Anwendungsbeispiel: Glas-Recycling im 11. Jahrhundert
Fragmente byzantinischer Glasarmreifen
Bild: https://doi.org/10.1016/j.jas.2013.03.003
Archäologische Artefakte aus Glas sind oft in deutlich größerer Zahl und besserem Zustand erhalten als solche aus empfindlichem organischem Material wie Textilien, Holz oder Papier. Sie sind darum eine wertvolle Quelle für statistische Informationen zu Verbreitung, Nutzung und Herstellungstechniken solcher Gegenstände in früheren Zeiten.
Eine Untersuchungsreihe über byzantinischen Glasschmuck aus Nufăru, auf dem Gebiet des heutigen Rumänien, hat interessante Einsichten zur Technik der Glasherstellung erbracht: Hierzu wurden mittels der analytischen Methoden PIXE und PIGE (protonen-induzierte Röntgen- bzw. Gamma-Emission) die chemischen Zusammensetzungen zahlreicher Fragmente von Glasarmreifen unterschiedlicher dekorativer Stile bestimmt. Die Armreifen aus Glas waren aufgrund ihres Fundkontextes auf das 10. bis 13. Jahrhundert n.Chr. datiert worden. In dieser Zeit wandelte sich der Prozess der Glasherstellung deutlich und es wurde viel experimentiert: man probierte zahlreiche Farbpigmente aus und ging von Natron zu bestimmten regional verfügbaren Pflanzenaschen als Flussmittel über. Die Mehrzahl der Glasfragmente aus Nufăru enthält tatsächlich beide Arten von Flussmittel. Da bei der Erstherstellung von Glas nur ein Flussmittel verwendet wird, ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass hier routinemäßig Glasobjekte unterschiedlicher Produktionsweisen eingeschmolzen, die Schmelzen vermischt und zu neuen Glaswaren geformt wurden. Den selben Schluss lassen auch die aufgefundenen Pigmente zu: Eine blaue Farbe kann mit Kupfer- oder mit Kobalt-Verbindungen erzielt werden; die Verbindungen zu mischen wäre unnötig. Nichtsdestotrotz enthalten Glasfragmente aus Nufăru beide Verbindungen. Aus dies spricht dafür, dass hier Glasbruchstücke, nach Farbe sortiert, eingeschmolzen und somit recycelt wurden.
Armreifen aus Glas sind seit langer Zeit und in vielen Gegenden ein beliebter Schmuck. Die materialwissenschaftlichen Befunde zu den Artefakten ergänzen die Ergebnisse kunsthistorischer Betrachtungen. Sie zeigen, dass sich die byzantinische Siedlung im heutigen Nufăru zeitlich und räumlich an einem Übergangspunkt für die Technik der Buntglasherstellung befand.
- R. Bugoi et al., Investigations of Byzantine glass bracelets from Nufăru, Romania, using external PIXE-PIGE methods.
Journal of Archaeological Science 40 (2013) 2881
https://doi.org/10.1016/j.jas.2013.03.003