Pressemitteilung vom 26. August 2024
Bergbau-Überwachung 4.0: näher dran aus der Ferne
Neue Fernerkundungstechnologien mit KI-basierten Datensätzen für nachhaltigen Bergbau und eine neue Ära in der Erdbeobachtung
Drei aktuelle Studien, die unter der Mitwirkung des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie, einem Institut des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), durchgeführt wurden, zeigen bedeutende Fortschritte in der Überwachung von Bergbaugebieten. Gleichzeitig plädieren die Forschenden dafür, Künstliche Intelligenz (KI) für die Erdbeobachtung hinsichtlich von Umwelt- und Katastrophenschutz ethisch geleitet zu nutzen. Zudem haben sie ein KI-gestütztes Modell entwickelt, in das die durch Fernerkundung gewonnen Daten fließen. Dies könnte einen großen Schritt für die Erdbeobachtungs-Gemeinschaft bedeuten.
„MineNetCD – A Benchmark for Global Mining Detection on Remote Sensing Images” – so lautet der Titel der umfassenden Studie aus dem Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF). Im Mittelpunkt stehen die Erschließung und Überwachung von Bergbaugebieten mithilfe von Fernerkundungsbildern. Der dazu jetzt entwickelte Datensatz „MineNetCD“ basiert auf über 70.000 hochauflösenden Fernerkundungsbildpaaren von 100 Bergbaustandorten weltweit. Sie ermöglichen eine detaillierte Bestandsaufnahme und Analyse der durch Bergbau verursachten Veränderungen auf Basis eines einheitlichen Rahmens, der mehr als 13 fortschrittliche Modelle zur Erkennung von Veränderungen integriert. „Wir haben damit erstmals einen globalen Vergleichsmaßstab für die Überwachung von Bergbauaktivitäten an der Hand. Die entwickelten Algorithmen erweisen sich dabei für Forschende und Entwickler als leistungsstarke Tools bei der Überwachung weltweiter Bergbauaktivitäten“, erklärt Professor Pedram Ghamisi, Leiter der Gruppe Maschinelles Lernen in der HIF-Abteilung Erkundung.
Ein Kernstück der Studie bildet das ChangeFFT-Modell, das Bergbauplanern eine spezielle Messmethode – die sogenannte Fast-Fourier-Transformation – für die Nutzung von Fernerkundungsbildern bereitstellt. Damit lassen sich detailliert kritische Spektralkomponenten analysieren und Veränderungen bis auf Pixelebene erkennen. Gleichzeitig werden eine höhere Genauigkeit und Effizienz bei der Verarbeitung großer Datenmengen erreicht. „Der offene Zugang zu MineNetCD und dem ChangeFFT-Modell soll die Forschungsgemeinschaft weltweit unterstützen und wird zur Entwicklung nachhaltiger Bergbaupraktiken beitragen“, erklärt Professor Ghamisi den Vorteil des innovativen Datensatzes. Die Studie hat gezeigt, dass die MineNetCD-Methode in hervorragender Weise in der Lage ist, Veränderungen in Fernerkundungsbildern zu erkennen. Damit wird die Erstellung durchgängig genauer Veränderungskarten möglich. „MineNetCD ist eine robuste Lösung für die Erkennung von Veränderungen im Bergbau, die für Umweltverträglichkeitsprüfungen in der Bergbauindustrie unter Verwendung von Geodaten entscheidend ist“, unterstreicht Professor Ghamisi. „Wir gehen davon aus, dass damit eine Benchmark gesetzt ist für Fortschritte im nachhaltigen Bergbau.“
Verantwortungsvolle KI für Erdbeobachtung
Zu den neuen Möglichkeiten bei der Nutzung von Fernerkundungsbildern im Bergbau gehört zunehmend auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). In der aktuellen Studie „Responsible AI for Earth Observation“ hebt ein internationales Forschungsteam die Notwendigkeit der Einbeziehung damit verbundener ethischer und verantwortungsvoller Praktiken hervor. „KI hat das Potenzial, bedeutende Fortschritte in der Analyse von Erdbeobachtungsdaten zu erzielen, insbesondere in Bereichen wie Klimawandel, Entwaldung und Naturkatastrophen. Allerdings birgt der Einsatz dieser Technologien auch Risiken, wie etwa algorithmische Verzerrungen, mangelnde Transparenz und die potenzielle Verstärkung gesellschaftlicher Ungleichheiten“, erklärt Professor Ghamisi, der die internationale Studie federführend mitbetreut hat.
Die Forschenden betonen in der Studie die Bedeutung von Techniken zur Abschwächung solcher Verzerrungen und fordern, dass die eingesetzten KI-Modelle nicht nur leistungsstark, sondern auch gesellschaftlich und ethisch interpretierbar und rechenschaftspflichtig sein müssten. Professor Ghamisi: „Dazu gehören die sorgfältige Datenerhebung und -aufbereitung, die Entwicklung von Modellen, die die Auswirkungen von Verzerrungen minimieren, sowie die enge Zusammenarbeit mit Stakeholdern, um deren Bedürfnisse und Bedenken in den Entwicklungsprozess einzubeziehen.“
Die Studie fordert daher den vorrangigen Einsatz transparenter und nachvollziehbarer KI-Systeme. „Die Nutzung interpretierbarer maschineller Lernmodelle und erklärbarer KI-Techniken soll sicherstellen, dass Nutzer einen KI-basierten Entscheidungsprozess verstehen können. Das ist eine Voraussetzung, um Vertrauen in die Ergebnisse zu schaffen“, stellen die Autor*innen fest. Sie fordern zudem einen interdisziplinären Ansatz, der die Zusammenarbeit zwischen Fachleuten, KI-Forschenden und relevanten Interessensgruppen stärke: „Es geht darum sicherzustellen, dass innovative Fernerkundungstechnologien stets im Einklang mit grundlegenden gesellschaftlichen und ökologischen Prioritäten entwickelt und eingesetzt werden.“
SpectralGPT: ein KI-gestütztes Modell für Fernerkundungsbilder
ChatGPT ist vielen ein Begriff als KI-gestützte Kommunikationsplattform. Eine solche trainierte Plattform gibt es nun auch für Fernerkundungsbilder, genannt SpectralGPT. Diese wurde in einer Studie mit dem Titel „SpectralGPT: Spectral Remote Sensing Foundation Model“ vorgestellt, die von einer internationalen Forschungsgruppe in Zusammenarbeit mit dem HIF durchgeführt wurde. SpectralGPT ist das erste universelle Fernerkundungs-Grundlagenmodell, das mit über einer Million Bildern in unterschiedlichen Größen, Auflösungen, Zeitreihen und Darstellung von Regionen mit einem sich fortlaufend steigernden Trainingsansatz angelernt wurde. Dieser Ansatz ermöglicht die vollständige Nutzung eines umfangreichen Fernerkundungsdatensatzes und wird über eine Vielzahl von bildbezogenen Aufgaben getestet. Professor Ghamisi erläutert: „Der Fokus von KI-Algorithmen hat sich im Laufe der Zeit zwischen modellzentrierten und datenzentrierten Ansätzen verschoben. Der alleinige Fokus auf einen Aspekt ist nicht ausreichend. Stattdessen muss eine ausgewogene Betrachtung sowohl der Datenqualität als auch der Modellinnovation erfolgen, was KI-Experten und Netzwerkarchitekten zusammenbringen würde. Vielleicht wird so eine neue Ära eingeläutet, in der datenzentrierte Modellansätze im Fokus stehen. Den Auftrieb, den Grundlagenmodelle wie unser SpectralGPT und Modelle von Microsoft, IBM, NASA, ESA und anderen im Bereich der Erdbeobachtung gerade erhalten, könnte ein Beweis für diesen Trend sein.“ Und weiter: „Damit könnte der lang gehegte Traum der Fernerkundungsgemeinschaft wahr werden, eine Vielzahl von Anwendungen mit einem einzigen Modell abzudecken.“
Publikationen:
Yu, W.; Zhang, X.; Zhu, X.; Gloaguen, R.; Ghamisi, P.; MineNetCD: A Benchmark for Global Mining Change Detection on Remote Sensing Imagery in ArXiv, 2024 (DOI: 10.48550/arXiv.2407.03971)
Ghamisi, P.; Yu, W.; Marinoni, A.; Gevaert, C. M.; Persello, C.; Selvakumaran, S.; Girotto, M.; Horton, B.P.; Rufin, P.; Hostert, P.; Pacifici, F.; Atkinson, P. M.; Responsible AI for Earth Observation in ArXiv, 2024 (DOI: 10.48550/arXiv.2405.20868)
Hong, D.; Zhang, B.; Li, X.; Li, Y.; Li, C.; Yao, J.; Yokoya, N.; Li, H.; Ghamisi, P.; Jia, X.; Plaza, A.; Gamba, P.; Benediktsson, J. A.; and Chanussot, J.;, "SpectralGPT: Spectral Remote Sensing Foundation Model," in IEEE Transactions on Pattern Analysis and Machine Intelligence, vol. 46, no. 8, pp. 5227-5244, Aug. 2024 (Doi: 10.1109/TPAMI.2024.3362475)
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Pedram Ghamisi | Abteilung Erkundung
Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie am HZDR
Tel.: +49 351 260 4405 | E-Mail: p.ghamisi@hzdr.de
Medienkontakt:
Anne-Kristin Jentzsch | Pressereferentin
Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie am HZDR
Tel.: +49 351 260 4429 | E-Mail: a.jentzsch@hzdr.de