INSIDER-Newsletter | Ausgabe 01, Mai 2021

Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten – Der ungewöhnliche Weg eines Forschungslabors von Kalifornien nach Sachsen

„Es war eine absolute Ausnahmesituation“, erinnert sich Prof. Olav Hellwig. Bei einer Online-Auktion hatte der Speichertechnologie-Experte am HZDR seine ehemalige Forschungslaboreinrichtung aus dem Silicon-Valley in den USA entdeckt, die er daraufhin unbedingt ersteigern wollte. Es bot sich die einmalige Gelegenheit, ein Riesen-Schnäppchen zu machen. Schnell kontaktierte er Frank Steiniger vom Vergabe- und Beschaffungswesen des HZDR, der seinerseits Zollbeauftragte Cynthia Eißner mit ins Team holte. Es war Eile geboten, denn die Auktion hatte eine Frist, bis zu der alle Gebote eingegangen sein mussten. Nach genauer Prüfung der finanziellen und rechtlichen Machbarkeit legten die drei gemeinsam eine Obergrenze für den Kaufbetrag der Geräte fest: maximal 10 Prozent vom tatsächlichen Einkaufspreis. Doch es gab ein Problem: „Wir wussten nicht, wohin sich die Auktion entwickelt“, erzählt Hellwig. „Für jedes Einzelgerät gab es unbekannte Mitbieter.“

Hellwig Tools - Teamwork ©Copyright: HZDR/A. Wirsig

Das Ersteigerungsteam: Olav Hellwig, Professor für magnetische Funktionsmaterialien, Frank Steiniger vom Vergabe- und Beschaffungswesen und Zollbeauftragte Cynthia Eisner (v. l.)

Foto: HZDR/A. Wirsig

In dieser kniffligen Lage besaß das Ersteigerungsteam einen entscheidenden Vorteil: Aus seinem früheren Beruf kannte Hellwig die Anlagen in- und auswendig und wusste, dass die Forschungsgeräte auch wirklich funktionstüchtig sind. Er hatte in den Forschungsabteilungen bei IBM, Hitachi und zuletzt bei HGST – A Western Digital Company mit diesen Geräten gearbeitet. Als die Forschungsaktivitäten in den Industrieunternehmen immer weiter zurückgefahren wurden und schließlich fast ganz zum Erliegen kamen, fand er mit der gemeinsamen Berufung durch das HZDR und die TU Chemnitz ideale Voraussetzungen für die Fortsetzung seiner Projekte in Deutschland. 2016 zog er mit seiner Frau und seinen drei Kindern nach Sachsen um, behielt sein bisheriges Forschungslabor aber immer im Blick. Er wusste, dass der Leasing-Vertrag der dortigen Räumlichkeiten auslief, und über den Fortbestand oder Ausverkauf der Laborgeräte entschieden werden musste.

Ein unschlagbarer Paketdeal

Bereits im August desselben Jahres war es so weit: Die Auktion begann, doch Hellwig wusste nicht, wie im Hintergrund die Fäden gezogen werden. Kurzerhand rief er beim Auktionshaus an, um einen Deal zu unterbreiten: den Kauf von fünf Geräten zu einem Paketpreis. Weil die Labore in Chemnitz und Dresden erst eingerichtet wurden, gab es genügend Platz und viele Einsatzmöglichkeiten. Zugleich reduziert ein Abnehmer für mehrere Auktionsgegenstände den bürokratischen Aufwand auf Seiten des Verkäufers. „In dieser Win-Win-Situation erhielten wir letztlich den Zuspruch“, erzählt Hellwig, der kurzfristig einen Flug buchte, um bei der Übergabe der Geräte vor Ort mit dabei zu sein. Dies erleichterte auch die finale Abwicklung des Kaufes. Selbst für Verpackung und Transport konnte Hellwig noch Preisnachlässe aushandeln.

Der Transport als solcher war mehr als eine logistische Herausforderung: Die hochsensiblen Geräte mussten für eine abgefederte und schockresistente Beförderung verschraubt werden. Auch die Verpackung war überaus wichtig, da diese auf dem Seeweg der salzigen Luft ausgesetzt war und möglichst wenig davon an die Geräte gelangen sollte. Am Transportgut waren während der gesamten Zeit Sensoren angebracht, die Erschütterungen oder ein zu starkes Kippen der Fracht registriert und entsprechend aufgezeichnet hätten. Nach sechs Wochen kam der bis zum letzten Zentimeter befüllte Container schließlich in Rossendorf an. Alles war glatt verlaufen und die Beteiligten waren darüber sehr erleichtert.

Abteilungsübergreifend zum Erfolg

„Es war Adrenalin pur, doch der Aufwand hat sich gelohnt“, resümiert Frank Steiniger die erfolgreiche Aktion. Kolleg*innen aus Wissenschaft und Verwaltung haben sich flexibel gezeigt, schnell reagiert und eng zusammengearbeitet. Ein weiterer positiver Aspekt neben dem kostengünstigen Preis war die schnelle Inbetriebnahme der Geräte. Bei Neuerwerb derartiger Anlagen wird in der Regel ein sehr langer Zeitraum benötigt, bis alles vollständig installiert ist und zuverlässig funktioniert. „Wir haben förmlich einen Schnellstart hingelegt“, freut sich Hellwig. „Seither ist alles nahezu reibungslos verlaufen, so dass in den letzten vier Jahren bereits mehr als 30 einschlägige Publikationen erschienen sind, darunter zwei in Nature Communications, eine in Nature Physics, zwei in Physical Review Letters, eine in Science Advances, fünf in den Applied Physics Letters und 14 in Physical Review. Außerdem konnten wir ein erstes Patent einreichen. Alle Forschungsarbeiten befassen sich mit magnetischen Dünnschichtstrukturen, die größtenteils mit Geräten aus der Versteigerung umgesetzt worden sind.“

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Kontakt:

Prof. Olav Hellwig
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
Tel.: +49 351 260 2461 | E-Mail: o.hellwig@hzdr.de