Anwendungsbeispiel: Echtes Meißener Porzellan – oder etwa nicht?

Foto: Meißener Deckelvase im Kakiemon-Stil ©Copyright: Christian Neelmeijer

Meißener Deckelvase im Kakiemon-Stil

Bild: Christian Neelmeijer

Im frühen 18. Jahrhundert war Porzellan aus Asien in Europa sehr in Mode. Dem sächsischen Kurfürst August II hatten es insbesondere die Objekte aus der Manufaktur Sakaida Kakiemon im japanischen Arita angetan. Da der Import aus Japan über die Niederlande ausgesprochen kostspielig war, wurden in der Meißener Porzellanmanufaktur getreue Repliken solcher Porzellanobjekte für den kurfürstlichen Hof gefertigt. Bei einer Deckelvase im Kakiemon-Stil aus der Meißener Manufaktur zwischen 1725 und 1735 weckt die kunsthistorische Betrachtung Zweifel: Der Deckel scheint in Aspekten wie Passform, Malerei und Glasur nicht völlig überzeugend zum authentischen Vasenkörper zu passen. Wurde er womöglich nachträglich ersetzt?

Die Untersuchung mittels der ionenstrahl-basierten Analysemethode PIXE (protonen-induzierte Röntgenemission) liefert hier aufschlussreiche Informationen: Mit dieser Methode kann zerstörungsfrei die Materialzusammensetzung an unterschiedlichen Stellen eines Objekts bestimmt werden. Im Fall der Deckelvase werden dazu die chemischen Zusammensetzungen der Porzellanmasse, der Glasur und der Pigmente in der Bemalung jeweils am Vasenkörper und am Deckel miteinander und mit verifizierten Referenzobjekten verglichen. Dabei stellt sich heraus:

Die Porzellanmasse des Vasenkörpers ist typisches Meißener Hartporzellan mit einem geringeren Anteil an Siliziumoxid SiO2 und einem höheren Anteil an Aluminiumoxid Al2O3. Die Zusammensetzung des Deckels hingegen ähnelt Weichporzellan aus anderen Manufakturen z. B. in China, das ein umgekehrtes Verhältnis von SiO2- und Al2O3-Anteilen aufweist. Die Zusammensetzungen der Glasuren auf Vasenkörper und Deckel hingegen stimmen gut miteinander und mit denen der typischen Meißner Glasuren überein, aber unterscheiden sich deutlich von denen anderer Manufakturen. Zwar stimmen die Farben in der Bemalung auf Vasenkörper und Deckel optisch beeindruckend gut überein, jedoch weisen sie Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Pigmente auf. Für den Deckel wurde Chromoxidgrün verwendet; ein Pigment, das erstmals 1809 hergestellt wurde.

Der Deckel ist also tatsächlich eine spätere Nachanfertigung für das beschädigte oder verlorene Original. Womöglich wurde der Deckel anderswo geformt und gebrannt und dann in Meißen bemalt und glasiert. Durch die Untersuchung der Pigmente in der Bemalung kann zudem die Herstellung des Deckels auf einen Zeitpunkt nach 1809 eingegrenzt werden. Die Ionenstahlanalytik ergänzt somit die kunsthistorische Authentizitätsprüfung um wichtige materialwissenschaftliche Informationen.


  • C. Neelmeijer and R. Roscher, Gehört der Deckel zur Vase?
    Restauro 4/2015