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Pressemitteilung vom 30.05.2023

Erforschung der Ausbreitung invasiver Tierarten

Invasive Arten gelten als große Bedrohung für die globale Artenvielfalt. Wissenschaftler*innen des Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) haben nun anhand nordamerikanischer Süßwasserfischgemeinschaften herausgefunden, was den Erfolg invasiver Fischarten wahrscheinlich macht: Demnach sind es einerseits eine hohe Fruchtbarkeit, eine längere Lebensdauer und die Größe der Art, die mitentscheidend für deren Überleben sind. Andererseits müssen die bestehenden Fischgemeinschaften auch offene funktionale Räume haben, in denen sich die Neuankömmlinge einnischen können, schreiben die Wissenschaftler*innen in einer Studie für die Fachzeitschrift Nature Communications (DOI: 10.1038/s41467-023-38107-2).

Foto: Der Schwarzbarsch (Micropterus Salmoides), ein Fisch, der im Osten der Vereinigten Staaten heimisch ist, aber im westlichen Teil der USA sowie in vielen Ländern der Welt als invasiv gilt. ©Copyright: Totti; CC-BY-SA-4.0

Der Forellenbarsch (Micropterus Salmoides), ein Fisch, der im Osten der Vereinigten Staaten heimisch ist, aber im westlichen Teil der USA sowie in vielen Ländern der Welt als invasiv gilt.

Bild: Totti; CC-BY-SA-4.0

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Die Einwanderung invasiver Arten – also Tier- und Pflanzenarten, die sich weit entfernt von ihrem eigentlichen Verbreitungsgebiet einen neuen Lebensraum erobern – hat oft negative Folgen: Sie verdrängen einheimische Arten, übertragen Krankheiten oder verändern durch Kreuzung mit einheimischen Arten den Genpool. Auch in Fischgemeinschaften ist das nicht viel anders: Invasive Fischarten, die etwa über Schifftanks unbeabsichtigt in neue Regionen der Welt eingeschleppt oder von der Fischereiwirtschaft und Anglern bewusst eingeführt wurden, können einheimische Fischarten verdrängen und zu deren lokalem Verschwinden führen, Krankheiten mitbringen oder das ökologische Gleichgewicht des Ökosystems verändern. „Viele gebietsfremde Arten wurden mit guter Absicht eingeführt, doch irgendwann zeigt sich dann doch, dass sich diese neue Art  in irgendeiner Form negativ auf die Umwelt auswirkt“, sagt Co-Autor Prof. Justin Calabrese, der seit 2020 am HZDR-Institut CASUS an der Schnittstelle von Ökologie und Datenwissenschaften forscht.

Untersuchung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven

Für die Studien nutzte das CASUS-Team eine frei zugängliche umfangreiche Datenbank aus den USA, die die Daten von mehr als 1.800 Fischgemeinschaften vor allem in Flüssen Nordamerikas enthält. Die Wissenschaftler*innen untersuchten die Einwanderung invasiver Fischarten in die Fließgewässerökosysteme aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Zum einen analysierten sie, welche morphologischen und physiologischen Eigenschaften oder Verhaltensmerkmale die gebietsfremden Arten vorweisen, die in einem Ökosystem eine Nische in einer bestehenden Artengemeinschaft gefunden haben. Dazu zählen etwa die Größe der Art, Schätzungen zur Fortpflanzung, Ernährungsweise, Salz- und Temperaturtoleranz oder die Pflege des eigenen Nachwuchses. Zum anderen erforschten sie, wie durchlässig eine bestehende Fischgemeinschaft ist, sodass sich dort eine neue Fischart behaupten kann. „Wir wollten verstehen, welche Anordnung von funktionalen Merkmalen das Eindringen von invasiven Arten in eine bestehende Artengemeinschaft ermöglicht“, sagt Calabrese.

Das Ergebnis der umfangreichen Datenanalyse: Hat eine invasive Fischart eine höhere Fruchtbarkeit, eine längere Lebensdauer und ist sie zudem deutlich größer als vergleichbare einheimische Arten, ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Einnischung hoch. „Das sind Parameter, die biologisch gesehen für eine invasive Art sehr sinnvoll sind“, sagt der Erstautor der Studie, Dr. Guohuan Su, der bis Januar 2023 am CASUS tätig war. So ist zum Beispiel eine hohe Fruchtbarkeit mit vielen Eiern und Nachkommen ein klarer Vorteil, damit eine Fischart in einer für sie ungewohnter Umgebung heimisch werden kann. Dies konnte in früheren Studien bereits für den Europäischen Karpfen in Australien nachgewiesen werden. Weniger ins Gewicht fällt laut Datenauswertung der CASUS-Forschenden dagegen, ob zum Beispiel die invasive Art als Raubfisch an der Spitze der Nahrungskette steht. Doch diese funktionalen Merkmale der Arten sind nur die eine Seite, die deren Besiedlungserfolg ausmacht.  „Wir konnten andererseits feststellen, dass sich die Verteilung der Fischarten auf bestimmte Ressourcen konzentriert und es damit einen Peak an Ressourcen gibt, die diesen Raum attraktiv machen“, sagt Calabrese. Für invasive Arten ist es also sinnvoll, dort heimisch zu werden, wo ausreichend Nahrung, passende Temperaturen oder die Abwesenheit von Beutegreifern locken.

Zugleich dürfen die funktionalen Merkmale der Neubürger aber nicht denen der dort bereits lebenden Artengemeinschaft zu stark ähneln. „Sind die Unterschiede nur gering, müssen die invasiven Arten mit den dort lebenden Arten konkurrieren. Das ist anstrengend und verspricht nicht zwingend eine erfolgreiche Besiedlung“. Gelingt es einer gebietsfremden Art, sich in dem ressourcenreichen Raum einzunischen, hat sie gute Chancen, dauerhaft heimisch zu werden. „Es ist also die Kombination dieser Merkmale, die eine erfolgreiche Einnischung einer invasiven Art ermöglichen“, bilanziert der Fischökologe Su.

Vorhersagen zu Ansiedlungen invasiver Arten

Von Nutzen sind die Erkenntnisse der CASUS-Forschenden, weil sich so künftig die Vorhersage der Einwanderung invasiver Arten in Süßwasserfischgemeinschaften optimieren lässt. „Wir verstehen jetzt besser, was eine Artengemeinschaft potenziell empfänglich macht für neue Arten. Man kann nun Flüsse und Seen analysieren und abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass dort neue Fischarten heimisch werden“, sagt Calabrese. Damit ließen sich jene Gewässer identifizieren, die besonders gefährdet sind durch invasive Arten. Zudem könne man jene invasiven Fischarten ausfindig machen, die wahrscheinlich sehr erfolgreich neue Lebensräume einnehmen, und darauf achten, dass sie sich nicht ausbreiten. „Aus unseren Ergebnissen lassen sich nützliche Hinweise zum Umgang mit invasiven Arten ziehen, bevor sich diese irgendwo ansiedeln“, bilanziert Su. Denn eines ist bestens bekannt über invasive Arten, egal ob Fisch, Säugetier oder Pflanze: Wenn eine neue Art erst mal Fuß gefasst hat, ist es nahezu unmöglich, dass der Mensch sie wieder aus dem Lebensraum vertreiben kann. Deshalb wäre es besser, wenn sie gar nicht erst heimisch werden würde.


Publikation:

Su G., Mertel A., Brosse S., Calabrese J.M.: Species invasiveness and community invasibility of North American freshwater fish fauna revealed via trait-based analysis,  Nature Communications (2023), DOI: 10.1038/s41467-023-38107-2


Weitere Informationen:

Prof. Justin Calabrese I CASUS - Center for Advanced Systems Understanding at HZDR
E-Mail: j.calabrese@hzdr.de

Medienkontakt:

Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
Tel.: +49 351 260 3400 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de