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Simon Schmitt

Head Communication & Media Relations
Science Editor
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Online-Jahresbericht 2014

Wissenschaftliche Höhepunkte


Dresdner Forscher liefern erstmals Einblicke in Strömungen statischer Mischer

Statische Mischer, wie hier grafisch dargestellt, sollen direkt in Rohrsystemen Strömungen vermischen.Einer der häufigsten Prozesse der chemischen Industrie ist das Verteilen und Lösen von Gas in Flüssigkeiten. Dafür werden verstärkt sogenannte statische Mischer eingesetzt. Bei dieser Methode mixen ausgeklügelte Anordnungen von Mischelementen, wie spiralförmige Flügel oder gekreuzte Stege, direkt in der Rohrleitung verschiedene Stoffe, zum Beispiel Gas und Flüssigkeit. Wie dieser Mischprozess im Detail abläuft, ist bislang allerdings unbekannt. Simulationen mit dem Computer, die oft für solche Probleme eingesetzt werden, sind nicht ausreichend leistungsstark, da die Strömungen zu dynamisch sind.

Forscher des HZDR-Instituts für Fluiddynamik haben deswegen eine neuartige Methode eingesetzt: die ultraschnelle Röntgentomographie. Dabei wird die Strömung aus allen Richtungen mit Hilfe einer schnell beweglichen Röntgenquelle durchstrahlt. Aus einzelnen Projektionen lassen sich anschließend Schnittbilder rekonstruieren. 1.000 Bilder in nur einer Sekunde sind so kein Problem. Selbst einzelne, in der Flüssigkeit verteilte Gasblasen und deren Weg durch die Mischsegmente werden sichtbar. Die Forscher interessiert vor allem die Verteilung der Blasengrößen, denn der Stofftransport erfolgt über deren Oberflächen. Gewünscht sind kleine, feinverteilte Gasblasen.

Mit den Untersuchungen konnten die Rossendorfer Wissenschaftler zeigen, dass die Turbulenz der Strömung und die Zentrifugalkräfte bei spiralförmigen Elementen konkurrieren. Dadurch wird die Vermischung und die Blasenverteilung beeinflusst. Einerseits zerteilen die Turbulenzen die Blasen. Andererseits verschmelzen sie teilweise wieder, da die Zentrifugalkräfte die leichtere Gasphase von dem schwereren Stoff, also der Flüssigkeit, trennen. Aus diesen Ergebnissen lassen sich Rückschlüsse für die optimale Anordnung der Einbauten und die Länge der Mischerstrecke ziehen. Dadurch kann die Energieeffizienz dieser Anlagen verbessert werden.

  • Publikation: S. Rabha, M. Schubert, F. Grugel, M. Banowski, U. Hampel, „Visualization and quantitative analysis of dispersive mixing by a helical static mixer in upward co-current gas-liquid flow”, Chemical Engineering Journal, 262, 527-540 (2015, DOI: 10.1016/j.cej.2014.09.019)
  • Kontakt: Dr. Markus Schubert, Institut für Fluiddynamik

Neue Kombination von Methoden gibt Einblicke in Uranyl-Verbindungen

Uran(VI)-Komplexe lassen sich zur Lumineszenz anregenDurch die Kombination mathematischer und experimenteller Verfahren konnten Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf überraschende Erkenntnisse zur Uranyl(VI)-Hydrolyse gewinnen. Dabei handelt es sich um das grundlegende Untersuchungsmodell für die Uranchemie in wässrigen Systemen. Um hochradioaktiven Abfall sicher in Endlagern unterzubringen, ist es notwendig zu wissen, wie die toxischen Stoffe auf ihre Umgebung reagieren. Um dies herauszufinden, greifen Wissenschaftler auf eine Vielzahl spektroskopischer Verfahren zurück. So lassen sich unter anderem die chemische Struktur, das Bindungs- und somit das Ausbreitungsverhalten der Actiniden entschlüsseln.

Lumineszenz-spektroskopische Methoden sind durch ihre hohe Empfindlichkeit besonders gut zur Untersuchung der Uranyl(VI)-Systeme geeignet. Die Analyse der erfassten Daten ist jedoch schwierig. Forscher des Instituts für Ressourcenökologie haben deshalb ein modernes Verfahren auf die Uranyl-Hydrolyse übertragen: die Parallele Faktoranalyse (PARAFAC). Dabei fügten die Dresdner Wissenschaftler Daten, die sie zum Beispiel mit zeitaufgelöster laserinduzierter Fluoreszenzspektroskopie für verschiedene pH-Werte gemessen hatten, zu einem dreidimensionalen Datenwürfel zusammen. Auf diese Weise konnten sie erstmals ein konsistentes Bild des untersuchten Uranyl(VI)-Systems zeigen und fünf wichtige Uranyl(VI)-Hydrolyse-Verbindungen identifizieren sowie spektroskopisch charakterisieren.

Die Ergebnisse widerlegen ältere Annahmen, dass eine Unterscheidung von Uranyl(VI)-Verbindungen durch Excitationsspektroskopie bei Wellenlängen von weniger als 370 Nanometern nicht möglich ist. Mit Hilfe quantenchemischer Berechnungen konnten die Forscher nicht nur ihre Erkenntnisse bestätigen, sondern auch zum ersten Mal eine Beziehung zwischen dem Lumineszenz-Signal und der chemischen Struktur herstellen. Damit ist diese grundlegende Arbeit zukunftsweisend für die Untersuchung komplexerer Uranyl(VI)-Systeme. Die Kombination moderner lumineszenz-spektroskopischer und theoretischer Methoden könnte darüber hinaus auf eine Vielzahl von Systemen weiterer Actiniden und Seltener Erden übertragen werden.

  • Publikation: B. Drobot, R. Steudtner, J. Raff, G. Geipel, V. Brendler, S. Tsushima, „Combining luminescence spectroscopy, parallel factor analysis and quantum chemistry to reveal metal speciation – a case study of uranyl(VI) hydrolysis”, Chemical Science, 2015, 6, 964-972 (2014, DOI: 10.1039/C4SC02022G)
  • Kontakt: Björn Drobot, Institut für Ressourcenökologie

Neuartige Krebsbehandlung startet in Dresden

Neue Krebstherapie in Dresden - BehandlungAls erster Standort in Ostdeutschland setzt das Dresdner Universitätsklinikum Carl Gustav Carus im Kampf gegen Krebs auf die Strahlentherapie mit Protonen. Mitte Dezember 2014 begannen die ersten Bestrahlungen von Tumorpatienten. Diese Art der Behandlung nutzt Protonen, die mit fast Zweidrittel der Lichtgeschwindigkeit in den Körper geschossen werden. Anders als bei der herkömmlichen Röntgenstrahlentherapie entfalten diese winzigen Teilchen ihre stärkste Kraft erst im Tumor, wodurch das umliegende Gewebe geschont wird. Die Anlage ist eine gemeinsame Einrichtung des Universitätsklinikums, der Medizinischen Fakultät der TU Dresden und des HZDR.

Die Wissenschaftler verfolgen dabei den Ansatz, Forschung und Behandlung unter einem Dach zu verbinden. Die wissenschaftlichen Ergebnisse fließen unmittelbar in die Therapie ein – die Erfahrungen aus der Behandlung wiederum in die Forschung. Dieser Kreislauf soll den Transfer der Forschungserkenntnisse in die klinische Anwendung beschleunigen. So wollen die Wissenschaftler den Einsatz von Protonen in der Krebstherapie in den nächsten Jahren patientennah und jenseits kommerzieller Zwänge weiterentwickeln.

Dafür steht den Forschern mit dem Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay eine moderne Infrastruktur zur Verfügung. Das Forschungsgebäude beherbergt neben der Protonentherapieanlage auch eine 250 Quadratmeter große Experimentierhalle. Hier arbeiten Forscher des HZDR gemeinsam mit der Dresdner Universitätsmedizin an einer komplett neuen Methode, um die Teilchen zu beschleunigen. Bei dem Verfahren soll hochintensives Laserlicht die elektromagnetischen Felder, die derzeit genutzt werden, ersetzen. Die Anlagen könnten dadurch kompakter und günstiger werden, was ihren Einsatz in normalen Krankenhäusern erleichtern würde.


Einfache Messmethode verbessert Genauigkeit der Protonentherapie

Verteilung prompt emittierter GammastrahlungProtonenstrahlen können den Kampf gegen Krebs entscheidend verbessern, denn ihre stärkste Wirkung kann präzise auf einen Punkt im Körper konzentriert werden. Ähnlich Gewehrkugeln hat ein Protonenstrahl eine gewisse Reichweite. Sofern die Anfangsgeschwindigkeit, mit der die Teilchen in den Patienten eindringen, richtig eingestellt ist, entfalten sie ihr größtes Zerstörungspotential genau im Tumor - also an der Stelle, an der sie zum Stillstand kommen. Gerade hier liegt jedoch die Herausforderung. Schon eine verstopfte Nase bei den Voruntersuchungen kann verzerrte Daten für die Bestrahlungsplanung liefern, was dazu führt, dass der Strahl das Ziel verfehlt. Weltweit wird deshalb nach Methoden gesucht, um die Reichweite der Protonen während der Behandlung exakt zu messen.

Eine überraschend einfache Technik konnten Dresdner Wissenschaftler entwickeln. Die hohe Geschwindigkeit der Protonen löst Kernreaktionen aus, bei der Gammastrahlung entsteht. Die bisherigen Konzepte versuchen, diese Strahlung mit komplexen und teuren Detektorsystemen zu messen, um so den Weg des Strahls nachzuverfolgen. Das neue Verfahren beruht dagegen auf einer Zeitmessung, die nur einen einzigen Detektor benötigt. Die Forscher des HZDR und des OncoRay-Zentrums setzen dabei auf einen Effekt, der bisher als Fehlerquelle betrachtet wurde: Protonen benötigen eine sehr kurze, aber endliche Zeit, bis sie das Ziel im Körper erreichen.

Ihre Abbremszeit hängt vom Bremsweg – also der Reichweite – ab. Die Gammastrahlung, die dabei erzeugt wird, entsteht deshalb innerhalb einer Zeitspanne, deren Dauer mit wachsender Reichweite zunimmt. Dies lässt sich leicht erfassen. Weichen die gemessenen Zeitspektren von den modellierten ab, trifft der Strahl sein Ziel nicht genau genug. Die Bestrahlung kann schon nach wenigen Sekunden abgebrochen werden. Bei Experimenten konnten die Forscher ihre theoretischen Annahmen bestätigen. Die Technik könnte die Sicherheitsabstände um den Tumor auf wenige Millimeter verringern und damit die Wirksamkeit der Bestrahlung erhöhen.

  • Publikation: C. Golnik, F. Hueso-González, A. Müller, P. Dendooven, W. Enghardt, F. Fiedler, T. Kormoll, K. Roemer, J. Petzoldt, A. Wagner, G. Pausch, „Range assessment in particle therapy based on prompt γ-ray timing measurements”, Physics in Medicine and Biology, 59, 5399-5422 (2014, DOI: 10.1088/0031-9155/59/18/5399)
  • Kontakte: Dr. Guntram Pausch, OncoRay; Dr. Fine Fiedler, Institut für Strahlenphysik

Magnetfeld und Laser entlocken Graphen ein Geheimnis

Auger-Streuung im Graphen sorgt für Umverteilung der ElektronenGraphen gilt als „Wundermaterial“: Es ist reißfester als Stahl und leitet Strom und Wärme besser als Kupfer. Als zweidimensionale Schicht, die nur aus einer Lage an Kohlenstoff-Atomen besteht, ist es aber zugleich auch flexibel, fast durchsichtig und rund eine Million Mal dünner als ein Blatt Papier. Schon kurz nach seiner Entdeckung vor zehn Jahren erkannten Wissenschaftler zudem, dass sich die Energiezustände von Graphen im Magnetfeld – die sogenannten Landau-Niveaus – anders verhalten als die von Halbleitern. Doch die Elektronen-Dynamik von Graphen in Magnetfeldern war bislang nicht untersucht worden.

Um der Dynamik der Graphen-Ladungsträger auf die Spur zu kommen, haben HZDR-Forscher den „Wunderstoff“ einem Magnetfeld ausgesetzt und ihn mit Lichtpulsen ihres Freie-Elektronen-Lasers untersucht. Dabei entdeckten sie ein scheinbar paradoxes Phänomen: Nach und nach leerte sich ausgerechnet das Energieniveau, in welches per Laser stets neue Elektronen gepumpt wurden. Verantwortlich für diese ungewöhnliche Umverteilung waren Stoßprozesse zwischen den Elektronen. Der Effekt war als Auger-Streuung zwar schon länger bekannt, doch niemand hatte zuvor erwartet, dass er so stark sein könnte und ein Energieniveau immer leerer räumt.

Diese Entdeckung könnte in Zukunft für die Entwicklung eines neuartigen Lasers genutzt werden, der Licht mit beliebig einstellbarer Wellenlänge im Infrarot- und Terahertz-Bereich produzieren kann. So ein Landau-Niveau-Laser galt lange als unmöglich, doch dank Graphen könnte dieser Traum der Halbleiter-Physiker durchaus wahr werden.

  • Publikation: M. Mittendorff, F. Wendler, E. Malic, A. Knorr, M. Orlita, M. Potemski, C. Berger, W.A. de Heer, H. Schneider, M. Helm, S. Winnerl: „Carrier dynamics in Landau quantized graphene featuring strong Auger scattering“, Nature Physics 11, 75-81 (2015, DOI: 10.1038/nphys3164)
  • Kontakt: Dr. Stephan Winnerl, Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung

Kosmische Jets von jungen Sternen formen sich durch Magnetfelder

Kosmische Jets formen sich bei der Entstehung eines SternsAstrophysikalische Jets gehören zu den spektakulärsten Phänomenen des Universums: Aus dem Zentrum von Schwarzen Löchern, Quasaren oder Protosternen werden diese Materie-Strahlen mitunter mehrere Lichtjahre weit ins All geschossen. Dabei handelt es sich um einen dünnen, geradlinigen Ausstoß von Materie aus dem Zentrum einer scheibenförmigen Ansammlung von kosmischem Gas und Staub. Zusammen mit Kollegen aus Europa, Amerika und Asien haben HZDR-Forscher ein Experiment umgesetzt, mit dem solche Jets allein durch Magnetfelder erzeugt und dadurch in einem Modell auch beschrieben werden können.

Für ihre Untersuchungen stellten die Forscher den Entstehungsprozess eines Jets im Labor nach: Eine Probe aus Kunststoff wurde hierzu mit einem Laser beschossen. Die Elektronen im Inneren des „Targets“ gerieten dadurch in Bewegung und das zuvor feste Kunststoff-Objekt verwandelte sich zum leitfähigen Plasma – eine Art „heiße Wolke“ aus Elektronen und Ionen, die sich sehr schnell ausbreitet. Im kleinen Maßstab repräsentierte dieses Plasma die Materieansammlung eines jungen Sterns. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler ihre Messergebnisse auf die real im Universum anzutreffenden Bedingungen hochrechnen.

Zugleich wurde das Plasma einem sehr starken, gepulsten Magnetfeld ausgesetzt, das mit einem speziell vom Hochfeld-Magnetfeldlabor Dresden entwickelten Pulsgenerator erzeugt wurde. Das war ein entscheidender Kniff des Experiments, denn – so die Hypothese der Physiker – unter Einfluss des Magnetfelds sollte sich das normalerweise breit gestreute Plasma fokussieren und eine Aushöhlung im Inneren bilden. Wie vorhergesagt führte dies schließlich zu einer Stoßwelle, aus der ein sehr dünner Strahl hervorging – ein Jet. Die experimentellen Daten stimmten dabei genau mit zuvor gesammelten astronomischen Beobachtungen von echten Jets überein.

  • Publikation: B. Albertazzi, A. Ciardi, M. Nakatsutsumi, T. Vinci, J. Béard, R. Bonito, J. Billette, M. Borghesi, Z. Burkley, S. N. Chen, T. E. Cowan, T. Herrmannsdörfer, D. P. Higginson, F. Kroll, S. A. Pikuz, K. Naughton, L. Romagnani, C. Riconda, G. Revet, R. Riquier, H.-P. Schlenvoigt, I. Skobelev, A. Faenov, A. Soloviev, M. Huarte-Espinosa, A. Frank, O. Portugall, H. Pépin, J. Fuchs, “Laboratory formation of a scaled protostellar jet by coaligned poloidal magnetic field”, Science, 346, 325-328 (2014, DOI: 10.1126/science.1259694)
  • Kontakt: Prof. Dr. Thomas E. Cowan, Direktor Institut für Strahlenphysik