Anwendungsbeispiel: Validierung der Materialanalyse im Feld

Foto: Altägyptische Glasvase in Form eines Palmstamms (18.-20. Dynastie) ©Copyright: Walters Art Museum

Altägyptische Glasvase in Form eines Palmstamms (18.-20. Dynastie)

Bild: Walters Art Museum

Die modernen Altertumswissenschaften sind sich der Auswirkungen bewusst, die Ausgrabungen und die Entfernung von Objekten aus ihrem Fundkontext haben. Heute hat der respektvolle Umgang mit dem kulturellen Erbe der Menschheit höchsten Stellenwert und Artefakte sollen am Fundort belassen werden. Allerdings können nicht alle empfindlichen Analyseinstrumente zum Ausgrabungsort transportiert werden; bei tragbaren Instrumenten müssen oft Abstriche bei der Sensitivität gemacht werden. Ein Beispiel aus Amarna (Ägypten) zeigt, wie trotzdem belastbare Aussagen zur Provenienz von Artefakten getroffen werden können, indem weniger sensitive, aber mobile Methoden wie pXRF (portable Röntgenfluoreszenz) mit hochempfindlichen, aber nicht-mobilen Methoden der Ionenstrahlanalytik abgeglichen werden.

In der spätbronzezeitlichen Siedlung von Amarna, einem Sitz der altägyptischen Pharaonen, finden bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert Ausgrabungen statt. Zahlreiche Glasartefakte aus Amarna wurden in europäische Museen verbracht, darunter das Ägyptische Museum in Berlin. In neuerer Zeit wird die Ausfuhr von Artefakten viel strenger kontrolliert und ggf. untersagt, sodass neu aufgefundene Objekte oft nur mit mobilen Methoden wie pXRF zur Materialanalyse untersucht werden können. Daher gilt es zu prüfen, ob pXRF die nötige Aussagekraft z. B. für Provenienzstudien besitzt. Zu diesem Zweck wurden ionenstrahlanalytische Untersuchungen an Glasartefakten aus Amarna in der Sammlung des Ägyptischen Museums Berlin durchgeführt. Die Ergebnisse wurden mit pXRF-Messungen an Artefakten vor Ort in Amarna verglichen. Die Ionenstrahlanalytik kann mittels der Methoden PIXE und PIGE (protonen-induzierte Röntgen- bzw. Gamma-Emission) genaue Auskunft über die Materialzusammensetzung einschließlich Spurenelementen geben. Einzelne Artefakte können damit anhand ihres charakteristischen Gehalts an Spurenelementen bestimmten Erzlagerstätten und Produktionszeiträumen zugeordnet werden. Aus der Ionenstrahlanalytik an den Objekten im Ägyptischen Museum ergibt sich, dass die relativen Gehalte an Kobalt, Mangan, Zink und Nickel für die Zuordnung der Artefakte aus Amarna entscheidend sind. pXRF-Messungen im Feld während der aktuellen Grabung in Amarna konnten diese Elemente tatsächlich mit der nötigen Präzision detektieren. Somit ist pXRF als mobile Methode zur Provenienzbestimmung in diesem Zusammenhang verifiziert. Zusätzlich können unterschiedliche Materialzusammensetzungen an der Oberfläche bzw. im Inneren eines Objekts mit der Methode RBS (Rutherford-Rückstreuung) ermittelt werden. Damit werden Veränderungen des Materials z. B. durch Alterungs- oder Witterungsprozesse erkannt, die bei der Auswertung von pXRF-Ergebnissen berücksichtigt werden müssen.

Während die Entfernung von archäologischen Artefakten aus ihrem Fundkontext heute sehr kritisch betrachtet wird, können Objekte in Museen noch wertvolle Informationen liefern, weil sie für die sensitive Materialanalyse mit nicht-mobilen Untersuchungsmethoden verfügbar sein können. Der Vergleich der Ergebnisse hochsensitiver Methoden wie der Ionenstrahlanalytik mit denen mobiler Methoden wie pXRF kann die im Feld gewonnenen Daten validieren. Somit werden mehr Datenquellen erschlossen ohne Fundkontexte zu stören, Artefakte aus ihren Herkunftsländern zu entfernen, oder ihren Erhaltungszustand durch Transport zu gefährden.


  • A.K. Hodgkinson et al., A comparative compositional study of Egyptian glass from Amarna with regard to cobalt sources and other colourants.
    Journal of Archaeological Science: Reports 54 (2024) 104412
    https://doi.org/10.1016/j.jasrep.2024.104412