INSIDER-Newsletter, Juni 2024

„Ich möchte verhindern, dass HZDR-Forschung in die falschen Hände gerät“

Interview mit Pedro Roldan-Vazquez, Referent für Internationale Compliance im Stab des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf.

Im HZDR-Vorstandsbüro hat vor wenigen Monaten ein neuer Mitarbeiter seine Arbeit aufgenommen. Pedro Roldan-Vazquez verstärkt die Stabsabteilung seit Herbst 2023 bei der Konzeption und Umsetzung eines Compliance-Programms für Fragestellungen mit internationalem Bezug. In dem für drei Jahre angelegten Projekt entwickelt der Jurist ein System von Risikoanalysen, das dem Zentrum dabei helfen soll, die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt sicherer zu gestalten. Wie funktioniert das System und was bedeutet es für internationale Forschungskooperationen? Dazu hat INSIDER Pedro Roldan-Vazquez befragt.

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Pedro Roldan-Vazquez

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Herr Roldan-Vazquez, in Ihrem Projekt geht es um Compliance für die Außenwirtschaft. Was ist damit gemeint?

Darunter versteht man die fortlaufende Analyse der vielen internen und externen Vorschriften, die bei Geschäften mit dem Ausland zu beachten sind. In erster Linie betrifft sie die Folgen und Risiken, die sich aus dem Austausch von Gütern und Dienstleistungen ergeben. Am HZDR geschieht das vor allem im Rahmen von Forschungskooperationen und beim Technologietransfer, zum Beispiel bei Softwarelizenzen, technischen Unterlagen oder der Einstellung und Aufnahme ausländischer Forscherinnen und Forscher. Meine Aufgabe ist es, die in diesen Prozessen getroffenen Entscheidungen zu analysieren und zu dokumentieren, um potentielle oder tatsächliche Probleme von internationalen Kooperationen frühzeitig zu erkennen.

Das HZDR hat Ihre Stelle neu geschaffen und dafür eine Förderung durch den Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft eingeworben. Warum ist das Thema gerade jetzt wichtig?

Die Notwendigkeit, sich rechtskonform (engl. „compliant“) zu verhalten, hat nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Wissenschaft an Bedeutung gewonnen. Allein in den letzten drei Jahren sind sowohl in Deutschland als auch in der EU eine Reihe neuer Verordnungen, Vorschriften und Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Sie verbieten die Ausfuhr und Verbringung von Waren, die für nicht-friedliche oder kriminelle Aktivitäten verwendet werden können. Sowohl nationale als auch europäische Gesetzgeber fordern von Forschungseinrichtungen zunehmende Sorgfalt, nicht nur in ihrem eigenen Verhalten, sondern auch und gerade gegenüber Partnern.

Was sind die Konsequenzen, wenn diese Sorgfaltspflicht nicht eingehalten wird?

Ein wesentlicher Teil der Arbeit, die am HZDR geleistet wird, dreht sich um Tätigkeiten, Wissen oder Produkte aus der Forschung, die in missbräuchlicher Verwendung großen Schaden anrichten können. Ein Verlust oder eine unbefugte Weitergabe sensibler Technologien oder Informationen würde zunächst, selbst wenn es unabsichtlich passiert, eine Straftat darstellen. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass mindestens elf britische Universitäten dem iranischen Regime durch die Weitergabe von Technologie zur Entwicklung so genannter Kamikaze-Drohnen geholfen haben sollen. Das verstößt nicht nur gegen friedliche Forschungsziele, sondern kann auch rufschädigend wirken oder zum Entzug von Lizenzen führen. Um dem vorzubeugen, kümmert sich das HZDR mit dem Ausfuhrbeauftragten in der Abteilung Vergabe- und Beschaffungswesen um die Exportkontrolle und die Einholung von Ausfuhrgenehmigungen.

Wenn es bereits präventive Maßnahmen gibt, was ist dann Ihr Beitrag und vor welchen Herausforderungen stehen Sie?

Ich möchte verhindern, dass HZDR-Forschung in die falschen Hände gerät. Mein Fokus liegt dabei auf der Bearbeitung neuer und komplexer Probleme oder Sonderfälle. Dabei sollen Standards entstehen, die in reguläre Prozesse integriert werden können. Bei meiner Analyse berücksichtige ich im ersten Schritt den politischen und rechtlichen Kontext der Länder und Institutionen, die zu unserer Forschung beitragen. Anschließend schaue ich mir zum einen die formelle Zusammenarbeit mit diesen Ländern an, zu der etwa Forschungs- und Einstellungsverträge gehören. Zum anderen nehme ich auch informelle Wege wie Konferenzen und Workshops in den Blick. Als nächstes überprüfe ich dann die Wahrscheinlichkeit von Ausfällen und der Nichteinhaltung von Vorschriften. Sobald eine Diagnose vorliegt, kann ich Monitoring- und Kontrollrichtlinien entwickeln, um die Verhängung von Bußgeldern und Strafen zu vermeiden. Dies alles ist Teil des internen Compliance-Programms, kurz ICP, das ich seit meiner Ankunft am HZDR mitgestaltet habe.

Welche Auswirkungen hat das ICP für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Kooperationen tätig sind?

Ein effektives Compliance-Modell erfordert das Engagement aller Kolleginnen und Kollegen, insbesondere derjenigen, die Entscheidungen in Bezug auf das Außenwirtschaftsgesetz treffen. Das Modell dient dazu, frühzeitig Probleme zu erkennen und eine reibungslose interne Kommunikation sicherzustellen. Eine zentrale Maßnahme sind Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um für das Themenfeld zu sensibilisieren und sicherheitsbewusstes Verhalten fördern. Im Vorstandsbüro arbeiten wir bereits in diese Richtung und wollen noch in diesem Jahr entsprechende Formate anbieten.

Sie sind jetzt schon einige Monate am HZDR. Haben Sie sich gut eingelebt? Was ist Ihr Eindruck vom Zentrum?

Bei meiner Ankunft am HZDR habe ich viele offene und wunderbare Menschen sowie eine sehr teamorientierte und effiziente Arbeitsweise vorgefunden. Von Anfang an habe ich Kontakt zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Mitarbeitenden der Verwaltung aufgenommen, um sie bei der Bewertung interner Kontrollmaßnahmen und der Identifizierung von Risiken im Zusammenhang mit Exportkontrollen zu begleiten. Ich fühle mich sehr glücklich und privilegiert, für eine so renommierte Forschungseinrichtung arbeiten zu dürfen. Der Einsatz und die Exzellenz aller Menschen, die hier arbeiten, inspirieren mich jeden Tag, mein Bestes zu geben.


Zur Person:

Pedro Roldan-Vazquez ist in Argentinien geboren und aufgewachsen. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Tucumán. Nach seinem Abschluss zog er nach Deutschland, wo er an der Universität Leipzig den Masterstudiengang „Recht der europäischen Integration“ absolvierte. Als Experte für internationales Recht sammelte er umfassende Erfahrungen in den Bereichen Compliance, Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht in Ländern wie Argentinien, Kolumbien, Spanien, den USA und Deutschland. Darüber hinaus war er viele Jahre lang als Lehrer und akademischer Ausbilder tätig.


Kontakt:

Pedro Roldan-Vazquez
Vorstandsbüro des HZDR
Tel.: +49 351 260 3037 | E-Mail: p.roldan-vazquez@hzdr.de