Erneut in die Fabrik statt auf den Müll - Teil 2

Die Tücken der Müll-Sortierung

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Das Fairphone-2 ist speziell im Sinne einer transparenten Herstellung und für die Wiederverwertbarkeit konstruiert worden.

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Werden die Geräte zu Abfall, muss generell die Frage beantwortet werden, wie mit derartigem Schrott hinsichtlich der Entsorgung verfahren werden soll. Dies regelt in Deutschland das Elektro- und Elektronikgerätegesetz, kurz „ElektroG“. Es ist dazu da, die Umwelt vor Schadstoffen zu schützen, die in den Geräten stecken. Außerdem soll das Gesetz gewährleisten, dass möglichst viele Ressourcen wiedergewonnen werden. Das ElektroG schreibt zum Beispiel vor, dass Händler ab einer bestimmten Geschäftsgröße verpflichtet sind, kleine Altgeräte zurückzunehmen, um sie dem Recycling zuzuführen.

Damit die jeweils beauftragten Entsorger mit den Elektroaltgeräten vernünftig umgehen, ist für das ElektroG eine neue „Behandlungsverordnung“ geplant. Das UBA hat dafür seit November 2015 in einem offenen Prozess – gemeinsam mit 200 Beteiligten aus Unternehmen, Instituten, Umweltverbänden und Behörden – eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet, berichtet Schnepel. Dabei kristallisieren sich schon einige typische Anliegen heraus. Eines betrifft die sinnvolle Sortierung und Schadstoff-Entfrachtung des Schrotts.

So geht es in einer Empfehlung um Photovoltaik-Module. Diese sollen zunächst von Bauabfällen getrennt und bruchsicher erfasst werden, um sie dann der Entsorgung zuzuführen. Manche Photovoltaik-Paneele sind mit giftigem Cadmium-Tellurid beschichtet. Daraus ergeben sich für den Entsorgungsprozess spezifische Anforderungen.

Eine andere Empfehlung betrifft Leiterplatten in Elektronikgeräten. In Festplatten, Routern, Handys oder Computern sind relativ viele Edel- und Sondermetalle auf den Leiterplatten konzentriert. Diese Metalle lassen sich am besten zurückgewinnen, wenn die Leiterplatten vor Zerkleinerung der Geräte ausgebaut werden. Dann kann diese abgetrennte „Fraktion“ aus Leiterplatten in spezifischen metallurgischen Prozessen zur Rückgewinnung aufbereitet werden. Auf diese Weise erhält man die wertvollen Metalle zurück. Werden die Geräte dagegen als Ganzes, zum Beispiel in Schredderanlagen, zerkleinert, geraten die Edel- und Sondermetalle auch in den Kunststoffanteil. Dadurch gehen sie für eine Rückgewinnung verloren.

Rare Metalle im Elektronikschrott

Die Kreislaufwirtschaft wird nicht allein aus Gründen des Umweltschutzes angestrebt. Ein weiteres Motiv besteht in dem Wunsch, in einem vergleichsweise rohstoffarmen Land wie Deutschland effizient mit Ressourcen umzugehen. Langfristig sollen Wirtschaftswachstum und Rohstoffeinsatz entkoppelt werden. Die Regierung hat darum im vergangenen Jahr das „Deutsche Ressourceneffizienzprogramm“ bis 2020 fortgeschrieben. Auch auf EU-Ebene wird versucht, die Abhängigkeit vom Import kritischer Metalle zu verringern.

Schon lange gehört die Vorstellung, man könne Metalle einzig und allein aus Erzen gewinnen, der Vergangenheit an. Zwei Vergleiche demonstrieren, wie groß das Potenzial der Wiederverwertung ist: Der gesamte Müll eines Jahres in Deutschland enthält mehr Kupfer, als die größte Kupfermine weltweit fördert. Und in einer Tonne Handys steckt ungefähr 50 Mal so viel Gold wie in einer Tonne goldhaltigen Erzes.

Kobalt, Lithium, Indium, Gallium und Metalle der Seltenen Erden, wie etwa Neodym, zählen zu den Substanzen, über die im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft seit Jahren besonders intensiv nachgedacht wird. Der Bedarf an ihnen nimmt nicht zuletzt wegen der Energiewende zu, da nun viele Anlagen Stromgewinnung aus erneuerbaren Quellen gebaut werden müssen. Doch in vielen Fällen gibt es noch keine geeigneten oder rentablen Verfahren, um die genannten Substanzen aus dem Schrott herauszuholen.

Lithium zum Beispiel steckt in den Akkus vieler Geräte. Mit dem Aufkommen der Elektromobilität dürfte der Bedarf an Lithium noch einmal steigen. Zwei Drittel der Ressourcen dieses Metalls befinden sich in Chile und Bolivien. Sie könnten in absehbarer Zukunft erschöpft sein.

Darum wäre es hilfreich, wenn sich das Lithium, das in den Akkus steckt, recyceln ließe. Das war bisher aufwendig und teuer. Doch Forscher an der TU Bergakademie Freiberg scheinen kürzlich mithilfe eines neuen Verfahrens einen Weg gefunden zu haben, der in Zukunft zu akzeptablen Preisen die Wiedergewinnung von Lithium aus den Akkus gestatten könnte.

Die Versorgung mit dem Metall Kobalt, das oft für die Kathoden der Akkus verwendet wird, scheint allerdings noch deutlich kritischer zu sein. Das geht aus einer neuen Analyse der Lieferketten für Lithium-Ionen-Akkus durch Forscher am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) hervor. Kobalt wird derzeit größtenteils in der Republik Kongo gewonnen. Immerhin aber gibt es für dieses Metall bereits kommerziell lohnende Recycling-Verfahren.

Bereits an diesen wenigen Beispielen wird deutlich: Die Herausforderung, zu einer echten Kreislaufwirtschaft überzugehen, ist groß und komplex – gerade bei Elektronikschrott. Markus Reuter wünscht sich deshalb, das Potential der Kreislaufwirtschaft realistischer einzuschätzen. Ein Smartphone vergleicht er gern mit einer Tasse gesüßten Milchkaffee: „Die lässt sich auch nicht auf ökonomische Weise einfach wieder in Kaffeemehl, Wasser, Milch und Zucker zurückverwandeln. Zu hundert Prozent wird sich das Material komplexer Geräte prinzipiell nie recyceln lassen. Besser als bisher geht es aber auf jeden Fall.“


Autor: Sven Titz


Publikationen:

Fairphone’s report on recyclability – does modularity contribute to better recovery of materials, 2017

A. van Schaik, M.A. Reuter: Recycling indices visualizing the performance of the circular economy, World of Metallurgy – Erzmetall, 2017

M.A. Reuter, A. van Schaik, J. Gediga: Simulation-based design for resource efficiency of metal production and recycling systems: Cases – copper production and recycling, e-waste (LED lamps) and nickel pig iron, International Journal of Life Cycle Assessment, 2015 (DOI 10.1007/s11367-015-0860-4)

Kontakt:

Prof. Markus Reuter (HZDR)

Dr. Antoinette van Schaik (Material Recycling and Sustainability (MARAS) B.V.)