Nachricht vom 13. August 2019

Sternenstaub in der Antarktis

Jedes Jahr rieseln mehrere Tausend bis einige Zehntausend Tonnen kosmischen Staubs auf die Erde. Die meisten dieser winzigen Teilchen stammen von Asteroiden und Kometen unseres Sonnensystems. Ein kleiner Teil kommt jedoch von fernen Sternen zu uns. Besonders interessant ist das darin befindliche Eisen-Isotop, Eisen-60. Natürliche irdische Quellen gibt es nicht. Explodierende Sterne, sogenannte Supernovae, schicken dagegen große Mengen an Eisen-60 auf die Reise. Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben nun in Kooperation mit Kollegen von zwei Helmholtz-Zentren erstmals Eisen-60 in der Antarktis entdeckt. Aus dem Fund konnten sie spektakuläre Schlüsse ziehen.

Text: Thomas Bührke

Bei einer sogenannten Supernova schleudern explodierende Sterne mit großer Energie Materie in ihre Umgebung. Darunter befindet sich auch Eisen-60. Dieses Eisenisotop konnten Forscher nun zum ersten Mal in der Antarktis nachweisen.

Bei einer sogenannten Supernova schleudern explodierende Sterne mit großer Energie Materie in ihre Umgebung. Darunter befindet sich auch Eisen-60. Dieses Eisenisotop konnten Forscher nun zum ersten Mal in der Antarktis nachweisen.

Foto: NASA/CXC/SAO

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Es begann im Jahr 2015: Sepp Kipfstuhl vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) befand sich wieder einmal in der antarktischen Kohnen-Station, eine rund 750 Kilometer von der Neumayer-Station III entfernt gelegene Containersiedlung. Kipfstuhl untersuchte dort die Frage, wie sich Spurenstoffe im Eis ablagern. Ein Wunsch von Gunther Korschinek von der TUM kam ihm dabei als Abwechslung gerade recht. Er sollte 500 Kilogramm Schnee sammeln und in Kisten verpacken. Korschinek hatte bereits vor 20 Jahren Eisen-60 in Tiefseeablagerungen nachgewiesen. Eine Aufsehen erregende Entdeckung, denn die Forscher schlussfolgerten, dass vor rund zwei Millionen Jahren mehrere Supernovae in der Umgebung der Sonne explodiert sein müssen. Sie schlossen das aus der Tiefe in einer Mangankruste, in der sie das Eisen-60 fanden, das sich über Jahrmillionen am Meeresboden abgelagert hatte. Korschinek fragte sich daraufhin, wo er vielleicht weitere Eisen-60-Ablagerungen finden könnte, als Zeugen weiterer Sternenexplosionen, die in jüngerer Vergangenheit stattgefunden hatten. Ein schwieriges Unterfangen, weil der feine Staub aus dem Kosmos normalerweise in der Natur untergeht. Im reinen Schnee der Antarktis hingegen könnte er sich, so seine Überlegung, aufspüren lassen. „Also holten wir unsere Schaufeln raus und schippten Schnee“, erinnert sich Kipfstuhl. Anschließend machte sich die Probe im gefrorenen Zustand auf eine lange Reise.

Per Flugzeug wurden die 25 Kisten an die antarktische Küste transportiert, gelangten von dort mit einem südafrikanischen Forschungsschiff nach Kapstadt und wurden schließlich über das AWI in Bremerhaven nach München transportiert. Ein Team der TUM hat dann den Schnee geschmolzen und mit feinen Papierfiltern die festen Bestandteile vom geschmolzenen Schnee getrennt. Insgesamt 13 Filter gingen dann an das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), wo Silke Merchel nach allen Regeln der chemischen Kunst die festen Bestandteile auf dem Papier auflösen sollte. „Ich habe vorher mit leeren Filtern geübt, damit bei der endgültigen Arbeit mit der wertvollen Probe nichts schiefgeht“, erinnert sich die Chemikerin. „Außerdem habe ich geschaut, welche Elemente in den Filtern und verwendeten Chemikalien schon drin sind, denn die späteren Messungen waren so empfindlich, dass man damit alles findet.“ Von den insgesamt 13 Filtern mit der richtigen Probe hat ein Dresdner Kollege noch offensichtliche Verunreinigungen unter dem Mikroskop aussortiert, dann wurden sie bei 650 Grad Celsius verbrannt. „Diese Asche haben wir mit klassischen chemischen Methoden etwa drei Wochen lang bearbeitet, bis wir das für die spätere Analyse benötigte Eisen im Milligrammbereich vorliegen hatten“, erklärt die Dresdner Forscherin. „Diese winzigen Eisenproben wurden von einem HZDR-Kollegen persönlich nach München gebracht.“

Welche Entdeckung die Forscher dort gemacht haben, erfahren Sie auf helmholtz.de.


Publikation:

D. Koll, G. Korschinek, T. Faestermann, J. M. Gómez-Guzmán, S. Kipfstuhl, S. Merchel, J.M. Welch: Interstellar 60Fe in Antarctica, in Physical Review Letters, 2019 (DOI: 10.1103/PhysRevLett.123.072701)


Weitere Informationen:

Dominik Koll
Department of Nuclear Physics an der Australian National University
Tel.: +61 490 099 606 | E-Mail: dominik.koll@anu.edu.au

Dr. Gunther Korschinek
Fakultät für Physik an der Technischen Universität München
Tel.: +49 89 289 14257 | E-Mail: gunther.korschinek@ph.tum.de

Dr. Silke Merchel
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
E-Mail: s.merchel@hzdr.de