Soziale Medien

Twitter-Logo  Mastodon-Logo  LinkedIn-Logo

Aktuelle Veranstaltungen

Initiativen & Kooperationen

Vorschau-Bild

Pressemitteilung vom 04. Oktober 2022

Optimierte Pandemie-Teststrategien für Pflegeheime

CASUS veröffentlicht neue Where2Test-App

Die mittlerweile dritte Web-App des Where2Test-Teams liefert Alters- und Pflegeheimen eine wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung einer Teststrategie in Pandemiezeiten. Unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren schlägt die App die tägliche Testung einzelner Gruppen der Bewohner*innen in festgelegten Intervallen von zwei bis mehreren Tagen vor. Die empfohlene Strategie zielt darauf ab, einen Krankheitsausbruch in möglichst kurzer Zeit zu entdecken, ohne das Pflegepersonal mit Tests zu überlasten. Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, dass die tagtägliche Pflegearbeit unter einem hohen Testaufwand leiden kann. Entwickelt hat die Anwendung das Where2Test-Team des Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). Dabei griff die Gruppe auf die Expertise von Pflegeheimleitungen zurück. Die App, gefördert vom Freistaat Sachsen, läuft auf der Webseite www.where2test.de.

Foto: Die neue Where2Test-App ©Copyright: HZDR-CASUS/M.Bajda

Die neue Where2Test-App

Bild: HZDR-CASUS/M.Bajda

Download

Der sogenannte Pflegeheim-Testoptimierer wurde auf der Grundlage von Daten und direktem Austausch mit Altenheimen entwickelt, die von der Diakonie Löbau-Zittau betrieben werden. Laut Geschäftsführerin Dr. Birgit Wagner habe man nun ein viel besseres Verständnis für die komplexen Zusammenhänge, die hinter dem Aufstellen einer Teststrategie stecken: „Man erhofft sich von der Wissenschaft die sofortige Lösung aller Probleme. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Der Kontakt mit dem CASUS-Team hat mir gezeigt, dass gute Wissenschaft sich einem Problem Stück für Stück nähert. Mit der vorliegenden App bin ich sehr glücklich, da sie uns helfen wird, eine effiziente Teststrategie zu finden, wenn die Corona-Schutzverordnungen in Zukunft mehr Flexibilität bei den Tests erlauben sollten beziehungsweise, wenn die Testpflicht komplett entfällt.“

Zwei gegensätzliche Ziele

Eine schnelle Entdeckung von Infektionen ist nur durch hohen Testaufwand und damit zusätzlicher Arbeitsbelastung möglich. Umgekehrt führt eine möglichst niedrige Arbeitsbelastung durch wenige Tests zu einer sehr späten Entdeckung eines Ausbruchs. Die neue Where2Test-App löst diesen Konflikt situationsspezifisch auf. Das heißt, dass beim Aufstellen der Teststrategie die jeweiligen Präferenzen und Gegebenheiten der Einrichtung entscheidend sind.

Die App bezieht anpassbare Kennzahlen wie die Größe der Einrichtung, die Anzahl der Kontakte der Bewohner*innen, den Aufwand für das Einrichten der Teststation und die Dauer der individuellen Tests in die Berechnung ein. Andere relevante Parameter werden als gegeben angenommen, darunter die vollständige Impfung aller Bewohner*innen und die Übertragungsrate der Omikron-Variante von SARS-CoV-2. Einige für die Erstellung einer optimalen Teststrategie nötigen Faktoren kann die App allerdings nicht berücksichtigen. Dazu gehört zum Beispiel das individuelle Risiko der Bewohner*innen, sich zu infizieren und das Virus weiterzugeben, das zum Beispiel vom Alter oder Begleiterkrankungen abhängt.

Nach Eingabe der unterschiedlichen Kennzahlen empfiehlt die App eine Teststrategie, die auf einer Einteilung aller Bewohner*innen in zwei oder mehrere Gruppen beruht. In einem Kalender ist dann ersichtlich, an welchem Tag welche Gruppe getestet werden sollte. Für jede berechnete Teststrategie wird außerdem angegeben, wieviel Stunden es durchschnittlich dauert, bis eine in die Einrichtung eingetragene Infektion erkannt wird und welcher Anteil der täglichen Arbeitszeit des Personals für das Testen in Anspruch genommen wird.

„Unsere neue App kann eine große Hilfe für die Leitung von Alters- und Pflegeheimen sein, Infektionsrisiko und Pflegequalität entsprechend der Gegebenheiten der Einrichtung auszubalancieren“, schätzt Prof. Justin Calabrese, Leiter des Projekts Where2Test, ein. „Bei dieser Abwägung spielen natürlich auch die äußeren Umstände eine große Rolle, darunter zum Beispiel die Häufigkeit von SARS-CoV-2-Infektionen in der Region. Unser Rat ist daher, eine einmal etablierte Teststrategie für eine Einrichtung regelmäßig zu überprüfen und lageabhängig anzupassen. Das gilt insbesondere mit Blick auf den kommenden Herbst, für den Fachleute mit steigenden Infektionszahlen rechnen.“

Raum mit mehreren vergleichbaren Lösungen gesucht

Die Web-App nutzt ein neuartiges, vom Where2Test-Team entwickeltes Modell zur Optimierung von Testplänen in Pflegeheimen. Da das Modell die Optimierung von zwei sich widersprechenden Zielen (objectives) verfolgt – eine möglichst kurze Zeit bis zur Erkennung einer Infektion bei möglichst wenig Testaufwand – wird es als Zwei-Zielsetzungs-Optimierungsmodell (bi-objectives optimization model) bezeichnet. Bei solchen Modellen gibt es typischerweise nicht die eine optimale Lösung, sondern vielmehr einen Raum mit mehreren vergleichbaren Lösungen. Um dennoch klare Aussagen zu erreichen, entschied sich das Entwicklerteam in der App für die Einführung eines Schwellenwertes für den Personalaufwand, also welcher Anteil der Arbeitszeit maximal für das Testen aufgewendet werden soll. Das eine Ziel des Zwei-Zielsetzungs-Optimierungsmodells ist somit nicht mehr ein möglichst niedriger Personalaufwand. Vielmehr ist das Ziel nun, dass der Aufwand nicht über dem gesetzten Schwellenwert liegt.

Hintergrund:

Die erste Webanwendung von Where2Test, der Ende 2021 vorgestellte „COVID-19 Arbeitsplatz-Risikokalkulator“, berechnet das Infektionsrisiko der Angestellten am Arbeitsplatz und vergleicht es mit dem Hintergrundrisiko einer Infektion im Alltag. Die zweite App – veröffentlicht im März 2022 – regt zu einer Beschäftigung mit der Balance zwischen Infektionsrisiko und Produktivität an. Der sogenannte Büroanwesenheits-Optimierer ist für all jene Organisationen und Unternehmen konzipiert, bei denen Homeoffice zwar möglich ist, doch aus verschiedenen Gründen nicht dauerhaft zu 100 Prozent umzusetzen ist.

Das Projekt Where2Test wurde im August 2020 initiiert und ist mit insgesamt einer Million Euro aus dem Etat des Sächsischen Wissenschaftsministeriums und dem Corona-Bewältigungsfonds des Freistaats Sachsen finanziert. Nach dem Aufbau des Teams stand zunächst die Programmierung einer digitalen Plattform im Fokus, die die Grundlage für die Aufnahme, Darstellung und Modellierung von Daten bildet. Diese Plattform ging im Februar 2021 online und beinhaltet derzeit die COVID-19-Fallzahlendaten für das Bundesland Sachsen, den polnischen Verwaltungsbezirk Niederschlesien und die gesamte Tschechische Republik. In der zweiten, nun abgeschlossenen Projektphase wurden mehrere Softwareanwendungen für unterschiedliche Optimierungen rund um die Pandemie veröffentlicht. In der verbleibenden Projektlaufzeit bis Ende 2022 sollen die gewonnenen Erkenntnisse über Artikel in Fachjournalen verbreitet werden.

Where2Test ist online unter www.where2test.de erreichbar. Die neue Web-App kann direkt unter www.where2test.de/retirement aufgerufen werden.


Weitere Informationen:

Dr. Weronika Schlechte-Wełnicz | Projektkoordinatorin Where2Test
Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am HZDR
E-Mail: w.schlechte-welnicz@hzdr.de

Pressekontakt:

Dr. Martin Laqua | Referent Kommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am HZDR
Mobil: +49 1512 807 6932 | E-Mail: m.laqua@hzdr.de