Protonentherapie: weltweit einmalige Forschungsplattform nimmt Konturen an

Rohbauarbeiten der Protonentherapieanlage laufen auf Hochtouren / Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine Freifrau von Schorlemer legt Grundstein

Gemeinsame Presseinformation von Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) vom 20.01.2012

Die Arbeiten am Gebäudekomplex der weltweit einmaligen Forschungs- und Entwicklungsplattform für innovative Technologien zur Strahlenbehandlung von Krebserkrankungen laufen auf Hochtouren: Ende 2013 werden die letzten Handwerker den Neubau verlassen, so dass Ärzte und Wissenschaftler Anfang 2014 hier auf Top-Niveau forschen und parallel auch Krebspatienten behandeln können. Nachdem die Arbeiten an den Untergeschossen gut vorangekommen sind, wird am heutigen Freitag der Grundstein für die Protonentherapieanlage gelegt. Hauptakteure des Festakts sind die Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Sabine Freifrau von Schorlemer, sowie die Repräsentanten der Trägerinstitutionen, Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, Prof. Michael Baumann, Sprecher des Zentrums für Innovationskompetenz für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay, sowie Prof. Roland Sauerbrey, Wissenschaftlicher Direktor des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf.

„Mit der Grundsteinlegung der Protonentherapieanlage wird eine neue Dimension in der Strahlenbehandlung von Tumoren aufgestoßen. Damit gelingt im Freistaat Sachsen ein weiterer wichtiger Schritt hin zur Sicherung und weiteren Entwicklung eines starken und exzellenten Standorts der Forschung, Innovation und Hochschulmedizin“, erklärt Staatsministerin Sabine von Schorlemer. „Auf dem Campus der Dresdner Hochschulmedizin werden Wissenschaftler und Ärzte den Einsatz von Protonen in der Krebstherapie patientennah und jenseits kommerzieller Zwänge weiterentwickeln“, erklärt Prof. Michael Albrecht. Damit unterstreiche das Klinikum seine deutschlandweit führende Rolle in der Versorgung von Krebspatienten: „Mit der innovativsten Form der Strahlentherapie bieten wir Spitzenmedizin, die derzeit in Deutschland auf universitärem Niveau nur in Heidelberg und demnächst auch in Essen sowie weltweit an rund 30 Krankenhäusern verfügbar ist“, so Prof. Albrecht weiter. Vorteil dieser ersten Protonentherapieanlage Ostdeutschlands ist, dass Patienten dank der vielfältigen und praxisnahen Forschungsprojekte am Dresdner OncoRay-Zentrum frühzeitig von weiteren Innovationen dieser noch neuen Therapieform profitieren werden. Das ist ein wesentlicher Grund für das Universitätsklinikum und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HDZR), sich an der Millioneninvestition zu beteiligen. Ziel ist es, den Einsatz der Protonentherapie auf weitere Krebsarten auszuweiten. Derzeit übernehmen die Krankenkassen die Behandlungskosten bei bestimmten Tumoren im Gehirn und im Bereich des Auges. Der Gebäudekomplex und die technische Infrastruktur wird vor allem durch die Europäische Union, Bund und Freistaat sowie das Universitätsklinikum und das HZDR finanziert.

11.500 Kubikmeter Beton für High-Tech-Infrastruktur

Bereits in der Rohbauphase der Untergeschosse werden die Dimensionen deutlich, die für die hochkomplexe Technologie der Protonentherapie notwendig sind: Zwischen der Schubertstraße und der Händelallee entstand eine 90 Mal 70 Meter große und bis zu 11 Meter tiefe Baugrube. Vier Monate lang wurden hierfür 25.000 Kubikmeter Aushub in knapp 1.000 Sattelschleppern abtransportiert. Hintereinander aufgereiht ergibt sich daraus eine Strecke von gut zehn Kilometern Länge. Auf der Baustelle werden bis zum Sommer 10.000 Kubikmeter Beton verarbeitet, 1.150 Tonnen Stahl stabilisieren den Rohbau. Hinzu kommen vorproduzierte Bauteile aus Stahlbeton mit einem Volumen von 1.500 Kubikmetern.

Die künftige Hülle für den Protonenbeschleuniger – das sogenannte Zyklotron – ist bereits gut sichtbar. Die magnetischen Kräfte des 220 Tonnen schweren Kolosses beschleunigen die Protonen auf etwa 180.000 Kilometer pro Sekunde; das sind rund zwei Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Ihren Weg zum Patienten nehmen die Protonen über eine ebenfalls hochspezielle Stahlkonstruktion. Diese sogenannte Gantry wiegt 100 Tonnen und wird wie das Zyklotron im Wesentlichen in den Untergeschossen des Komplexes untergebracht sein.

Nach Ende der Bauarbeiten bleibt äußerlich kaum etwas von den Ausmaßen der Technik sichtbar: Von der Händelallee aus wird ein schlanker Gebäuderiegel mit Büros und Laboren zu sehen sein, die technischen Gebäude befinden sich in der Mitte des Areals. Neben der hunderte Tonnen schweren, auf elektromagnetischen Feldern beruhenden Beschleunigung der Protonen, werden die Wissenschaftler des HZDR im selben Gebäudekomplex eine neue Technologie erproben, durch die der technische Aufwand für die Protonentherapie deutlich sinken wird: Sie nutzen hochenergetische Laserstrahlen, um die Partikel auf die notwendige Geschwindigkeit zu bringen. Ziel ist es, künftig die Kosten für Bau und Unterhalt dieser Therapieanlagen drastisch zu reduzieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass alle Patienten, die diese schonende Behandlungsform benötigen, auch von ihr profitieren können.

„Das Nebeneinander eines konventionellen und eines laserbasierten Protonenbeschleunigers wird weltweit einmalig sein – das Dresdner Kompetenzzentrum etabliert sich damit als Referenz- und Kristallisationspunkt weiterer Forschungen auf diesem Gebiet“, sagt Prof. Michael Baumann. Das Vorhaben der drei Einrichtungen ist ein Paradebeispiel für eine von Bund und Land gemeinsam getragene Förderung wissenschaftlicher Exzellenz und für die enge Vernetzung starker Wissenschaftspartner im Verbund von DRESDENconcept.

„Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) ist weltweit führend bei der Erforschung von laserbeschleunigten Protonenstrahlen“, sagt der Wissenschaftliche Direktor des HZDR, Prof. Roland Sauerbrey. „Unsere Wissenschaftler haben in den letzten Jahren auf diesem Gebiet sehr viel Erfahrung gesammelt und an unserem Hochleistungslaser DRACO zehntausende Male energiereiche Ionenstrahlen mit hochintensivem Laserlicht erzeugt. Jetzt geht es darum, die Energie der Strahlen so zu steigern, dass sie weit genug in den Körper eindringen und Krebszellen zerstören können. Dafür ist ein noch leistungsstärkeres Lasersystem nötig, das unsere Forscher gegenwärtig entwickeln und am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf aufbauen werden.“

Protonen – auf den Tumor fokussierte Kräfte schonen Patienten

Ziel jeder Strahlentherapie ist es, das Tumorgewebe zu zerstören oder so stark zu schädigen, dass es nicht mehr unkontrolliert wächst. Bisher werden hierzu vor allem ultraharte Röntgenstrahlen von Linearbeschleunigern eingesetzt: Die dafür verwendeten Photonen entfalten ihre therapeutische Wirkung jedoch nicht nur im Tumor selbst, sondern bereits auf ihrem Weg durch den Körper zur Krebsgeschwulst und auch dahinter. Protonen dagegen können so einsetzt werden, dass sie auf dem Weg zum Tumor nur wenig Energie abgeben. In dem bösartig veränderten Gewebe dagegen entfalten sie ihre volle Kraft. Dies lässt sich durch die Therapeuten so steuern, dass die Protonen das hinter der Krebsgeschwulst liegende gesunde Gewebe gar nicht mehr erreichen. „In dieser Hinsicht sind die Protonen in ihrer medizinischen Wirkung den heute standardmäßig eingesetzten Photonen deutlich überlegen“, sagt Prof. Baumann, der neben seiner Aufgabe als Sprecher des OncoRay-Zentrums auch Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Dresdner Uniklinikum ist. Allerdings gilt es, den medizinischen Gewinn dieser wesentlich teureren Behandlungsform für jede der verschiedenen Tumorarten gegenüber der heutigen Strahlentherapie zu überprüfen. Dies geschieht in aufwändigen, streng kontrollierten klinischen Untersuchungen. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Protonentherapie nur bei einem Teil der Tumorerkrankungen sinnvoll sein.

„Die weiteren Forschungen an den Grundlagen dieser innovativen Therapieform aber auch deren patientennaher Einsatz gehören deshalb heute ausschließlich in große universitäre Einrichtungen, die über alle für diese Behandlung und gleichzeitige Erforschung des Nutzens notwendigen Spezialisten verfügen. Das sind interdisziplinär zusammenarbeitende Mediziner verschiedener Fachgebiete sowie Biologen und Strahlenphysiker“, erklärt Prof. Baumann. Mit dem Universitäts KrebsCentrum (UCC) und dem Zentrum für Innovationskompetenz für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay – verfügt der Dresdner Standort über international anerkannte Strukturen, die Krankenversorgung und Forschung auf höchstem Niveau sicherstellen und somit ideale Voraussetzungen für den therapeutischen Einsatz von Protonen bieten.


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