TU Dresden
Prof. Dr. Andreas Deußen
www.tu-dresden.de