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Peter Schütz

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Einzeleffektstudien zur Dampfkondensation in einem geneigten Rohr

Hintergrund

Industrielle Bedeutung

Der Zwischenfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi im März 2011 zeigte die Anfälligkeit von Kernkraftwerken für einen totalen Stromausfall. Durch einen station blackout, einen vollständigen Wegfall der Elektroenergie, konnte die Kühlung von vier Reaktorkernen nicht mehr gewährleistet werden. Verursacht durch die Nachzerfallswärme des Reaktorkerns kam es zu einem starken Temperatur- und Druckanstieg, sowie einer partiellen Kernschmelze in den Reaktorblöcken.

In Kernkraftwerken der aktuellen Generation II wird die Notkühlung überwiegend mit aktiven Systemen realisiert. Darunter versteht man z.B. den Einsatz von Hochdruck-Kühlwassereinspeisungen über zusätzliche Pumpen. Zukünftige Kernkraftwerke der Generation III/III+ werden zusätzlich mit passiven Systemen ausgestattet sein. Passive Systeme funktionieren ohne externe Energieversorgung. Das KerenaTM - Reaktorkonzept ist ein Siedewasserreaktor der Generation III+ mit 1250 MWe Leistung. Das Sicherheitskonzept beinhaltet passive Sicherheitssysteme die Wärme aus dem Reaktorkern bzw. dem Reaktordruckbehälter (RDB) über einen Notkondensator und einen Gebäudekondensator an die Umgebung abgeben können.  In Abbildung 1 ist die prinzipielle Funktionsweise des Notkondensators dargestellt. Durch einen Füllstandsabfall im RDB, etwa durch einen Leckstörfall, werden die Rohre des NOKO frei gelegt. Der nachströmende Dampf kondensiert an der kalten Rohrwand und fließt als flüssiges Kühlmedium zurück in den Reaktorkern. Die Kondensationswärme wird an eine stehende Wasservorlage, den Kernfluttank, übertragen.


Motivation

Im Inneren der Rohre des Notkondensators kommt es zum Phänomen der Kondensation in leicht geneigten Rohren. Charakteristisch dafür ist eine große Bandbreite an verschiedenen Strömungsformen und Wärmeübertragungsmechanismen. Das Strömungsregime erstreckt sich während des Kondensationsvorgangs von einer Annularströmung, über eine stratifizierte Strömung, hin zu einer Blasenströmung. Durch den Einfluss der Gravitationskraft auf die Zweiphasenströmung ergibt sich eine ausgeprägte azimutale Phasenverteilung. Der für den Wärmeübergang bestimmende Wasserfilm an der Rohrwand variiert sowohl über den Kondensationsverlauf (Rohrlänge), als auch über den Winkel orthogonal zur Hauptströmungsrichtung.

Die aktuell existierenden Berechnungsmodelle für Kondensationsvorgänge in einem leicht geneigten Rohr ermöglichen lediglich eine eindimensionale Vorausberechnung der Kondensation. Für die Weiterentwicklung der Beschreibungsmöglichkeiten der Kondensation sollen hochaufgelöste Messdaten an einem generischen Versuchsstand erzeugt werden. Die experimentellen Daten bilden eine Basis zur Entwicklung und Validierung neuer Berechnungsmodelle.


Versuchsaufbau

Testrecke

Die Versuchsanlage ist für die gezielte Untersuchung von Einzeleffekten der Kondensation ausgelegt. Das Testrohr besteht aus einem Doppelrohr in dessen Innenrohr die Kondensation erfolgt. Als Wärmesenke fungiert im Außenraum zwangszirkulierendes Kühlwasser. Zur Einstellung beliebiger Dampfgehalte am Eintritt, ist der Versuchsaufbau mit einem Dampf-Sattwasser-Mischsystem ausgestattet.

Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus

Schematische Darstellung der Testsektion mit Eintrittsmischsystem.

Die Testsektion ist an die TOPFLOW-Anlage angebunden und wird durch deren Dampfkesselkreislauf mit Sattwasser und Dampf versorgt. Die maximalen Versuchsparameter sind in der folgenden Tabelle dargestellt.

Anlagenparameter
maximaler Betriebsdruck 65 bar
maximale Betriebstemperatur 281 °C
Dampfmassenstrom 1 kg/s
Kühlwassermassenstrom 30 kg/s
Testgeometrie
Innendurchmesser 43,3 mm
Länge ca. 3000 mm
Neigung 0,76 °

Spezialinstrumentierung

Der Versuchsstand verfügt zur Untersuchung der Strömungsmorphologie und der Wärmeübergangsmechanismen im Verlauf des Kondensationsprozesses über einen Röntgentomographen und eine Wärmedurchgangssonde. Mithilfe der Röntgentomographie werden Schnittbilder des vorherrschenden Strömungsbildes erzeugt. Daraus lassen sich Aussagen über die Strömungsform und Fluidverteilung während der Kondensation ableiten. Die Wärmedurchgangssonde liefert Messdaten von winkelversetzt angeordneten Thermoelementpaaren in der Rohrwand des Kondensationsrohres. Aus Basis dieser Daten kann der lokale Wärmestrom winkelaufgelöst bestimmt werden.

Der vorgestellte Versuchsstand ermöglicht es, aufgrund seiner Einbindung in die TOPFLOW-Anlage und die vorhandene Spezialinstrumentierung die Hochdruckkondensation zu untersuchen. Dabei können integrale Leistungskenndaten und lokale Strömungsmerkmale und Wärmeübergangscharakteristika untersucht werden.


Versuchsergebnisse

Experimentell ermittelte Kondensationsraten für Systemdrücke zwischen 5 und 65 bar.
Experimentell ermittelte Kondensationsraten für Systemdrücke zwischen 5 und 65 bar.

Die Experimente wurden bei industrierelevanten Parametern (Druck bis 65 bar, Temperatur bis 281°C) in der Teststrecke des Kondensationsversuchsstandes durchgeführt. Da bei den in der Realität betrachteten passiven Wärmeabfuhrsystemen Rohre mit mehr als 10 m Länge verwendet werden, die horizontale Teststrecke am TOPFLOW Kondensationsversuchsstand aber nur ca. 3 m lang ist, wurde die Untersuchung des Kondensationsprozesses aufgeteilt. Für jede Druckstufe begannen die Messungen mit reinem Dampf am Eintritt in das Kondensationsrohr. Beim Durchströmen erhöhte sich der Wasseranteil, so dass am Austritt aus dem Rohr ein Zweiphasengemisch mit einem bestimmten Dampfgehalt vorlag, der als Eintrittsparameter für das nachfolgende Experiment eingestellt wurde. Diese Verfahrensweise wurde sooft wiederholt, bis der minimale Dampfgehalt am Austritt erreicht war.



Bei der Beurteilung der passiven Wärmeabfuhr spielt die Kondensationsrate eine wesentliche Rolle. Dieser Parameter beschreibt die Masse an Dampf, die pro Zeiteinheit durch Wärmeentzug zu flüssigem Wasser umgesetzt wird. Die nebenstehende Abbildung gibt einen Überblick über die gemessenen Kondensationsraten bei verschiedenen Druckstufen. Zusätzlich dazu ist die Verringerung der Kondensationsintensität, beginnend bei einem Eintrittsdampfgehalt von 1 dargestellt. Dieser Effekt entsteht durch die Zunahme von Kondensat in der Teststrecke, das sich bei Durchströmung des horizontalen Rohres im unteren Bereich ansammelt und als Gerinne oder in Form von Schwällen abfließt. Somit wird die für die Kondensation zu Verfügung stehende Mantelfläche der Teststrecke mit Abnahme des Dampfgehalts geringer. Eine weitere wichtige Rolle bei der Untersuchung von Kondensationsprozessen spielt der sich an der Rohrwand bildende Kondensatfilm, dessen Dicke und Turbulenz sich entsprechend der thermohydraulischen Randbedingungen (z.B. Druck und Dampfvolumenstrom) ändern.

Die Höhe des Gerinnes im Inneren des Rohres wurde mithilfe eines konventionellen Röntgentomographen ermittelt. Dafür wurden an ausgewählten Längenpositionen der Teststrecke Querschnittbilder der Strömung aus vielen einzelnen Projektionen rekonstruiert. Aus diesen Schnittbildern lässt sich die zeitlich gemittelte Höhe des Gerinnes bestimmen. Am Beispiel von 6 Experimenten bei einem Druck von 65 bar sind Gerinnehöhen über dem Dampfgehalt im Rohr visualisiert. Für jeden Eintrittsdampfgehalt sind bis zu 5 Punkte (Längenpositionen entlang der Teststrecke) dargestellt. Im Rahmen der Mess- und Rechenunsicherheiten steigt die Gerinnehöhe sowohl mit abnehmendem Eintrittsdampfgehalt als auch entlang des Rohres, also während der Konensation, kontinuierlich an. Dieser Prozessverlauf von reinem Dampf bis hin zu hohen Kondensatgehalten ist in Pfeilrichtung von rechts nach links hervorgehoben. Die gute Reproduzierbarkeit der Prozessführung durch aufeinander aufbauende Experimente ist an der Überlappung der verschiedenen Eintrittsbedingungen sichtbar.


Danksagung

Die auf dieser Seite beschriebenen Arbeiten basieren auf Ergebnissen, die im Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen der AREVA GmbH, dem Paul Scheerer Institut und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf bis 2012 erzielt wurden.

Aufbauend auf diesen Ergebnissen arbeitet das HZDR derzeit in Kooperation mit der Gesellschaft für Reaktorsicherheit und der AREVA GmbH im Rahmen eines vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Projektes (PANAS, FKZ: 02NUK041B) mit optimierter Messtechnik an der Verbesserung der Bildqualität. Außerdem sind transiente Messungen und der Einsatz eines schnellen Tomographiesystems geplant, mit dem die Strömungsprozesse detailliert dargestellt werden können.

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