Zerstörungsfreie Ionenstrahlanalyse für Archeometrie und Kunst

Methode

Normalerweise findet die Ionenstrahlanalyse im Vakuum statt, was die Größe und Zerbrechlichkeit der zu untersuchenden Objekte einschränkt und auch zu größeren Schäden führen kann, da die Wärme im Vakuum nicht gut geleitet wird. Durch die Durchführung der Messungen an Luft können diese Einschränkungen beseitigt und die Schäden verringert werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Methoden der Ionenstrahlanalyse (IBA) auf archäometrische Objekte und Kunstwerke anzuwenden.

Foto: Augustus Rex Vase (Art Collection Rudolf August Oetker GmbH, Bielefeld) ©Copyright: Dr. Christian Neelmeijer

Augustus Rex Vase (Art Collection Rudolf August Oetker GmbH, Bielefeld) in Messposition am externen Ionenstrahl Messplatz

Beispiele für Bereiche, in denen IBA nützlich sein kann, sind

  • Konservierung
    Die frühzeitige Erkennung eines beginnenden Verfalls oder die rechtzeitige Diagnose potenzieller Risiken gewährleistet die präventive Erhaltung gefährdeter Kunstobjekte.
  • Konservierung
    Die Analyse der Zusammensetzung von Farben auf Porzellanobjekten oder Emaille durch IBA kann Kunstrestauratoren bei ihrer Arbeit zur Restaurierung alter und wertvoller Objekte helfen.
  • Kunsttechnologie
    Die Kenntnis der Zusammensetzung der in Kunstwerken verwendeten Materialien hilft Kunsthistoriker*innen, vorhandene Werke ihren Schöpfern zuzuordnen und die Produktionsmethoden und Materialien, die für die Entstehung der Kunstwerke verwendet wurden, besser zu verstehen.
  • Echtheit
    In günstigen Fällen reicht eine einfache Elementaranalyse aus um Kopien oder Fälschungen zu identifizieren. Dies gilt insbesondere für Untersuchungen von Pigmenten, die es ermöglichen Widersprüche zwischen der das Objekt zugeschrieben Zeit und der Zeit, in der dieses Pigment verfügbar war, zu erkennen.
  • Prähistorische Verarbeitung und Provenienz
    Die Analyse der Zusammensetzung von Glas, Metallen und Pigmenten, die in archäologischen Kunstwerken verwendet wurden und in die Quellen dieser Materialien, kann Aufschluss geben über die Art der Verarbeitung dieser Materialien und die Handelswege die zur Zeit der Entstehung der Kunstwerke bestanden.

Vorteile

  • Keine Probenahme
  • Zerstörungsfreie Analyse an Atmosphäre
  • Punktanalyse (~ 1 mm2), Untersuchung von kleinen Details oder Miniaturen
  • Einfache und reproduzierbare Positionierung, manuell oder computergesteuert
  • Kurze Messzeiten (0.5 - 5 min) bei geringem Protonenstrom (< 0.5 nA)
  • Empfindliche Multielementanalyse von Haupt- und Nebenelementen
  • Tiefenaufgelöste Materialanalyse, d.h. Unterscheidung von Schichtstrukturen

Einschränkungen

  • Die (wertvollen) Objekte müssen an den Ort des Teilchenbeschleunigers gebracht werden
  • Keine Informationen über chemische Bindungen
  • Vorhandensein von organischen Überlagerungen nachweisbar, aber chemisch nicht identifizierbar

Aufbau des externen Ionenstrahls am HZDR

Der externe Ionenstrahl ist an das 6MV-Tandetron des Ionenstrahlzentrums angeschlossen, und typischerweise wird ein 4 MeV-Protonenstrahl verwendet, der das Vakuum durch eine 2 µm starke Havar-Folie (Kobaltlegierung) verlässt. Dieser Strahl eignet sich sehr gut für PIXE- und PIGE-Analyse, die eine Multielementanalyse des nahezu gesamten Periodensystems ermöglicht. Die gleichzeitige Detektion von rückgestreuten Protonen (RBS) hebt C, N und O hervor, zusätzlich zu den schweren Elementen auf der Objektoberfläche und liefert Tiefeninformationen im oberflächennahen Bereich. Eine Kamera kann zur genauen Positionierung des Objekts verwendet werden.

Externer Strahl Messplatz am HZDR

Externen Ionenstrahls am HZDR

Proben

Es kann eine Vielzahl von Proben analysiert werden, z. B. Objekte, die zu groß oder zu zerbrechlich sind um sie ins Vakuum zu bringen, oder die so wertvoll sind, dass Beschädigung minimiert werden muss durch sehr niedrige Strahlströme und durch Kühlung mit einem Helium- oder Luft-strom. Solche Objekte sind z. B. Porzellanfiguren, Glas- oder Metallgegenstände, Gemälde.

  • Proben können sehr groß sein (> 1 m) und eine unregelmäßige Form haben, aber der zu untersuchende Bereich muss nahe am Ionenstrahlaustritt liegen.
  • Die Objekte können auch schwer sein (> 10 kg), aber die Messposition muss stabil sein, was manchmal eine spezielle Halterung erfordert.
  • Bei der Auswahl der zu untersuchenden Objekte sind Transportrisiken, Belastung durch normale Luft, Kosten für Verpackung und Versicherung usw. zu berücksichtigen. Eine Vorauswahl der Objekte vor Ort, z. B. mit einem RFA-Handmessgerät, ist ratsam.

Anwendungen

  • Untersuchung von blauem Glas aus Amarna, Ägypten, im Hinblick auf die Quellen von Kobalt und anderen farbgebenden Elementen (Chromophoren).

Ziel: Bestimmung der chemischen Zusammensetzung von spätbronzezeitlichen Glasobjekten aus Amarna (Ägypten) um Informationen über Chromophoren und Übergangsmetalle zu erhalten, die mit den Quellen von Kobalterz in Verbindung gebracht werden, dem Hauptfarbstoff für blaues Glas, eine beliebte Farbe im pharaonischen Ägypten. Ziel ist es neue Einblicke in den Glasherstellungsprozess in Amarna zu gewinnen, die Quellen des Kobalterzes zu identifizieren und dadurch Handelsrouten zu bestimmen.

Vorgehensweise: Eine Reihe von Glasobjekten aus der Sammlung des Ägyptischen Museums Berlin (ÄMP) wurde mit einem 4 MeV externen Protonenstrahl analysiert. PIXE, mit zwei Röntgendetektoren, und PIGE wurden verwendet um die Zusammensetzung der Haupt- und Nebenelemente zu bestimmen, und RBS wurde verwendet um den Korrosionszustand der möglicherweise über Jahrtausende vergrabenen Glasobjekte zu untersuchen. Eine sich teilweise überschneidende Gruppe von Objekten wurde auch am New-AGLAE Beschleuniger im Louvre (Paris, Frankreich) analysiert.

Foto: Ternary diagram for Egyptian blue glass ©Copyright: Dr. Frans Munnik

Ternärdiagramme für ägyptisches Blauglas, die die Korrelation zwischen den Übergangsmetallen Ni, Mn und Zn und Co zeigen.

Foto: RBS spectra of oxidised blue glass from Amarna ©Copyright: Dr. Frans Munnik

RBS-Spektrum einer korrodierten Probe von blauem Glas aus Amarna (ÄM36902) im Vergleich zu einer nicht korrodierten Probe (ÄM39040).

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Quelle des in Amarna verwendeten Co-Erzes die Oasen Kharga und Dakhla in der westlichen ägyptischen Wüste waren.

Anna K. Hodgkinson, Quentin Lemasson, Michael Mäder, Frans Munnik, Laurent Pichon, Stefan Röhrs, Ina Reiche,
A comparative compositional study of Egyptian glass from Amarna with regard to cobalt sources and other colourants
Eingereicht bei Archeometry


  • Goethes Prismen
Foto: GNF 0151 Two Prisms of Flint- und Crownglass ©Copyright: Klassik Stiftung Weimar

GNF 0151: Zwei Prismen von Flint- und Crownglas (links und rechts). ©: Klassik Stiftung Weimar

Goethe war ein begeisterter Wissenschaftler, der sich aufgrund seiner Beschäftigung mit der Malerei sehr für Farben interessierte. Im Jahr 1810 veröffentlichte er sein Buch "Zur Farbenlehre". Für dieses Werk führte er in Zusammenarbeit mit Johann Wilhelm Ritter Versuche mit Prismen durch.

Ziel: Bestimmung der Zusammensetzung der Glasprismen um

  • Versuche zu rekonstruieren, "Sehen, was Goethe gesehen hat",
  • die Herstellung der Prismen zu verstehen,
  • die Innovationsgrades der Prismen zu bewerten.

Erste Analysen im Museum mit einem RFA-Handmessgerät waren unbefriedigend.

Vorgehen: Eine Reihe von Prismen wurde von der Klassik Stiftung Weimar zur Verfügung gestellt und mit einem externen 4 MeV Protonenstrahl analysiert. PIXE- und PIGE-Spektren wurden analysiert um die Zusammensetzung der Haupt- und Nebenelemente zu ermitteln.

Für das Objekt GFN 0194 konnten mit einem tragbaren RFA-Analysator keine brauchbaren Ergebnisse erzielt werden.

Foto: PIXE/PIGE spectrum of prism GNF 0194 ©Copyright: Dr. Frans Munnik

PIXE/PIGE Spektra und Photo von das Prisma GNF 0194

Anhand der PIXE- und PIGE-Analyse konnten die Hauptelemente Pb sowie B und O (aus RBS) bestimmt werden. Dies deutet auf Borat-Flintglas hin, obwohl das in dieser Art von Glas häufig vorkommende Aluminium fehlt.

Die Zusammensetzung bestätigt, dass die Prismen höchstwahrscheinlich aus Goethes Zeit stammen, und die Ergebnisse sind nützlich für die weitere Interpretation von Goethes Messungen.

Dieses Projekt wurde von Prof. O. Müller von der Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Philosophie, initiiert und von der Klassik stiftung Weimar unterstützt.