Anwendungsbeispiel: Einblicke in die Herstellungstechnik von Art Nouveau Glas

Foto: Irisierende Vase von Loetz ©Copyright: Kunstgewerbemuseum in Prag

Irisierende Vase von Loetz

Bild: Kunstgewerbemuseum in Prag

Irisieren, also das Schillern einer Oberfläche in Regenbogenfarben, ist ein komplexes optisches Phänomen an Oberflächen mit einem geschichteten Aufbau. Manufakturen wie Tiffany oder Loetz setzten es um 1900 ein, um kunstvolle Glasobjekte im Art Nouveau Stil zu schaffen. In der Glasherstellung können verschiedene Ansätze verfolgt werden, um einen irisierenden Effekt zu erzeugen – dies bietet eine Möglichkeit, Produkte aus verschiedenen Manufakturen zu unterscheiden und auch Imitate oder Fälschungen zu erkennen. Dazu ist eine zerstörungsfreie Methodik zur Untersuchung der Schichtstruktur des Materials erforderlich. Durch Kombination von zwei Methoden der Ionenstrahlanalytik, PIXE (protonen-induzierte Röntgenemission) und RBS (Rutherford Rückstreuung), konnte der Schichtaufbau von irisierendem Glas aus der Manufaktur Loetz detailliert bestimmt werden.

Für die Herstellung von irisierendem Glas folgten mehrere Arbeitsschritte aufeinander: Zunächst wurde der heiße Glasrohling in Splittern einer anderen Glassorte gerollt. Der Rohling wurde dann wieder erhitzt und in die gewünschte Form geblasen. Dabei wurden die Splitter in das Hauptmaterial eingebettet. Danach wurde das Glasobjekt mit einer Lösung von Zinnchlorid oder Metallsalzen besprüht. Nach dem abschließenden Ausheizen zeigte das Glas ein Muster aus irisierenden Flecken, Papillon-Muster genannt.
Dieses Verfahren resultiert laut den Ergebnissen der Ionenstahlanalytik in der folgenden Materialstruktur: Der Korpus des Glasobjekts besteht aus einem Kalknatronglas mit einem Überzug aus Siliziumoxid mit Blei, Silber, Kalzium und Kalium. Das Splittermaterial mit höherem Blei- und Silberanteil ist in diesem Überzug eingeschlossen. Das Besprühen mit Zinnchloridlösung erzeugte eine dünne Schicht aus Zinnoxid mit nur 50 Nanometern Dicke. Etwas Zinn diffundierte während des abschließenden Ausglühens in die Überzugschicht.

Irisierendes Glas, sei es absichtsvoll hergestellt oder durch Korrosion entstanden, ist ein faszinierendes Material mit einem komplexen Schichtaufbau. Ionenstrahlanalytik erfordert keinen mechanischen Querschnitt durch das Objekt, sondern kann die Details dieser Materialstruktur zerstörungsfrei aufdecken.


  • D. Jembrih-Simbürger et al., X-ray fluorescence and ion beam analysis of iridescent Art Nouveau glass – authenticity and technology.
    Nuclear Instruments and Methods in Physics Research B 226 (2004) 119
    https://doi.org/10.1016/j.nimb.2004.03.075