Pressemitteilung vom 20.09.2023

Innovative Messtechnik des HZDR soll das Vermischen in Klärwerken und Biogasanlagen optimieren und viel Energie sparen – Praxispartner gesucht

Das Herzstück jeder Abwasserbehandlung, Biogasproduktion und biologischen Abfallentsorgung sind Rührwerke. Vergleichbar mit einer Rührmaschine beim Kuchenbacken drehen sich die Rührwerks-Propeller in den Anlagen konstant mit einer Geschwindigkeit, um große Mengen von Flüssigkeiten zu vermischen und die Bestandteile gleichmäßig zu verteilen. Dabei verbrauchen sie sehr viel Energie: In der Regel wird in einer herkömmlichen Kläranlage mehr als ein Viertel des Energieverbrauchs hierfür aufgewendet. Um die Effizienz zu verbessern, haben sich Wissenschaftler*innen des Helmholtz Innovation Labs CLEWATEC am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) nun mit vier Praxis-Partnern im Projekt RIOWAR zusammengeschlossen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, den Energieverbrauch dieser Anlagen mit Hilfe präziser Bildgebungsverfahren, innovativer Sensorik und Simulations-Software bis zum Jahr 2025 um 20 Prozent zu senken. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt das ambitionierte Vorhaben mit einer Fördersumme in Höhe von 2,5 Millionen Euro.

Foto: Mit Hilfe von Computersimulationen werden Strömungen, die das Rührwerk erzeugt, sichtbar gemacht. ©Copyright: hydrograv

Mit Hilfe von Computersimulationen werden Strömungen, die das Rührwerk erzeugt, sichtbar gemacht.

Bild: hydrograv

Download

Das Technologietransfer-Projekt RIOWAR steht als Abkürzung für „Optimierte Rührwerke für Biogasfermenter und Anlagen zur biologischen Abwasser- und Reststoffbehandlung“. Genau das ist auch das Anliegen: Neue Kriterien für ein effizientes Rühren zu definieren und über hochauflösende Sensoren und Messverfahren zu ermitteln, wie viel Energie wirklich notwendig ist, um den Prozess der Fermentation oder auch Zersetzung voranzutreiben. „Aus unserer Sicht müssen die Rührwerks-Propeller zukünftig basierend auf live gemessenen Sensorwerten laufen. Hinter der Steuerung der Rührwerke versteckt sich ein großes Energiespar-Potenzial“, ist sich Dr. Sebastian Reinecke sicher. Der Wissenschaftler am Institut für Fluiddynamik leitet seit fast drei Jahren das Clean Water Technology Lab CLEWATEC am HZDR. CLEWATEC ist ein Innovationslabor, das als Schnittstelle zwischen Forschung und Industrie nachhaltige Technologien für die Wasseraufbereitung entwickelt und testet. Industriepartner profitieren sowohl von der Expertise der Wissenschaftler*innen als auch vom Zugang zur Infrastruktur des Instituts für Fluiddynamik wie Abwasserlabor, Strömungslabor, biochemische Labore sowie Simulations- und Messtechnik.

Bewegung der Flüssigkeiten sicht- und messbar machen

„Aktuell ist für den Rühr-Erfolg in Biogasanlagen und Belebtschlammbecken in Kläranlagen einzig eine Mindest-Fließgeschwindigkeit definiert. Die Hersteller von Propeller-Rührwerken berechnen anhand der notwendigen Geschwindigkeit die Kraft, mit der die Propeller kontinuierlich die Flüssigkeiten im Behälter umwälzen“, erklärt Dr. Sebastian Reinecke weiter. „Doch niemand interessiert sich bisher für die Turbulenz, also die Bewegung der Flüssigkeiten, die beim Rühren entsteht und die sicherstellt, dass der Mischprozess in den Anlagen erfolgreich abläuft.“ Im Projekt RIOWAR will CLEWATEC zusammen mit vier Partnern die Turbulenz sicht- und messbar machen, um anschließend Rührwerke zu bauen, die nur dann laufen, wenn es notwendig ist.

Neben computertomographischen Messverfahren zur Darstellung von Gasgehaltsverteilungen in Flüssigkeiten sollen künftig auch akustische Sensoren zum Einsatz kommen. Für das CLEWATEC-Team ist die akustische Messung der Bewegung ein neues Forschungsfeld, mit dem das Lab seine Kompetenzen erweitert. Die HZDR-Wissenschaftler*innen haben sich Partner gesucht, die den gesamten Mischprozess von der wissenschaftlichen Analyse bis zur optimierten Rührmaschine in den Blick nehmen. Mit dabei ist die Firma hydrograv, eine Ausgründung der TU Dresden, die Simulations-Software anbietet, die sichtbar macht, was die Sensoren hören und messen. Als wissenschaftlicher Partner ergänzt das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) mit bildgebenden Verfahren zum Erfassen von Strömungsprozessen. Die PreSens GmbH aus Regensburg bringt als Unternehmen ihre Kompetenz auf dem Gebiet der Sensorik ein. Schließlich ist die Firma PTM aus Landsberg als Anwendungsspezialist und Hersteller von Rührwerken Teil von RIOWAR, um die neuen energiesparenden Propeller-Rührwerke zu bauen.

Praxispartner für Test der neuen Rührstandards gesucht

Kay Rostalski von der PTM GmbH aus Sachsen-Anhalt wünscht sich schon lange Innovationen in der Anwendung von Rühranlagen. Gerade für die über 10.000 Biogasanlagen und rund 9.000 Kläranlagen in Deutschland sind energiesparende Rühranlagen ein entscheidender Betriebsfaktor. Daher ist ein Ziel des Projektes, die innovativen Technologien als Stand der Technik bundesweit anzuwenden und als neue Richtlinie umzusetzen.

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ist als drittgrößter Regelsetzer in Deutschland für mehr als 2.000 gültige Richtlinien sowie DIN-Normen zuständig. Dazu gehört auch die Richtlinienreihe VDI2774 für den energieeffizienten Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen. Dort sollen künftig auch Standards für die Energieeffizienz von Anlagen zur anaeroben Behandlung biologischer Reststoffe geregelt werden. Der VDI e. V. aus Düsseldorf ist ein wichtiger assoziierter Partner im Projekt RIOWAR, um den Transfer der Projektergebnisse in die breite Anwendung zu gewährleisten. Weitere assoziierte Partner sind die Berliner Wasserbetriebe AöR, die Hallesche Wasser- und Stadtwirtschaft GmbH, die KSB Service GmbH in Schwedt und die Stefan Steverding Rührwerkstechnik GmbH in Stadtlohn.

Um die Technologien für eine breite Palette an Anwendungen und Anlagengrößen zu testen und neue Rührstandards durchzusetzen, möchte das Projekt weitere Praxispartner gewinnen. Das HZDR sucht gemeinsam mit dem VDI nach Betreibern und Dienstleistern sowie Anlagenherstellern in der Prozessindustrie, im Biogas-, Wasser- und Abwasser-Sektor. Möglichst viele Akteure sollen in die Erprobung der Projektergebnisse eingebunden werden. Interessierte Fachleute melden sich bitte unter folgendem Link an: https://forms.office.com/pages/responsepage.aspx?id=UzQaP39bJEazLINEjyfAgv8A-Rj6axFEo8m_L9pyPNFUQ1c1Qlk2UDEwMTFTSkxUVlhST1A0NDZYNS4u


Weitere Informationen:

Dr. Sebastian Reinecke | Koordinator Helmholtz Innovation Lab CLEWATEC (Clean Water Technology Lab)
Institut für Fluiddynamik am HZDR
Tel.: +49 351 260 2320 | E-Mail: s.reinecke@hzdr.de

Medienkontakt:

Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
Tel.: +49 351 260 3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de